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muenster - Re: [MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG

muenster AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kreis Münster/ NRW

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Re: [MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG


Chronologisch Thread 
  • From: "Johannes Schmanck" <johannes.schmanck AT binsys.de>
  • To: 'Kreis Münster/ NRW' <muenster AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG
  • Date: Mon, 30 Jun 2014 12:16:01 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/muenster>
  • List-id: Kreis Münster/ NRW <muenster.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: binary systems Datentechnik GmbH

Guter Bericht, danke!

Offene Frage für mich:

Warum geht Rüther, also offiziell?



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: muenster-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:muenster-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von Peter Hemecker
Gesendet: Montag, 30. Juni 2014 01:09
An: muenster AT lists.piratenpartei.de
Betreff: [MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG


Hallo !
Nachfolgend mein Bericht zur aktuellen Situation der Provinzial Nordwest
Holding AG mit der Bitte an Vorstand, Fraktion, sowie an die frisch
gekürten Herren des Ausschusses für Liegenschaften, etc. um
Kenntnisnahme und weitere Veranlassung :

Die Provinzial Nordwest Holding Aktiengesellschaft (PNWH) ist die
zweitgrößte öffentliche Versicherungsgruppe Deutschlands. Sie ist 2005
aus der Fusion der Westfälischen Provinzial in Münster und der
Provinzial Nord in Kiel hervorgegangen. Während man bis 2002 als Anstalt
des öffentlichen Rechts firmierte, erfolgte bei der Westf. Provinzial
2002 der Rechtsformwechsel zur AG (Aktiengesellschaft), die nun auch die
Rechtsform der Provinzial NW ist. Unter dem Dach der Holding AG agieren
mehrere ebenfalls nicht börsennotierte AGs, die das operative Geschäft
betreiben ( Lebensversicherung, Feuerversicherung, und dergl.)

Eigentümer der PNWH sind zu je 40 % der Sparkassenverband Westf.-Lippe
(SVWL) und der Landschaftsverband Westf.-Lippe (LWL), zu 18 % der
Giroverband Schleswig-Holstein SGVSH) und zu 2 % der Ostdeutsche
Sparkassenverband (OSV).

Ein wichtiges Mitglied des SVWL ist die Sparkasse Münsterland-Ost. Im
Verwaltungsrat dieser sitzen neben unserem OB zahlreiche Münsteraner
Ratsmitglieder, die so die Geschicke der Sparkasse und damit auch des SVWL
(als größten Anteilseigner der Provinzial ) mitgestalten können.

Einige Zahlen zur Provinzial Nordwest Holding AG:
Beschäftigte : 3.036 (2012), dv. 1.858 in MS (durchschn. Besch.-dauer
21,2 Jahre, Durchschnittsalter 46,7 Jahre, 46,5 % Frauenanteil).
Beitragseinnahmen : 3.044,2 Mio. EUR (2011), 2.990,7 (2012), ca. 3.200,0
(2013) etwa ½ Lebensvers. ½ Schadens- u. Unfallversicherungen.
Ergebnis : 116,2 Mio. EUR (2011), 136,2 (2012), ca.130,0 (2013)

Vorstand : Ulrich Rüther (Vorsitzender)
Gerd Borggrebe (Personal, u.a.)
Dr. Ulrich Lüxmann-Ellinghaus (Rechnungswesen, u.a.)
Jörg Tomalak-Plönzke (Nord)

Aufsichtsrat : Dr. Rolf Gerlach (SVWL) ab 1.1.13 Vorsitz
Dr. Wolfgang Kirsch (LWL) bis 31.12.12 Vorsitz
Albert Roer (Vorsitz Gesamtbetriebsrat)

Historisches (hier von Bedeutung!) : Am 1.Mai 1722 unterschrieb Friedrich
Wilhelm I. von Preußen ein „Reglement“ zur Gründung einer
Feuersozietät. Diese ist der Vorläufer der heutige Provinzial. Auf Grund
zunehmender Bevölkerungs- und Bebauungsdichte nahm zuvor die Anzahl der
vernichtenden Brände stark zu. Die Bevölkerung sollte vor
existenzbedrohender Vernichtung von Hab und Gut geschützt werden. Im
Vordergrund stand also schon damals die Gemeinwohlorientierung und das
Prinzip „Alle für einen“.

Die Gemeinwohlorientierung gilt – zumindest theoretisch – trotz der
Rechtsform der AG bis heute. In der Unternehmenssatzung §2 Abs.1 heißt
es als Ziel : die Sicherstellung der „Versorgung der Bevölkerung mit
Versicherungsschutz und der Aufrechterhaltung eines kundenorientierten,
regional dezentralisierten ausgewogenen Marktes für
Versicherungsprodukte“.

