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muenster - [MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG

muenster AT lists.piratenpartei.de

Subject: Kreis Münster/ NRW

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[MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG


Chronological Thread 
  • From: Peter Hemecker <Peter+Hemecker AT news.piratenpartei.de>
  • To: muenster AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [MS Piraten] Provinzial Nordwest Holding AG
  • Date: Sun, 29 Jun 2014 23:09:26 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/muenster>
  • List-id: Kreis Münster/ NRW <muenster.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Hallo !
Nachfolgend mein Bericht zur aktuellen Situation der Provinzial Nordwest Holding AG mit der Bitte an Vorstand, Fraktion, sowie an die frisch gekürten Herren des Ausschusses für Liegenschaften, etc. um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung :

Die Provinzial Nordwest Holding Aktiengesellschaft (PNWH) ist die zweitgrößte öffentliche Versicherungsgruppe Deutschlands. Sie ist 2005 aus der Fusion der Westfälischen Provinzial in Münster und der Provinzial Nord in Kiel hervorgegangen. Während man bis 2002 als Anstalt des öffentlichen Rechts firmierte, erfolgte bei der Westf. Provinzial 2002 der Rechtsformwechsel zur AG (Aktiengesellschaft), die nun auch die Rechtsform der Provinzial NW ist. Unter dem Dach der Holding AG agieren mehrere ebenfalls nicht börsennotierte AGs, die das operative Geschäft betreiben ( Lebensversicherung, Feuerversicherung, und dergl.)

Eigentümer der PNWH sind zu je 40 % der Sparkassenverband Westf.-Lippe (SVWL) und der Landschaftsverband Westf.-Lippe (LWL), zu 18 % der Giroverband Schleswig-Holstein SGVSH) und zu 2 % der Ostdeutsche Sparkassenverband (OSV).

Ein wichtiges Mitglied des SVWL ist die Sparkasse Münsterland-Ost. Im Verwaltungsrat dieser sitzen neben unserem OB zahlreiche Münsteraner Ratsmitglieder, die so die Geschicke der Sparkasse und damit auch des SVWL (als größten Anteilseigner der Provinzial ) mitgestalten können.

Einige Zahlen zur Provinzial Nordwest Holding AG:
Beschäftigte : 3.036 (2012), dv. 1.858 in MS (durchschn. Besch.-dauer 21,2 Jahre, Durchschnittsalter 46,7 Jahre, 46,5 % Frauenanteil).
Beitragseinnahmen : 3.044,2 Mio. EUR (2011), 2.990,7 (2012), ca. 3.200,0 (2013) etwa ½ Lebensvers. ½ Schadens- u. Unfallversicherungen.
Ergebnis : 116,2 Mio. EUR (2011), 136,2 (2012), ca.130,0 (2013)

Vorstand : Ulrich Rüther (Vorsitzender)
Gerd Borggrebe (Personal, u.a.)
Dr. Ulrich Lüxmann-Ellinghaus (Rechnungswesen, u.a.)
Jörg Tomalak-Plönzke (Nord)

Aufsichtsrat : Dr. Rolf Gerlach (SVWL) ab 1.1.13 Vorsitz
Dr. Wolfgang Kirsch (LWL) bis 31.12.12 Vorsitz
Albert Roer (Vorsitz Gesamtbetriebsrat)

Historisches (hier von Bedeutung!) : Am 1.Mai 1722 unterschrieb Friedrich Wilhelm I. von Preußen ein „Reglement“ zur Gründung einer Feuersozietät. Diese ist der Vorläufer der heutige Provinzial. Auf Grund zunehmender Bevölkerungs- und Bebauungsdichte nahm zuvor die Anzahl der vernichtenden Brände stark zu. Die Bevölkerung sollte vor existenzbedrohender Vernichtung von Hab und Gut geschützt werden. Im Vordergrund stand also schon damals die Gemeinwohlorientierung und das Prinzip „Alle für einen“.

Die Gemeinwohlorientierung gilt – zumindest theoretisch – trotz der Rechtsform der AG bis heute. In der Unternehmenssatzung §2 Abs.1 heißt es als Ziel : die Sicherstellung der „Versorgung der Bevölkerung mit Versicherungsschutz und der Aufrechterhaltung eines kundenorientierten, regional dezentralisierten ausgewogenen Marktes für Versicherungsprodukte“.

