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ostwestfalen-lippe - [OWL] Geheimdienste außer Kontrolle

ostwestfalen-lippe AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW)

Listenarchiv

[OWL] Geheimdienste außer Kontrolle


Chronologisch Thread 
  • From: "Andreas Rohrmann" <andreas AT rohrmann.com>
  • To: Ostwestfalen-Lippe AT lists.piratenpartei.de
  • Cc: nrw-lippe AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [OWL] Geheimdienste außer Kontrolle
  • Date: Tue, 5 Nov 2013 20:17:01 -0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ostwestfalen-lippe>
  • List-id: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW) <ostwestfalen-lippe.lists.piratenpartei.de>

Eine wirklich sehr gute Zusammenfassung der Probleme und es ist absolut
unverständlich, dass dies bei der Allgemeinheit noch nicht angekommen ist.
Mag das genau die Aufgabe der Piraten sein, sich dem mal anzunehmen?!?


Überwachungsskandal
Geheimdienste außer Kontrolle

Eine Kolumne von Sascha Lobo

Der Spähskandal hat eine schleichende, aber starke Wirkung: Bei allen
wächst das Misstrauen gegenüber allen. Und das Gemisch aus Misstrauen,
Macht und Geheimhaltung ist Gift für die Demokratie. Deshalb gilt es, die
unersättliche Überwachungsmaschinerie zu stutzen. Jetzt haben wir die
Chance.

Daniel Ellsberg, der wichtigste amerikanische Whistleblower des 20.
Jahrhunderts, half mit der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere, den
Vietnam-Krieg zu beenden. Im Juli 2013 schrieb er auf Twitter den Leitsatz
für Staaten der digital vernetzten Ära: "Geheimhaltung korrumpiert,
genauso wie Macht korrumpiert."

Die Wirkmacht und Weisheit dieses großen Satzes wird erst in den kommenden
Jahren offenbar werden. Das korrumpierende Gift des Geheimen ist schon da.
Es lässt sich erkennen an einer schleichenden, aber starken Wirkung des
Spähskandals, dem Misstrauen. Bei allen wächst das Misstrauen gegenüber
allen, die Stasi-Vertrauensschere im Kopf. Und das in der digitalen Welt,
wo man wegen der Virtualität nicht viel mehr hat als Vertrauen. Denn die
Gesellschaft verdatet. Alles wird zu digitaler Information, persönliche,
persönlichste und intime Daten - also das, was Menschen verletzlich,
angreifbar, erpressbar macht.

Wie bei der Kontrolle der Macht geht es bei der staatlichen Heimlichkeit
nicht um Abschaffung. Sondern darum, die monströse Ausweitung der
Geheimoperationen zu bekämpfen.

Eine Frage der Erpressbarkeit

Ein Gedankenexperiment verdeutlicht die Dimension, mit der sich
Misstrauen, Macht und Geheimhaltung zum Demokratiegift vermengen.
Inzwischen ist bestätigt, dass Angela Merkels Handy abgehört wurde. Dabei
sind wohl auch Gespräche aufgezeichnet worden. Wäre es wirklich undenkbar,
dass darunter Informationen sind, deren Veröffentlichung für Merkel von
größtem Schaden wären?

Vielleicht hat sie sich ja am Telefon für ein geschenktes Bobby-Car
bedankt. Und was würde das für zukünftige Verhandlungen bedeuten? Durch
das heimliche Abhören von Merkels Handy ist die Frage der Erpressbarkeit
keine hanebüchene mehr. Das ist zwar nur ein Gedankenspiel, aber es zeigt,
wie gefährlich eine Überwachungsmaschinerie für die Demokratie ist, wenn
sie sich ohne Schranken ausdehnen kann - weil sie durch Geheimhaltung der
demokratischen Kontrolle entgeht.