Die Beteiligung an der PNWH hat der LWL in seiner Satzung festgeschrieben,
da jene „ als Versicherungsunternehmen des öffentlich-rechtlichen
Bereiches ... traditionell Sachversicherer der Städte, Gemeinden und
Gemeindeverbände“ ist. „Da sie ihr Geschäft nicht ausschließlich
unter Renditegesichtspunkten betreibt, garantiert sie über ihr dichtes
Zweigstellennetz eine attraktive Vollversorgung der Bevölkerung und des
Mittelstandes mit Versicherungsleistungen bis in strukturschwache Gebiete
hinein.“(Auszug aus dem LWL Beteiligungsbericht 2011). Der LWL darf
Beteiligungen nur dann verkaufen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des
LWL nicht mehr benötigt werden.

Die gute Gewinnsituation und flächendeckende Marktabdeckung in unserer
Region zieht natürlich Interessenten an einem Kauf der PNWH an. So wollte
2012 die Allianz die PNWH kaufen. Durch Rettung der Hypo-Real-Estate,
einem der größten Schuldner der Allianz, ist zuvor auch letztere mit
Milliarden Steuergeldern aus der drohenden Schieflage gekommen. Mit diesem
Geld kann sich die Allianz nunmehr die Rosinen des öffentl.-rechtlichen
Versicherungssektors einsacken.

Auf der Verkäuferseite haben sowohl der LWL als auch der SVWL als
Anteilseigner der Provinzial ein Interesse an dem Verkauf.

Der LWL könnte sich mit dem Verkaufserlös sanieren; die Kommunen
bräuchten kurzfristig nicht mehr so hohe oder sogar keine Umlagen mehr an
den LWL zu zahlen. Es wird also wieder einmal über den Verkauf des
„Tafelsilbers“ nachgedacht um kurzfristig Löcher im laufenden
Geschäftsbetrieb zu stopfen. Mittelfristig fehlen dem LWL aber die
jährlichen Ausschüttungen der PNWH und die fehlenden
Gewerbesteuereinnahmen bei einer Standortaufgabe dürften der Stadt
Münster auch weh tun.

Beim SVWL gibt es ein anderes Problem: Dr. Gerlach als
Aufsichtsratsvorsitzender der Provinzial und gleichzeitig Chef des
Sparkassenverbands war (ebenso wie übrigens sein Kollege vom LWL Dr.
Kirsch) langjähriges Mitglied im Aufsichtsrat der WestLB, zwischen 2004
und 2011 sogar deren Vorsitzender. In dieser Zeit geriet die WestLB von
einem einst blühenden Unternehmen dank undurchsichtiger Spekulationen und
Missmanagement in Schieflage und befindet sich derzeit in der
Zerschlagung. Die Sparkassen als Anteilseigner der früheren WestLB
müssen nach wie vor die Quittung begleichen. Gerlach möchte ein zweites
Debakel vermeiden und will offensichtlich die Provinzial loswerden und
Kasse für den SVWL machen, um die noch jahrelang nachlaufenden Kosten der
WestLB-Pleite zahlen zu können. Zumindest betreibt er seit 2012
nachhaltig und unter allen möglichen Vorwänden die Verkaufs- und
Fusionsverhandlungen der Provinzial.

Der Verkauf der Provinzial an die Allianz wurde durch ein Machtwort der
Ministerpräsidentin Frau Kraft nach wochenlangen breit aufgestellten
Protesten verhindert. Statt dessen wurde aber nun über eine Fusion mit
der Provinzial Rheinland Holding nachgedacht. 500 Arbeitsplätze sollten
eingespart werden. Ein Standort (Düsseldorf oder Münster) hätte
geopfert werden müssen.
Die Verhandlungen zwischen der Provinzial NW und Provinzial Rheinland
scheiterten letztlich Ende 2013 an den unterschiedlichen Erwartungen, was
die Rechtsform anbelangt. Während der LWL für die Gesamtholding die AG
möchte, möchte der LV Rheinland eine Anstalt öffentlichen Rechts (so
wie es die Provinzial Rheinland Holding derzeit ist). Hintergrund : Eine
AG ist im Gegensatz zur öffentl.-rechtl. Rechtsform haftungsbeschränkt,
kann höhere Gewinnausschüttungen realisieren, ist gegenüber dem Land
NRW nicht rechenschaftspflichtig und hat die Gewinnmaximierung und nicht
das Gemeinwohl im Fokus. (Gegen die hohen Gewinnausschüttungen hatten die
Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrats Anfang 2014 bereits geklagt, da
die Eigenkapitalbasis, die auf Grund von Vorgaben der Finanzaufsicht
sukzessive erhöht werden muss, unnötig geschwächt wird. Hintergrund ist
die durch anhaltenden Niedrigzins risikobehaftete
Lebensversicherungs-Sparte)

