Re: [MS Piraten] [Piraten NRW] Erklärung zu den Äußerungen von Aaron König

[ergonaut <ergonaut AT xpertnet.de>]

Ahoi Jens,

Jens Seipenbusch schrieb:
> Und darauf antworte ich so:
>
> "In der o.g. Erklärung wird entgegen dem Wortlaut des Blogpostings eine
> Interpretation vorgenommen und diese dann abgelehnt. Solche
> Wortverdrehung und alleinansprüchliche Auslegung mit anschliessendem
> Bescheid der Meinungspolizei ist zutiefst unpiratiges Verhalten. Ich
> würde die Unterstützer bitten, sich an der Diskussion zu beteiligen
> anstatt mit Verlautbarungen zu streiten."
>
> s. auch
> 
http://wiki.piratenpartei.de/index.php?title=NRW:2009-12-02_-_Erkl%C3%A4rung_zu_Aaron_Koenig
> (Mitglieder die diese Erklärung nicht unterstützen)
>

[....]

ich wollte mich dazu nicht äußern, sehe mich aber nun doch veranlasst.
Wenn an Aaron Königs Blog-Eintrag noch etwas unglücklich ist, dann auch 
die Tatsache,
dass es Kräfte bindet, denn wir haben hier in NRW zur Zeit wirklich 
Wichtigeres zu tun, deshalb nur kurz:

Ich habe die von Richard Klees angeregte Erklärung unterzeichnet und ich 
stehe dazu, obwohl ich sie selbst vielleicht anders formuliert hätte.

Wenn an Spenglers und Toynbees Kulturzyklentheorien nur ein Fünkchen 
Wahres ist, dann müssen wir dem Islam noch etwa 600 Jahre Zeit geben, 
bis er in einem dem unseren vergleichbaren Heute ankommt.
Damit habe ich nicht gesagt, dass ich im Kontext Islam heute auf 
europäischem Boden oder anderswo begangene Menschenrechtsverletzungen in 
irgendeiner Form toleriere.
Aber Ausgrenzungen, wie die Schweiz sie in ihrem Volksentscheid 
vorgenommen hat, helfen da gar nicht, im Gegenteil, sie behindern 
kulturelle Anschlussfähigkeit und schwächen diejenigen Kräfte innerhalb 
der islamischen Glaubensgemeinschaft, die die europäischen Werte bejahen.
Im Übrigen kann man nicht immer auf die "Weisheit der Vielen" setzen, 
gerade die Schweiz, gleichwohl in einem Volksentscheid, hat 1971 das 
Frauenwahlrecht als vorletzter Staat in Europa eingeführt.

Was aus Aaron König spricht, ist die europäisch-westliche Arroganz der 
älteren Wertekultur,
deren Entstehung - man muss das gelegentlich mal erwähnen - eine der 
längsten und breitesten Blutspuren der Menschheitsgeschichte aufweist. 
Dies gilt im erweiterten Sinne für die Monotheismen insgesamt.

Aaron König hat durch sein Posting die Bauchschicht angesprochen, auch 
ich habe eine solche, und ich hege "dem Islam" gegenüber beileibe nicht 
immer freundliche Gefühle und grünes Multikulti-Getue um jeden Preis ist 
mir fremd. Auch ich hätte etwas dagegen, wenn vor meinem Fenster ein 
Minarett stünde. Insofern kann ich die Schweizer nachvollziehen. 
Demgegenüber hat der Kirchturm doch etwas Vertrautes, auch wenn man sich 
nicht zu dessen Gemeinschaft zählt.
Aber das u.a. von Broder vorgebrachte Argument, in den meisten 
islamischen Ländern seien ja christliche Kirchen auch verboten, darf in 
diesem Falle nicht zählen. Dies hieße, Gleiches mit Gleichem zu 
vergelten, also die Anwendung eines alttestamentarischen Prinzips.
Was das Beispiel der Schweiz zeigt, ist, dass auch wir noch hinter der 
Aufklärung zurückbleiben, wenn solche Streitpunkte ins Feld geworfen werden.

Von einem Vorstandsmitglied der Piratenpartei erwarte ich vor allem ein 
wenig mehr historisches Bewusstsein, mehr Fingerspitzengefühl und 
insgesamt mehr Kopf und weniger von anderen populistisch 
ausschlachtbaren Bauch, auch dann, wenn er öffentlich und als Privatmann 
postet. Das wäre für mich piratiges Verhalten!
Ich kenne Aaron König nicht persönlich, dennoch beschleicht mich das 
Gefühl, da schmeißt jemand populistische Steinchen isn Wasser der 
Aufmerksamkeitsökonomie und freut sich, wie in den Wellen das eigene 
Spiegelbild wackelt. OK, das ist nur ein Gefühl, und bei Berichtigung 
muss ich mich dann mal entschuldigen.
Aber der rationale Rest reicht schon für die folgende Aussage:
Aaron König ist nicht "mein" Vorstandsmitglied, Punkt.

Desweiteren wünsche ich mir eine verstärkte und kritische Diskussion um 
unsere Werte.

LG, Joachim

http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Ergonaut