Die Beteiligung an der PNWH hat der LWL in seiner Satzung festgeschrieben, da jene „ als Versicherungsunternehmen des öffentlich-rechtlichen Bereiches ... traditionell Sachversicherer der Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände“ ist. „Da sie ihr Geschäft nicht ausschließlich unter Renditegesichtspunkten betreibt, garantiert sie über ihr dichtes Zweigstellennetz eine attraktive Vollversorgung der Bevölkerung und des Mittelstandes mit Versicherungsleistungen bis in strukturschwache Gebiete hinein.“(Auszug aus dem LWL Beteiligungsbericht 2011). Der LWL darf Beteiligungen nur dann verkaufen, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des LWL nicht mehr benötigt werden.

Die gute Gewinnsituation und flächendeckende Marktabdeckung in unserer Region zieht natürlich Interessenten an einem Kauf der PNWH an. So wollte 2012 die Allianz die PNWH kaufen. Durch Rettung der Hypo-Real-Estate, einem der größten Schuldner der Allianz, ist zuvor auch letztere mit Milliarden Steuergeldern aus der drohenden Schieflage gekommen. Mit diesem Geld kann sich die Allianz nunmehr die Rosinen des öffentl.-rechtlichen Versicherungssektors einsacken.

Auf der Verkäuferseite haben sowohl der LWL als auch der SVWL als Anteilseigner der Provinzial ein Interesse an dem Verkauf.

Der LWL könnte sich mit dem Verkaufserlös sanieren; die Kommunen bräuchten kurzfristig nicht mehr so hohe oder sogar keine Umlagen mehr an den LWL zu zahlen. Es wird also wieder einmal über den Verkauf des „Tafelsilbers“ nachgedacht um kurzfristig Löcher im laufenden Geschäftsbetrieb zu stopfen. Mittelfristig fehlen dem LWL aber die jährlichen Ausschüttungen der PNWH und die fehlenden Gewerbesteuereinnahmen bei einer Standortaufgabe dürften der Stadt Münster auch weh tun.

Beim SVWL gibt es ein anderes Problem: Dr. Gerlach als Aufsichtsratsvorsitzender der Provinzial und gleichzeitig Chef des Sparkassenverbands war (ebenso wie übrigens sein Kollege vom LWL Dr. Kirsch) langjähriges Mitglied im Aufsichtsrat der WestLB, zwischen 2004 und 2011 sogar deren Vorsitzender. In dieser Zeit geriet die WestLB von einem einst blühenden Unternehmen dank undurchsichtiger Spekulationen und Missmanagement in Schieflage und befindet sich derzeit in der Zerschlagung. Die Sparkassen als Anteilseigner der früheren WestLB müssen nach wie vor die Quittung begleichen. Gerlach möchte ein zweites Debakel vermeiden und will offensichtlich die Provinzial loswerden und Kasse für den SVWL machen, um die noch jahrelang nachlaufenden Kosten der WestLB-Pleite zahlen zu können. Zumindest betreibt er seit 2012 nachhaltig und unter allen möglichen Vorwänden die Verkaufs- und Fusionsverhandlungen der Provinzial.

Der Verkauf der Provinzial an die Allianz wurde durch ein Machtwort der Ministerpräsidentin Frau Kraft nach wochenlangen breit aufgestellten Protesten verhindert. Statt dessen wurde aber nun über eine Fusion mit der Provinzial Rheinland Holding nachgedacht. 500 Arbeitsplätze sollten eingespart werden. Ein Standort (Düsseldorf oder Münster) hätte geopfert werden müssen.
Die Verhandlungen zwischen der Provinzial NW und Provinzial Rheinland scheiterten letztlich Ende 2013 an den unterschiedlichen Erwartungen, was die Rechtsform anbelangt. Während der LWL für die Gesamtholding die AG möchte, möchte der LV Rheinland eine Anstalt öffentlichen Rechts (so wie es die Provinzial Rheinland Holding derzeit ist). Hintergrund : Eine AG ist im Gegensatz zur öffentl.-rechtl. Rechtsform haftungsbeschränkt, kann höhere Gewinnausschüttungen realisieren, ist gegenüber dem Land NRW nicht rechenschaftspflichtig und hat die Gewinnmaximierung und nicht das Gemeinwohl im Fokus. (Gegen die hohen Gewinnausschüttungen hatten die Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrats Anfang 2014 bereits geklagt, da die Eigenkapitalbasis, die auf Grund von Vorgaben der Finanzaufsicht sukzessive erhöht werden muss, unnötig geschwächt wird. Hintergrund ist die durch anhaltenden Niedrigzins risikobehaftete Lebensversicherungs-Sparte)

