muenster AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kreis Münster/ NRW
Listenarchiv
[MS Piraten] Problematik der Target2-Salden im Zusammenhang mit Eurokrise und Rettungspaketen
Chronologisch Thread
- From: "Ulrich Schlueter" <uschluet AT muenster.de>
- To: 'Kreis Münster/ NRW' <muenster AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [MS Piraten] Problematik der Target2-Salden im Zusammenhang mit Eurokrise und Rettungspaketen
- Date: Sun, 15 Apr 2012 02:03:27 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/private/muenster>
- List-id: Kreis Münster/ NRW <muenster.lists.piratenpartei.de>
Hallo,
ich habe soeben den unten angehängten Text an die AG
Senioren der Piratenpartei gesendet. Die Target2-Problematik ist aber
meines Erachtens nicht nur für die zukünftige Finanzierbarkeit der Renten
und somit für die Mitglieder der AG Senioren interessant, sondern für alle an
Wirtschafts- und Finanzfragen ernsthaft interessierten Piraten und
Nicht-Piraten.
Wie von mir gewohnt ist mein Mail an die AG
Senioren wieder sehr ausführlich und nichts für Leute, die vorziehen, im
SMS-Stil zu kommunizieren. In diesem Fall nicht weiter lesen, sondern einfach
löschen!
Viele Grüße
Uli
Ulrich
Schlüter
Biederlackweg
72
48167
Münster
Germany
Tel. +49 (0) 251
4198233
Mobil +49 (0) 1522
1975992
uschluet AT muenster.de
Gesendet: Sonntag, 15. April 2012
01:47
An: 'AG Senioren' Betreff: [Ag-senioren] Problematik der Target2-Salden - Eurokrise -Rentensicherheit - Verlust der Ersparnisse Tina schlug vor, einen Aufruf unter http://www.demokratie-statt-fiskalpakt.org/ zu unterstützen. Sie sandte folgenden Text an die Mailingliste der AG Senioren: "Der Fiskalpakt verordnet eine sozialfeindliche Sparpolitik und umfasst
Strafen gegen Länder, die sich dieser Politik widersetzen. Der Fiskalpakt
schränkt damit demokratische Selbstbestimmung weiter ein. Er ist vorläufiger
Höhepunkt einer autoritären Entwicklung in Europa. Es ist
die Wahrheit und je mehr unterschreiben, vielleicht wird sich was ändern!!!
Hier der Link: http://www.demokratie-statt-fiskalpakt.org/"
Wer den Aufruf zum Unterzeichnen unter http://www.demokratie-statt-fiskalpakt.org/ folgen möchte, sollte vielleicht die gesamte Problematik kennen, in
der sich die Euroländer und speziell Deutschland befinden. Aber auch bezüglich
Altersarmut und Finanzierbarkeit des Lebensabends steht viel auf dem Spiel. Die
Target2-Problematik könnte darüber hinaus die Eurokrise drastisch verschärfen,
zu einem Zusammenbruch des Euroraums und zur Staatspleite Deutschlands
beitragen.
Die Deutsche Bundesbank veröffentlichte diese Woche die neuen
Target2-Salden. Die
Target2-Forderungen der Deutschen Bundesbank gegen die EZB beliefen sich im
Januar 2012 noch auf 498 Milliarden Euro. Wie man folgender Website entnehmen
kann, stiegen sie im Februar auf 547 Milliarden Euro (9,8 % Anstieg
gegenüber Januar) und im März auf 615 Milliarden Euro (12,5 % Anstieg gegenüber
Februar oder 23,6 % Anstieg gegenüber Januar):
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=&func=row&tr=EU8148
Im Spätsommer 2010 machte der frühere Bundesbankpräsident Helmut
Schlesinger Prof. Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner IFO-Instituts, auf die
Salden aufmerksam. Schlesinger war in der Bilanz der Deutschen Bundesbank
ein geheimnisvoller Posten aufgefallen: Forderungen der Bundesbank im
dreistelligen Milliardenbereich gegen das System der europäischen Notenbanken.
