Berlin: (hib/HAU) Ob das Freihandelsabkommen TTIP
(Transatlantic Trade and Investment Partnership) unter dem
Aspekt der Nachhaltigkeit Chancen oder Risiken in sich birgt,
ist unter Experten umstritten. Das wurde während einer
öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Beirats für
nachhaltige Entwicklung am Mittwochabend deutlich.
Vor einem „Wettlauf hin zu den niedrigsten Standards“ warnte
Jürgen Maier vom zivilgesellschaftlichen Bündnis
„TTIPunfairHandelbar“. Die Logik der „regulatorischen
Harmonisierung“ ziele darauf ab, höhere Regulierungsstandards
zu einem Wettbewerbsnachteil zu machen, sagte Maier. Dem
widersprach Rupert Schlegelmilch, Direktor in der
Generaldirektion Handel der EU-Kommission. Europäische
Schutzniveaus stünden nicht zur Disposition, sagte er. Statt
unterschiedliche Schutzniveaus anzugleichen gehe es darum,
durch die gegenseitige Anerkennung der Methoden bei einem
gleichen Schutzniveau Kosten zu senken.
Wenn es lediglich um die Vereinfachung technischer
Zulassungsverfahren gehe, bräuchte man nicht so ein riesiges
Vertragswerk, sagte Mehrdad Payandeh vom Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB). „Das kann man auch in einer Zollunion
vereinbaren“, befand der DGB-Vertreter. Der Gewerkschaftler
kritisierte zudem, „dass elementare Standards für die
Beschäftigten von der amerikanischen Seite nicht ernst
genommen werden“. In einzelnen Staaten der USA würde gar mit
„gewerkschaftsfreien Zonen“ um Investoren geworben. „Wenn
dadurch Druck auf die hiesigen Unternehmer ausgeübt wird,
ebenfalls die Standards zu senken, ist das nicht nachhaltig“,
sagte Payandeh.
Einer Umfrage unter 2.500 mittelständischen Unternehmen, die
international engagiert seien, habe ergeben, dass 60 Prozent
der Befragten TTIP für wichtig bzw. sogar sehr wichtig halten,
sagte Volker Treier, Außenhandelschef beim Deutschen
Industrie- und Handelstag (DIHK). 75 Prozent dieser
Unternehmen hätten wiederum angegeben, den größten Vorteil des
Abkommens in der gegenseitigen Anerkennung von
produktrelevanten Standards zu sehen. Derzeit, so Treier,
werde geprüft, wo man auf Doppelzertifizierungen verzichten
könne. So könnten Kosten gespart werden, denen kein Nutzen
gegenüber stehe.
Das Abkommen sei eine Chance, die nachhaltige Entwicklung
voranzubringen, sagte EU-Vertreter Schlegelmilch. „Wir werden
die Amerikaner nicht so ohne Weiteres von der Angel lassen,
wenn es um die Ratifizierung der bei ihnen umstrittenen Normen
geht“, kündigte er an. Auch könnten in der Frage der
nachhaltigen Fischerei oder der nachhaltigen Bewirtschaftung
der Wälder positive Effekte durch das Abkommen erzielt werden.
„Und zwar unter einem starken Input der Zivilgesellschaft“,
fügte er hinzu. Was den Investorenschutz angeht, so machte
Schlegelmilch deutlich, das damit die Nachhaltigkeit nicht
ausgehebelt werden dürfe.
Jürgen Maier vom zivilgesellschaftlichen Bündnis
„TTIPunfairHandelbar“ zeigte sich dennoch skeptisch. Wenn von
der EU-Kommission zu hören sei, alle Regulierungen, die die
Wettbewerbsposition Europas gefährden könnten, müssten auf den
Prüfstand, sei sein Vertrauen darauf, dass die europäischen
Standards in den Verhandlungen aufrecht erhalten werden
„relativ begrenzt“.