Nichtsdestoweniger gibt Dr. Gerlach seine Fusionsabsichten nicht auf. Die
Provinzial soll nun, nach dem Scheitern der Fusion, aus eigener Kraft
Kosteneinsparungen von 45 Mio. jährl. erzielen. Die Zahl entsteht
dadurch, dass man bei einer Fusion für beide Gesellschaften zw. 80-100
Mio. EUR Kosten einsparen wollte. Dass die Provinzial bereits jetzt
Rekordergebnisse erzielt und die Eigenkapitalbasis – trotz der
Rekordausschüttungen an die Anteilseigner – stetig erhöht, wird
offensichtlich ignoriert. Lt. Provinzial-Vorstand hat die Provinzial unter
den 25 größten deutschen Lebensversicherern die höchste Solvenzquote.
Simultationsrechnungen hätten ergeben, dass selbst bei einem
hypothetischen Zinsniveau von nur 0,25 % bis ins Jahr 2020 keine Verluste
eintreten werden.

Zunehmend kommt es dabei zu einem Konflikt zwischen dem
Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Gerlach und dem Vorstandsvorsitzenden
Rüther. Letzterer sieht aus den genannten Gründen keine Notwendigkeit zu
weiteren Einsparungen, lehnt Arbeitsplatzabbau ab und steht auch den
insgeheim von Gerlach weiter betriebenen Fusions- und Verkaufsphantasien
im Wege. Zudem geht das Gerücht um, dass der Sparkassen-Verbandschef
Gerlach, große Bestände an Versicherungsverträgen von der Provinzial
hin zu den Sparkassen verlagern möchte, was einer Aushöhlung der
Provinzial gleichkäme. Ab Frühjahr 2014 kursierten dann Gerüchte, dass
der Aufsichtsrat und insb. dessen Vorsitzender den Vorstand loswerden und
durch einen gefügigen ersetzen möchte. Vor einer Woche kam dann die
Nachricht, dass der Vorstandsvorsitzende Rüther das Unternehmen
verlässt. Gleichzeitig gibt dieser die hervorragenden Zahlen des Jahres
2013 bekannt : Stark steigende Umsätze, Gewinn trotz größerer
Schadenssumme gehalten. Wie vor zwei Jahren kocht die Belegschaft vor Wut
und stellt sich hinter Rüther.

OB Lewe ergeht sich in nichtssagenden Äußerungen, dass man natürlich
den Standort Münster erhalten wolle, nennt aber gleichzeitig die
Bestellung eines neuen Vorstands „ein starkes Signal für eine gute
Zukunft des Unternehmens“. Weiter ergeht er sich in neo-liberalem
Sprech’ : „Unsicherheiten über die Entwicklung müssen endlich durch
eine dauerhafte strategische Lösung überwunden werden“. Also doch
Fusion oder Verkauf ?

Zum Abschluss ein Zitat aus einem Vortrag des seinerzeitigen
Aufsichtsratschefs Hans-Otto Streuber von 2011 zum 175 jährigen Bestehen
der Provinzial Rheinland : „Die im Rahmen dieser Diskussion erhobene
Behauptung von angeblichen Kostenvorteilen beruht auf theoretischen
Berechnungen eines Unternehmensberaters und ist reine Fiktion.... Für
mich steht fest, dass es gerade in der Assekuranz keine verwertbaren
Beispiele gibt, dass Größerwerden von Unternehmen mit dem Kleinerwerden
von Kostenquoten einhergeht.“

Was gibt es für die Piraten jetzt zu tun ?

Sie könnten über ihre NRW-Landtagsfraktion im Haushalts- und
Finanzausschuss tätig werden.

Sie könnten über ihre zwei neugewählten Mitglieder im LWL-Parlament
Einfluss nehmen (zumal einer der weiteren Aufsichtsräte der Provinzial
der (Ex-?)Bürgermeister von Soest, Dr. Eckhard Ruthemeyer, ist).

Wir in Münster sollten uns dem Antrag der Linken anschließen und ggf.
zwei Punkte ergänzen :
- Rückführung des Unternehmensziels der Provinzial weg von der
Gewinnmaximierung hin zur Gemeinwohlorientierung;
- Mittelfristige Rückabwicklung der Privatisierung und Umwandlung der
Provinzial von einer Aktiengesellschaft in ein Unternehmen des
öffentlichen Rechts.

Herausgabe einer PM mit diesen Inhalten noch vor der nächsten Ratssitzung.

Grüße
Peter
--
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