Schlesinger konnte sich nicht erklären, was dahintersteckt und bat Prof. Sinn um
eine Analyse. Prof. Sinn kam in seiner Analyse zu erschreckenden Ergebnissen und
veröffentlichte sie seitdem in Vorträgen, Zeitungsberichten und Talkshows. Auch
unter http://www.querschuesse.de/target2-salden/ wird
die Problematik seit Anfang 2011 detailliert und fachkundig
diskutiert.
Zwar kann man über Prof. Sinn geteilter Meinung sein,
doch beruhen seine Analysen auf dem von der Deutschen Bundesbank
veröffentlichten Zahlenmaterial. Lediglich seine Interpretation dieses
Zahlenmaterials kann somit kritisiert werden, die von ihm gelieferten Charts
jedoch kaum. Und die sind erschreckend genug. Prof. Sinn kommt außerdem zu dem
Ergebnis, dass ein großer Teil des augenblicklichen Wirtschaftsbooms in
Deutschland in Wirklichkeit auf die Kapitalflucht der Krisenländer nach
Deutschland zurückzuführen ist, dass die scheinbar hervorragenden
Exporterlöse in Wirklichkeit uneinbringliche Forderungen gegen die Krisenländer
sind. Der von der Bundesregierung für sich als Erfolg dargestellte
Wirtschaftsaufschwung wäre demnach in Wirklichkeit nur
"getürkt".
Bei der inzwischen auf 615 Milliarden Euro
angewachsenen Target2-Saldo der Deutschen Bundesbank handelt es sich um
Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber der EZB, denen Verbindlichkeiten
der Eurokrisenländer gegenüberstehen. Sollte eines der GIIPS-Länder
(Griechenland, Irland, Italien Portugal Spanien) pleite gehen, so werden diese
Forderungen uneinbringlich und müssen zu einem großen Teil abgeschrieben. Sie
müssen dann zusätzlich zu den Forderungen abgeschrieben werden, die die Deutsche
Bundesbank bzw. der deutsche Staat (teils indirekt über die EZB) aufgrund
der öffentlich bekannten Rettungspakete hat. De facto wäre die Deutsche
Bundesbank und damit Deutschland pleite. Wahrscheinliche Folgen: Run auf Banken,
soziale Unruhen, Währungsreform, Verlust der Ersparnisse, Zwangshypotheken in
private Grundstücke, Zwangsenteignungen, Verlust der Renten- und
Pensionsansprüche, Verarmung großer Teile der Bevölkerung
usw.
Doch auch bevor eines der GIIPS-Länder pleite ginge,
würde es im Vorfeld Abstufungen durch die Rating-Agenturen geben mit heftiger
werdenden Turbulenzen an den Finanzmärkten, einer Abkühlung der Konjunktur,
Abschwächung der Steuereinnahmen, Zunahme der Arbeitslosigkeit und sozialen
Unruhen usw. Man muss zukünftig rechnen mit:
-
Turbulenzen an Finanzmärkten
-
ansteigende Immobilienpreise in Städten wie bevorzugten Städten wie Berlin,
München, Hamburg, Düsseldorf, Köln usw., dort vorrangig in guten innenstadtnahen
Lagen mit Verdrängung der einkommensschwachen Bewohner an den
Stadtrand
-
ansteigende Inflation mit ansteigenden Energiekosten und
Mieten
-
im Endstadion vor der Währungsreform eventuelle
ein Hyperinflation -
ansteigende Preise für Edelmetalle wie Gold und Silber
-
Verbot des Goldbesitzes und Kapitalflusskontrollen, wenn für die Regierung die
Gefahr sich abzeichnet, dass weite Teile der Bevölkerung dem offiziellen
Zahlungsmittel Euro nicht mehr traut und seine Euros in Gold tauscht oder
Immobilien außerhalb des Euroraums
kauft Wie Prof. Sinn aufgrund des Zahlenmaterials beweist,
haben sich Länder wie Irland und Griechenland still und heimlich über
Target-Kredite bereits seit fünf Jahren "Rettungspakete" geschnürt, lange also,
bevor die Abgeordneten des Deutschen Bundestages über die offiziellen
Rettungspakete abstimmen durften. Die Abgeordneten wussten und wissen heute zum
großen Teil nichts über die Existenz und Bedeutung der Target2-Salden. Hätten
sie davon gewusst, so hätten sie sich bei der Abstimmung vielleicht anders
verhalten.
