neuss AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Piraten Neuss (Nordrhein-Westfalen)
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- From: Mainframer <Mainframer AT web.de>
- To: Neuss <neuss AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [Neuss] Fwd: [Piraten NRW] Aus dem NSDAP-Vergleich lernen
- Date: Sun, 22 Apr 2012 14:05:42 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/neuss>
- List-id: <neuss.lists.piratenpartei.de>
fyi:
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Von: LeChuck <LeChuck AT news.piratenpartei.de>
Datum: 22. April 2012 13:47
Betreff: Re: [Piraten NRW] Aus dem NSDAP-Vergleich lernen
An: nordrhein-westfalen AT lists.piratenpartei.de
Val schrieb:
Es gibt keine Ähnlichkeit zwischen der NSDAP und den Piraten. Die Ähnlichkeit besteht vielmehr zwischen den Wählern damals und heute, vor allem ihrem Frust an den etablierten Parteien, die als unehrlich und interessengesteuert wahrgenommen wurden. Eine gewisse Ähnlichkeit gibt es auch zwischen der damaligen Weltwirtschaftskrise und der Finanzkrise, mit der unsere Politik seit 2008 herumlaboriert und dabei wie seinerzeit der olle Brüning keine so richtig vertrauenerweckende Figur macht.
Worauf man hinweisen kann, wenn es zu solchen Vergleichen kommt: In ganz Europa ist - durch genau dieselbe Krise - gerade eine Bewegung zu neuen bzw. bisherigen Klein- und Splitterparteien zu beobachten, und das völlig unabhängig vom jeweiligen Programm. Das sind dann zum Beispiel in Finnland und den Niederlanden rechtspopulistische Parteien, in Schottland und nach neuesten Umfragen neuerdings auch England separatistische Parteien, die aber ansonsten eher als linksliberal gelten. In Irland sind letztes Jahr die Grünen achtkantig aus dem Parlament geflogen und dafür ist Sinn Fein von 4 auf 14 Sitze erstarkt. In Islands Hauptstadt Rejkyavik wurde vor zwei Jahren eine ausgewiesene Spaßpartei (analog zu unserer "Die Partei") auf Anhieb stärkste Fraktion im Gemeinderat und stellte den Oberbürgermeister.
Das sind jetzt nur die Fälle, die mir ohne langes Nachdenken sofort einfallen, wahrscheinlich gibt es noch mehr. Die Wähler in ganz Europa wollen ihren Regierungen damit etwas sagen, und meiner Meinung nach lautet die Botschaft: Wir würden sogar einen Kleiderständer lieber an der Regierung sehen als ausgerechnet euch Lügner und Hohlköpfe, denen wir früher vertraut haben. Es hat weniger mit Vertrauen in die Gewählten zu tun als mit Mißtrauen in die nicht Gewählten. Das ist, das darf man sich keinen Illusionen hingeben, bei den Wählern der Piraten vielfach auch nicht anders. Das ist nichts, was irgendetwas Negatives über die Piraten aussagt, aber es macht die praktische politische Arbeit schon ein bißchen kniffeliger.
Ich halte es aber für ein Zeichen politischer Reife, daß bei uns keine rechtspopulistische Partei das schon seit Jahren erkennbare politische Vakuum füllen und dann Gott weiß was für Unfug mit ihrer Machtposition treiben konnte, ohne dabei natürlich auch nur eine Minute von den piratentypischen Selbstzweifeln gebremst zu werden (so etwas habe ich nämlich seit mindestens 2005 befürchtet), sondern stattdessen die Piratenpartei, die niemand, der bei Verstand ist, für rechtsradikal halten kann und deren Ernsthaftigkeit bei der Lösungsfindung ebenfalls niemand anzweifeln kann, der sich mit ihr näher beschäftigt. Dazu muß man die gefundenen Lösungen noch nicht einmal mögen. Die Piraten machen sich's selbst ja eher zu schwer als zu leicht.