Wenn die Bundesregierung mit Großbritannien und den USA verhandelt, ist
deshalb das wahrscheinlichste Ergebnis zugleich das schlimmste: ein
Betritt zur angelsächsischen Spionage-Union "Five Eyes", ein simpler
Seitenwechsel von den scheinbar eher Belauschten zu den eher Lauschenden.
Für eine Teilnahme an der Späh5-Gruppe wäre auch egal, mit welchen Worten
dieser Vorgang wolkig umschrieben würde.

Auf dem EU-Gipfel im Oktober 2013 hat Merkel mit einem Halbsatz gezeigt,
dass das ihr präferierter Lösungsansatz wäre. Bezogen auf den britischen
Premierminister und die "Five Eyes" erklärte sie: "Anders als David sind
wir ja leider nicht Teil dieser Gruppe." Leider nicht Teil einer radikalen
Geheimdienst-Gruppe, die ungefähr sämtliche Verfassungen und Grundrechte
ignoriert? Ernsthaft: leider?

Geheimdienstmaschinerie ist außer Kontrolle

Anfang November 2013 wurde bekannt, dass der BND tief verstrickt ist in
die Überwachung der digitalen Sphäre. Der "Guardian" schreibt zudem, die
Briten hätten den deutschen Diensten Hilfestellung darin gegeben, wie man
gesetzliche Beschränkungen umgehen oder weglobbyieren kann. Die gesamte
Geheimdienstmaschinerie ist außer Kontrolle geraten - ausdrücklich
inklusive der deutschen Dienste. Politiker-Empörung, die sich allein gegen
die NSA richtet, ohne die Frage nach der deutschen Kooperation zu stellen,
steht deshalb unter Kosmetikverdacht. Und billig erscheint sie auch: Ein
paar Ressentiments lassen sich immer preisgünstig mitnehmen.

Die Wahrheit ist: Politiker quer durch alle Parteien sind auf die
heimliche Bürgerüberwachung fixiert. Auf eine quasireligiöse, irrationale
Weise, die sie immun gegenüber Argumenten wie Effizienz oder
Rechtsstaatlichkeit macht. Zwischenzeitlich wurde seitens des
CSU-geführten Innenministeriums der Plan bekannt, den deutschen Netzknoten
in Frankfurt einfach direkt anzuzapfen. Das ist heimliche
Bürgerüberwachung im NSA-Style, das Innenministerium beweist ein
Fingerspitzengefühl wie Godzilla auf Crack.

Es geht darum, die unersättliche Überwachungsmaschinerie zu stutzen und
sich nicht bloß in Symbolpolitik zu verheddern. Deshalb ist so essentiell,
die Vorratsdatenspeicherung zu beerdigen: Sie ist die deutsche
Entsprechung der Bürgerüberwachung. Die #VDS ist der erste Schritt
Richtung Spähhölle, weil sie sich verdachtslos gegen Bürger wendet. Das
ist die rote Linie.

Verdachtslose Überwachung im Verbund mit Geheimhaltung, das eint die
Mindestspeicherfrist oder tafkav (the abuse formerly known as
Vorratsdatenspeicherung) mit dem Prism-Komplex, also dem geheimen Programm
zur Überwachung der Datennetze durch die NSA. Das Gift der Geheimhaltung
verwandelt eine kluge und notwendige Skepsis gegenüber dem System Staat in
schieres Misstrauen. Und Misstrauen wiederum ist das beste Argument für
noch mehr Geheimhaltung. Die westliche Welt ist in einen
antidemokratischen Teufelkreis der Geheimhaltung geraten. Edward Snowdens
Leaks bieten eine vielleicht einmalige Chance, dem Teufelskreis zu
entfliehen. Dazu muss man sie aber nutzen wollen.


Daniel Ellsbergs großer Satz gehört ins Stammbuch der digitalen
Gesellschaft: "Geheimhaltung korrumpiert, genauso wie Macht korrumpiert."


URL:

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/sascha-lobo-geheimdienste-ausser-kontrolle-a-931805.html






  • [OWL] Geheimdienste außer Kontrolle, Andreas Rohrmann, 05.11.2013

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