Prof. Sinn veröffentlicht die Summe aller Haftungen
Deutschlands unter der monatlich aktualisierten
Website:
http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/B-politik/_Haftungspegel
Am 6.04.2012, also noch vor Bekanntgabe der Deutschen
Bundesbank, dass die Forderungen
Bis vor kurzem hat sowohl die Deutsche Bundesbank als
auch unsere Regierung diese Problematik ignoriert, dann verschleiert oder
heruntergeredet, und in den Medien wurde sie der breiten Öffentlichkeit nicht
bewusst gemacht. Aufgrund des
weiteren, exponentiellen Anstiegs in den letzten Monaten,
und spätestens nachdem Bundesbank-Präsident Jens Weidmann (siehe http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/euro-krise-der-einsame-kampf-der-bundesbank/6274206.html)
forderte, dass finanzschwache Euro-Länder ihre Target-Verbindlichkeiten
gegenüber der EZB besichern müssen, kann nun weder die Presse noch die
Deutsche Bundesbank die Augen vor der Problematik verschließen. Als Folge
erschienen beispielsweise folgende Artikel:
http://www.wiwo.de/politik/europa/euro-krise-target-salden-draengen-deutschland-an-den-abgrund/6277238.html
http://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/hans-werner-sinn-der-dickschaedel-unter-den-wirtschaftsprofessoren-11671453.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/target-salden-der-bundesbank-brisante-milliarden-1.1300848
http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/euro-krise-der-einsame-kampf-der-bundesbank/6274206.html
Selbst im Newsletter der Immobilien-Fachwebsite www.gewerbeimmobilien24.de informierte
der Herausgeber Herr Rohmert im Editorial seines Newsletters 262 vom Januar
2012 seine Leser über die Target2-Problematik und erhielt laut Editorial der
Newsletter-Ausgabe 263 viele besorgte Rückmeldungen seiner Leser
(siehe http://www.gewerbeimmobilien24.de/gi24-news/immobilienbriefe-handelsimmobilien-report-archiv/).
Ist erst einmal die Immobilienfachwelt (Immobilienfondsmanager und
Immobilieninvestoren) aufgeschreckt, führt das schnell zu Reaktionen
(beispielsweise Umschichtung in Betongold, Kapitalflucht aus dem Euroraum
usw.).
Einzig die Bundesregierung ist der Meinung,
„Target-Kredite" würden nicht existieren (siehe http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2012/03/40658/).
Wie man beispielsweise der letzten Seite des
WIWO-Artikels "Target-Salden drängen Deutschland an den Abgrund" entnehmen kann,
sind alle Lösungsvorschläge für die Target2-Problematik eher theoretischer
Natur, siehe:
http://www.wiwo.de/politik/europa/euro-krise-kann-man-die-target-salden-eindaemmen/6277238-7.html
Hinzu kommt eine andere Problematik: Das
Schneeballsystem der Lebensversicherungen
Hierzu empfehle ich den Videovortrag
"Kapitalvernichtende Lebensversicherung - Staatlich gedeckter Betrug" von Rico
Albrecht unter http://www.wissensmanufaktur.net/vortraege.
Zusammenfassung
dieses Vortrags: Aufgrund der Überalterung haben immer mehr ältere Menschen
Ansprüche auf Auszahlungen aus den angesparten und fällig werdenden
Lebensversicherungen, während es immer weniger junge Beitragszahler gibt.
Außerdem haben die Lebensversicherungsgesellschaften die Gelder in wacklige
Staatsanleihen investiert, müssen oder müssten Abschreibungen vornehmen, drohen,
insolvent zu werden und haben über ihre Lobbyarbeit die Gesetzgebung so
unterlaufen, dass Lebensversicherungseinzahler im schlimmsten Fall keinen
Anspruch auf Auszahlungen haben, die Beiträge aber weiterhin zahlen müssen.