Nichtsdestoweniger gibt Dr. Gerlach seine Fusionsabsichten nicht auf. Die Provinzial soll nun, nach dem Scheitern der Fusion, aus eigener Kraft Kosteneinsparungen von 45 Mio. jährl. erzielen. Die Zahl entsteht dadurch, dass man bei einer Fusion für beide Gesellschaften zw. 80-100 Mio. EUR Kosten einsparen wollte. Dass die Provinzial bereits jetzt Rekordergebnisse erzielt und die Eigenkapitalbasis – trotz der Rekordausschüttungen an die Anteilseigner – stetig erhöht, wird offensichtlich ignoriert. Lt. Provinzial-Vorstand hat die Provinzial unter den 25 größten deutschen Lebensversicherern die höchste Solvenzquote. Simultationsrechnungen hätten ergeben, dass selbst bei einem hypothetischen Zinsniveau von nur 0,25 % bis ins Jahr 2020 keine Verluste eintreten werden.

Zunehmend kommt es dabei zu einem Konflikt zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Gerlach und dem Vorstandsvorsitzenden Rüther. Letzterer sieht aus den genannten Gründen keine Notwendigkeit zu weiteren Einsparungen, lehnt Arbeitsplatzabbau ab und steht auch den insgeheim von Gerlach weiter betriebenen Fusions- und Verkaufsphantasien im Wege. Zudem geht das Gerücht um, dass der Sparkassen-Verbandschef Gerlach, große Bestände an Versicherungsverträgen von der Provinzial hin zu den Sparkassen verlagern möchte, was einer Aushöhlung der Provinzial gleichkäme. Ab Frühjahr 2014 kursierten dann Gerüchte, dass der Aufsichtsrat und insb. dessen Vorsitzender den Vorstand loswerden und durch einen gefügigen ersetzen möchte. Vor einer Woche kam dann die Nachricht, dass der Vorstandsvorsitzende Rüther das Unternehmen verlässt. Gleichzeitig gibt dieser die hervorragenden Zahlen des Jahres 2013 bekannt : Stark steigende Umsätze, Gewinn trotz größerer Schadenssumme gehalten. Wie vor zwei Jahren kocht die Belegschaft vor Wut und stellt sich hinter Rüther.

OB Lewe ergeht sich in nichtssagenden Äußerungen, dass man natürlich den Standort Münster erhalten wolle, nennt aber gleichzeitig die Bestellung eines neuen Vorstands „ein starkes Signal für eine gute Zukunft des Unternehmens“. Weiter ergeht er sich in neo-liberalem Sprech’ : „Unsicherheiten über die Entwicklung müssen endlich durch eine dauerhafte strategische Lösung überwunden werden“. Also doch Fusion oder Verkauf ?

Zum Abschluss ein Zitat aus einem Vortrag des seinerzeitigen Aufsichtsratschefs Hans-Otto Streuber von 2011 zum 175 jährigen Bestehen der Provinzial Rheinland : „Die im Rahmen dieser Diskussion erhobene Behauptung von angeblichen Kostenvorteilen beruht auf theoretischen Berechnungen eines Unternehmensberaters und ist reine Fiktion.... Für mich steht fest, dass es gerade in der Assekuranz keine verwertbaren Beispiele gibt, dass Größerwerden von Unternehmen mit dem Kleinerwerden von Kostenquoten einhergeht.“

Was gibt es für die Piraten jetzt zu tun ?

Sie könnten über ihre NRW-Landtagsfraktion im Haushalts- und Finanzausschuss tätig werden.

Sie könnten über ihre zwei neugewählten Mitglieder im LWL-Parlament Einfluss nehmen (zumal einer der weiteren Aufsichtsräte der Provinzial der (Ex-?)Bürgermeister von Soest, Dr. Eckhard Ruthemeyer, ist).

Wir in Münster sollten uns dem Antrag der Linken anschließen und ggf. zwei Punkte ergänzen :
- Rückführung des Unternehmensziels der Provinzial weg von der Gewinnmaximierung hin zur Gemeinwohlorientierung;
- Mittelfristige Rückabwicklung der Privatisierung und Umwandlung der Provinzial von einer Aktiengesellschaft in ein Unternehmen des öffentlichen Rechts.

Herausgabe einer PM mit diesen Inhalten noch vor der nächsten Ratssitzung.

Grüße
Peter




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