Darin liegt auch der Unterschied, der neben den Gemeinsamkeiten mit damals ja auch hervorgehoben werden kann: Die freiheitliche Richtung der Piratenpartei ist eine, die in der damaligen politischen Großwetterlage chancenlos gewesen wäre. In vielen Ländern Europas kam es damals zu einer Ablösung demokratischer durch autoritäre Regierungen, so etwa in Italien, Polen, Österreich und Portugal. Deutschland war aus damaliger Perspektive kein so besonderer Ausnahmefall, sah man einmal davon ab, daß der Griff der Wähler ins Klo sich als um einiges tiefer und folgenschwerer erwies als anderswo. Auf der anderen Seite bekamen aber auch die Befürworter einer "Diktatur des Proletariats" mehr Zustimmung als diejenigen, die das Hohelied der Demokratie und des Pluralismus sangen, also wäre eine Partei mit freiheitlichen Bestrebungen als denkbarer Vorläufer der Piratenpartei wohl einfach sang- und klanglos untergegangen.
Soweit meine Analyse zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen damals und heute und den aus meiner Sicht wichtigen übergeordneten Zusammenhängen. Mir ist das neulich nämlich auch passiert, daß ein alter Freund, den ich lange nicht gesehen hatte und den ich eigentlich nicht für dumm halte, über die Piratenpartei nur eines zu sagen wußte: Daß ihm ihr kometenhafter Aufstieg unheimlich sei, weil er ihn an den Aufstieg der NSDAP erinnere. Das sind dann wohl die Früchte des Geschichtsunterrichts, ich erinnere mich nämlich auch noch gut an die Grafik in meinem Geschichtsbuch, in der die Entwicklung der Wahlergebnisse während der Weimarer Republik dargestellt wurde. Wenn man über die Piraten gar nichts weiß und nur die Grafik der Entwicklung der Wählerzustimmung mit jener vergleicht, dann kommt halt so was dabei heraus ... was auch einiges über die Grenzen der Aussagekraft von Statistiken aussagt.
--
Nordrhein-Westfalen mailing list
Nordrhein-Westfalen@lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/nordrhein-westfalen
_______________________________________________
Diese eMail ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland.
Sie spiegelt nur die persönliche Meinung des Verfassers wider.
Von: LeChuck <LeChuck AT news.piratenpartei.de>
Datum: 22. April 2012 13:47
Betreff: Re: [Piraten NRW] Aus dem NSDAP-Vergleich lernen
An: nordrhein-westfalen AT lists.piratenpartei.de
Val schrieb:
Thomas Weijers schrieb:
Ich finde den Vergleich auch mehr als daneben, aber nicht weit von demEben. Don't kill the messenger!
entfernt was einige Bürger denken.
Der direkte NSDAP Vergleich wurde am unserem Infostaenden, jetztUnd genau deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen. Deutlich machen, dass wir eben nicht inhaltsleer sind, dass wir klare Werte haben. Dass wir Menschenrechte schützen und Bürgerrechte widerherstellen wollen.
wiederholter Weise von Bürgern in einem Vergleich zum Wachstum und für
viele scheinbare inhaltslosigkeit unserer Partei gebracht.
Es gibt keine Ähnlichkeit zwischen der NSDAP und den Piraten. Die Ähnlichkeit besteht vielmehr zwischen den Wählern damals und heute, vor allem ihrem Frust an den etablierten Parteien, die als unehrlich und interessengesteuert wahrgenommen wurden. Eine gewisse Ähnlichkeit gibt es auch zwischen der damaligen Weltwirtschaftskrise und der Finanzkrise, mit der unsere Politik seit 2008 herumlaboriert und dabei wie seinerzeit der olle Brüning keine so richtig vertrauenerweckende Figur macht.
Worauf man hinweisen kann, wenn es zu solchen Vergleichen kommt: In ganz Europa ist - durch genau dieselbe Krise - gerade eine Bewegung zu neuen bzw. bisherigen Klein- und Splitterparteien zu beobachten, und das völlig unabhängig vom jeweiligen Programm. Das sind dann zum Beispiel in Finnland und den Niederlanden rechtspopulistische Parteien, in Schottland und nach neuesten Umfragen neuerdings auch England separatistische Parteien, die aber ansonsten eher als linksliberal gelten. In Irland sind letztes Jahr die Grünen achtkantig aus dem Parlament geflogen und dafür ist Sinn Fein von 4 auf 14 Sitze erstarkt. In Islands Hauptstadt Rejkyavik wurde vor zwei Jahren eine ausgewiesene Spaßpartei (analog zu unserer "Die Partei") auf Anhieb stärkste Fraktion im Gemeinderat und stellte den Oberbürgermeister.