Ginge unser Staat pleite, gingen übrigens auch die
Lebensversicherungsgesellschaften pleite. Spätestens dann wären die geleisteten
Beiträge und die Ansprüche daraus verloren. Wer jedoch eine Immobilie mittels
einer Lebensversicherung finanziert hat, hätte weiterhin die Haushypothek
abzuzahlen. Viele dieser Immobilienbesitzer wären dann wohl
überschuldet.
Die Piraten AG Senioren beschäftigt sich intensiv mit
der zukünftigen Finanzierung der Renten und Pensionen. Oft wird gefordert, diese
Finanzierung auf das Dreisäulenprinzip (vergleichbar mit dem Schweizer Modell)
aufzubauen:
1. Alle (!) Bürger mit Einkommen zahlen in die
gesetzliche Rentenversicherung ein (auch Beamte und Selbständige
usw.)
2. Zweites Standbein sollen die Betriebsrenten
sein.
3. Zusätzlich sollen die Bürger privat für das Alter
vorsorgen und Geld sparen und in irgendeiner Form anlegen.
Das zweite und dritte Standbein dieses
Dreisäulenprinzips wird aber wahrscheinlich dann nicht funktionieren, wenn es
zum Eurocrash und infolge dessen sogar zur Staatspleite in Deutschland mit
anschließendem "Reset" kommt (Währungsreform usw.). Denn zumindest die
Betriebsrenten und wohl auch die privaten Altersvorsorgen wären eventuell
verloren, wenn sie in faule Anleihen (auch die AAA-gerateten Anleihen von
Deutschland wären dann wertlos), in den zugleich zusammenbrechenden
Aktienmarkt oder einfach nur auf Sparkonten und Termingeldkonten angelegt wären.
Wer sich über die Target2-Problematik informieren
möchte, kann diese Quellen nutzen:
Mitte jedes Monats aktualisierte Target2-Salden der
Deutschen Bundesbank:
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=&func=row&tr=EU8148
Unter
http://www.querschuesse.de/target2-salden/ werden die
Target2-Forderungen bzw. Target2-Verbindlichkeiten der einzelnen Euroländer mit
je einem Chart der Entwicklung und Kommentierung
monatlich aktualisiert. Am Ende der
Website sind Artikel verlinkt, in denen die Problematik seit Anfang 2011
detailliert und fachkundig diskutiert wurde und
wird.
Unter http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/B-politik/90spezial/Target hat Prof. Sinn am 21.03.2012 die Sonderausgabe "Die Target-Kredite der Deutschen Bundesbank" veröffentlicht: http://www.cesifo-group.de/portal/pls/portal/docs/1/1215973.PDF.
Videovorträge von
Prof. Hans-Werner Sinn:
http://aktien-boersen.blogspot.de/2012/03/prof-hans-werner-sinn-zur-situation-in.html
In der Mediathek
des IFO-Instituts (www.cesifo-group.de) der Videovortrag "Ist der Euro noch zu retten?" vom
19.12.2011. Unter http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoHome/B-politik/95discforum beantwortet Prof. Sinn Fragen seiner Leser zur Target2-Problematik.
Außerdem die oben bereits genannten
Artikel:
http://www.wiwo.de/politik/europa/euro-krise-target-salden-draengen-deutschland-an-den-abgrund/6277238.html
http://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/hans-werner-sinn-der-dickschaedel-unter-den-wirtschaftsprofessoren-11671453.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/target-salden-der-bundesbank-brisante-milliarden-1.1300848
http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/euro-krise-der-einsame-kampf-der-bundesbank/6274206.html Mit freundlichen
Grüßen
Ulrich
Schlüter
Biederlackweg
72
48167
Münster
Germany
Tel. +49 (0) 251
4198233
Mobil +49 (0) 1522
1975992
uschluet AT muenster.de
|
- [MS Piraten] Problematik der Target2-Salden im Zusammenhang mit Eurokrise und Rettungspaketen, Ulrich Schlueter, 15.04.2012
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.