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Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste
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- From: "Ulrich Schlueter" <uschluet AT muenster.de>
 - To: "Piraten-AG Bauen und Verkehr" <ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de>
 - Subject: [Ag-bauen-verkehr] § 49 der Bauordnung NRW ist nur einer von vielen Baustellen
 - Date: Tue, 11 Dec 2012 22:47:27 +0100
 - List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
 - List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>
 
Auf meine E-Mail mit Betreff "§ 49 
der Bauordnung NRW wird bezüglich Barrierefreiheit ausgehebelt" antwortete ein 
Teilnehmer der Mailinglister AG Gesundheit:
Ich bin grundsätzlich bei dir.
Allerdings kann ich deiner Kausalitätskette nur bedingt folgen.
Was du beschreibst, mag ein kleiner Aspekt sein für die Frage, wie viele Pflegebedürftige innerfamiliär gepflegt werden.
Richtig ist, dass die Ausdehnung des Paragrafen auf Reihenhäuser von den schablonenhaften Neubauten wegführte und dadurch rein baulich andere Lebensqualität und mehr (Groß-)Familienfreundlichkeit ermöglichte.
Ob das nach gefragt würde, ist eine andere Frage.
Grüße aus dem schönen Wesel,
Masch aka Manfred Schramm
Was 
du beschreibst, mag ein kleiner Aspekt sein für die Frage, wie viele 
Pflegebedürftige innerfamiliär gepflegt 
werden..."
Ich antwortete:
Sicherlich ist der § 49 der Bauordnung nur ein 
kleiner Aspekt bezüglich der Pflege. Ich arbeite im Behindertenfahrdienst des 
Arbeitersamariterbunds Münster, schleppe täglich Rollstuhlfahrer trepp-auf 
trepp-ab, weiß, dass nicht nur die Rollstuhlfahrer, sondern auch die Mitarbeiter 
des Fahrdienstes bei solchen Aktionen oft erheblichen Risiken ausgesetzt sind 
(Unfallrisiko, sich einen Bandscheibenschaden holen usw.). Wenn übrigens mehr 
als drei Stufen zu bewältigen sind, muss aus versicherungstechnischen Gründen 
ein zweiter Fahrer (sprich ein zweite Spezialfahrzeug mit Fahrer) hinzukommen, 
was nicht nur mit hohen Kosten verbunden ist. Der eine Fahrer zieht den 
Rollstuhl nach oben, der zweite Fahrer drückt von unten gegen den Rollstuhl. 
Wenn dem ziehenden Fahrer die Kräfte versagen und der Rollstuhl entgleitet, wird 
der drückende Fahrer durch den Rollstuhl samt Rollstuhlfahrer überrollt oder 
gegen die Wand des Treppenhauses gequetscht. Wenn der Fahrer das überlebt, sitzt 
er vielleicht anschließend selbst im Rollstuhl. Wie mir jemand berichtete, soll 
die Unfallkasse in Hamburg aus diesen Gründen angelbich solche Aktionen verboten 
haben. Mir selbst und Kollegen sind solche Unfälle passiert.
Darüber hinaus muss ich Senioren, die Treppen kaum noch 
steigen können und auch nur mit Mühe in einen Ford-Transit ein- und aussteigen 
können, jeden Tag in deren Wohnungen die Treppe hinauf begleiten und weiß, 
wieviele von diesen noch Laufenden, aber auch von den Rollstuhlfahrern in ihrer 
nicht barrierefreien Wohnung wie im Gefängnis sitzen. Von Inklusion der 
Behinderten und Senioren in das öffentliche Leben (Bekannte besuchen, zum 
Theater fahren usw.) entfernen wir uns immer mehr, wenn die Zahlen dieser in 
ihrer Wohnung "Inhaftierten" weiter steigt. Darüber hinaus: Wohnt ein Gesunder 
im dritten Stock ohne Treppe und hat einen Freundeskreis, zu dem ein 
Rollstuhlfahrer gehört, so kann man zwar die übrigen Freunde einladen, oft aber 
nicht den Rollstuhlfahrer, denn der kommt die Treppe nicht rauf. Vielleicht bis 
Du jung und kräftig und entgegnest, dass Du und deine gesunden Bekannten den 
Rollstuhlfahrer wohl die Treppe hochziehen können. Denk aber auch an andere 
Leute (beispielsweise Senioren), die nicht mal leicht und locker einen im 
Rollstuhl sitzenden Bekannten zwei Stockwerke die Treppe rauf ziehen 
können.
Mit anderen Worten: barrierearme Wohnungen sind nicht 
nur für Behinderte wichtig, sondern auch für Menschen, die Gehbehinderte im 
Bekanntenkreis haben und diese bei Einladungen nicht ausschließen 
möchten.
Im übrigen 
haben einige Behindertenbeauftragten und Seniorenvertretungen meiner 
Kritik am § 49 BauO vollends zugestimmt.
Viele Grüße
Ulrich 
Schlüter
Biederlackweg 
72
48167 
Münster
Germany
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4198233
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1975992
uschluet AT muenster.de
- [Ag-bauen-verkehr] § 49 der Bauordnung NRW ist nur einer von vielen Baustellen, Ulrich Schlueter, 11.12.2012
 
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