Das sind jetzt nur die Fälle, die mir ohne langes Nachdenken sofort einfallen, wahrscheinlich gibt es noch mehr. Die Wähler in ganz Europa wollen ihren Regierungen damit etwas sagen, und meiner Meinung nach lautet die Botschaft: Wir würden sogar einen Kleiderständer lieber an der Regierung sehen als ausgerechnet euch Lügner und Hohlköpfe, denen wir früher vertraut haben. Es hat weniger mit Vertrauen in die Gewählten zu tun als mit Mißtrauen in die nicht Gewählten. Das ist, das darf man sich keinen Illusionen hingeben, bei den Wählern der Piraten vielfach auch nicht anders. Das ist nichts, was irgendetwas Negatives über die Piraten aussagt, aber es macht die praktische politische Arbeit schon ein bißchen kniffeliger.
Ich halte es aber für ein Zeichen politischer Reife, daß bei uns keine rechtspopulistische Partei das schon seit Jahren erkennbare politische Vakuum füllen und dann Gott weiß was für Unfug mit ihrer Machtposition treiben konnte, ohne dabei natürlich auch nur eine Minute von den piratentypischen Selbstzweifeln gebremst zu werden (so etwas habe ich nämlich seit mindestens 2005 befürchtet), sondern stattdessen die Piratenpartei, die niemand, der bei Verstand ist, für rechtsradikal halten kann und deren Ernsthaftigkeit bei der Lösungsfindung ebenfalls niemand anzweifeln kann, der sich mit ihr näher beschäftigt. Dazu muß man die gefundenen Lösungen noch nicht einmal mögen. Die Piraten machen sich's selbst ja eher zu schwer als zu leicht.
Darin liegt auch der Unterschied, der neben den Gemeinsamkeiten mit damals ja auch hervorgehoben werden kann: Die freiheitliche Richtung der Piratenpartei ist eine, die in der damaligen politischen Großwetterlage chancenlos gewesen wäre. In vielen Ländern Europas kam es damals zu einer Ablösung demokratischer durch autoritäre Regierungen, so etwa in Italien, Polen, Österreich und Portugal. Deutschland war aus damaliger Perspektive kein so besonderer Ausnahmefall, sah man einmal davon ab, daß der Griff der Wähler ins Klo sich als um einiges tiefer und folgenschwerer erwies als anderswo. Auf der anderen Seite bekamen aber auch die Befürworter einer "Diktatur des Proletariats" mehr Zustimmung als diejenigen, die das Hohelied der Demokratie und des Pluralismus sangen, also wäre eine Partei mit freiheitlichen Bestrebungen als denkbarer Vorläufer der Piratenpartei wohl einfach sang- und klanglos untergegangen.
Soweit meine Analyse zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen damals und heute und den aus meiner Sicht wichtigen übergeordneten Zusammenhängen. Mir ist das neulich nämlich auch passiert, daß ein alter Freund, den ich lange nicht gesehen hatte und den ich eigentlich nicht für dumm halte, über die Piratenpartei nur eines zu sagen wußte: Daß ihm ihr kometenhafter Aufstieg unheimlich sei, weil er ihn an den Aufstieg der NSDAP erinnere. Das sind dann wohl die Früchte des Geschichtsunterrichts, ich erinnere mich nämlich auch noch gut an die Grafik in meinem Geschichtsbuch, in der die Entwicklung der Wahlergebnisse während der Weimarer Republik dargestellt wurde. Wenn man über die Piraten gar nichts weiß und nur die Grafik der Entwicklung der Wählerzustimmung mit jener vergleicht, dann kommt halt so was dabei heraus ... was auch einiges über die Grenzen der Aussagekraft von Statistiken aussagt.
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Nordrhein-Westfalen mailing list
Nordrhein-Westfalen@lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/nordrhein-westfalen
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Diese eMail ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland.
Sie spiegelt nur die persönliche Meinung des Verfassers wider.
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Experience hath shewn, that even under the best forms of government
those entrusted with power have, in time, and by slow operations,
perverted it into tyranny.
(Thoms Jefferson)
If tyranny and oppression come to this land, it will be in the guise of fighting a foreign enemy.
(James Madison)
(Thoms Jefferson)
If tyranny and oppression come to this land, it will be in the guise of fighting a foreign enemy.
(James Madison)
When the government fears the people, there is liberty. When the people fear the government, there is tyranny
- [Neuss] Fwd: [Piraten NRW] Aus dem NSDAP-Vergleich lernen, Mainframer, 22.04.2012
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