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- From: "dubiel AT t-online.de" <dubiel AT t-online.de>
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- Subject: [Rlp-aw] PM Stammtisch Apfelbaum
- Date: Fri, 07 Feb 2014 23:30:58 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/rlp-aw>
- List-id: <rlp-aw.lists.piratenpartei.de>
Hallo rundum,
da alle Parteien in irgendwelchen Blättchen halbseitig was veröffentlichen,
hat Bene mich bekniet, was zu schreiben. Hier der Text, auch im Pad, der
PM-würdig verändert werden sollte.
Ivo
Auf dem letzten Stammtisch der „Ahrpiraten“ erklärte Dr. Ivo Dubiel die Logik
einer Direkten Demokratie – als verschieden von einer indirekten oder
Repräsentativen Demokratie – am Beispiel des antiken Athens. Das antike
Attika um 500 vor Chr. brauchte keine Repräsentative Demokratie, da alle
Stimmberechtigten am Wochenende zur Volksversammlung kommen konnten. Dort
wurden bestimmte führende Funktionen durch Wahlen besetzt und über die
vorbereiteten Anträge abgestimmt. Jeder hatte Stimm- und Rederecht.
Organisiert wurde diese Demokratie durch den Rat der 500 mit jeweils 50
Vertreter aus 10 Phylen. Die natürlichen Interessenkonflikte zwischen den
Fischern und Seeleuten der Küste, den Bauern des Landesinneren und den
Bewohnern der Stadt Athen sollten nicht in der Volksversammlung auftreten.
Daher setzte sich jede Phyle gleichmäßig aus Küstenbewohnern, Bauern und
Städtern zusammen, die dann gemeinsam ihre Vertreter in den Rat der 500
entsandten. In jedem der 1
0 Athener Monate „regierte“ eine andere Phyle, verwaltete den Staat und
bereitete die Volksversammlungen vor.
Nur für die Besetzung von 100 wichtigen Ämtern wurde in Athen gewählt. Die
übrigen mehr als 1000 Ämter wurden durch eine Zufallsmaschine unter den
Bewerbern ausgelost. So auch die 50 Vertreter jeder Phyle. Welche Phyle im
nächsten Monat „regiert“, bestimmte das Los. Je wichtiger das ausgeloste Amt,
desto kürzer die Amtsperiode: ein Jahr, einen Monat, einen Tag. Es wurde nur
der Leumund der Bewerber geprüft, nicht die Qualifikation. Fehlentscheidungen
wurden vermieden, da fast immer Gremien von 10 bis 20 Ausgelosten entschieden
und nicht Einzelpersonen.
Niemand konnte sich durch Beredsamkeit und Charme vordrängeln, wie es Wahlen
erlauben. Jeder konnte für ein Amt ausgelost werden und mitregieren. Jeder
20. Bürger hatte ein Amt, jeder 5. war ausgelostes Mitglied der
Volksgerichte. Es gab keine „Gewaltenteilung“. Jeder Gewählte oder Ausgeloste
war der Volksversammlung Rechenschaft schuldig (außer den Richtern) und
konnte jederzeit abgesetzt und zur Verantwortung gezogen werden.
Persönlichkeiten, die durch Geld, Charme, Seilschaften und politischen Erfolg
versuchten, als Politiker ihre Machtbasis zu stabilisieren, wurden durch das
„Scherbengericht“ mit einem Quorum von mindestens 6000 Stimmen für 10 Jahre
aus Athen verbannt werden.
Die klassische Direkte Demokratie ist kein unbedeutendes Kuriosum. Ohne die
aktive Teilnahme der Bürger wäre Athen niemals das kulturelle,
wirtschaftliche und auch militärische Machtzentrum der antiken Welt geworden.
Der Parthenon ist Symbol der Leistungsfähigkeit dieser Demokratie, er ist
aber auch Teil des Athener Beschäftigungsprogramms und anderer sozialer
Maßnahmen. Nach Aristoteles besteht Freiheit nur in einer Direkten
Demokratie, in der jeder regiert und regiert wird, und eine Demokratie
besteht nur, wenn den Interessen der Mehrheit entsprochen wird und das sind
nicht die Reichen.
Aus Sicht des klassischen Athens sind westliche Demokratien alles, aber nicht
demokratisch. Nach Gründung der USA wählte man nicht den Präsidenten direkt,
sondern Wahlmänner, die dann nach Washington gallopierten. Und als 1848 in
Frankfurt die deutsche Demokratie erfunden wurde, ging das nur über
Abgeordnete, die eine Region im Parlament vertreten. Dies war damals
technisch notwendig. Inzwischen ist die Eisenbahn, das Telefon und das
Internet erfunden – völlig unbemerkt vom heutigen politischen System. Die
technologische Rückständigkeit dieses Systems hat Vorteile. Das Volk bestimmt
nicht direkt, sondern über „Repräsentanten“, die man mit Argumenten, Geld und
Versprechungen beeinflussen kann. Der Konflikt zwischen einer egalitären
Verteilung politischer und einer polarisierten Verteilung wirtschaftlicher
Macht lässt sich so „vermitteln“. Und wenn das nicht gelingt, versucht man –
wie jetzt in Thailand – die Demokratie abzuschaffen.
Der nächste Stammtisch der Ahrpiraten ist am Dienstag, dem 18. Februar im
„Apfelbaum“, Hauptstr. 120, Bad Neuenahr. Besprochen und gezeigt wird, wie
man e-m@ils verschlüsselt. Jeder ist mit seinem Laptop willkommen. Es wäre
gut, wenn „thunderbird“ –http://www.mozilla.org/de/thunderbird/ – und
„gpg4win“ – http://www.gpg4win.de/download-de.html – bereits runtergeladen
und installiert sind.
- [Rlp-aw] PM Stammtisch Apfelbaum, dubiel AT t-online.de, 07.02.2014
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