ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft
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- From: Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>
- To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] Gesetzentwurf des Bundestages zu Direktzahlungen
- Date: Fri, 28 Mar 2014 08:54:23 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-landwirtschaft>
- List-id: <ag-landwirtschaft.lists.piratenpartei.de>
Moin!
Entschuldigt. Da war die Zeit etwas knapp. Also:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/009/1800908.pdf
Da sorgt allein schon der Paragraph 15 Absatz 3 für:
"Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt, zur
Gewähr- leistung des Schutzes von ökologisch wertvollem Dauergrünland durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als weitere sensible Gebiete
nach Artikel 45 Absatz 1 Unterab- satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013
• Moor- und Anmoorflächen,
• Überschwemmungsgebiete,
• erosionsgefährdete Flächen
zu bestimmen."
Das ist die bundesweite Umsetzung des Schleswig-holsteinischen
Dauergrünlanderhaltungsgesetzes. Nur wesentlich gröber verfasst, mit
wesentlich mehr Spielraum für die spätere Umsetzung.
Wo ich den Paragraphen betreffs Moor- und Anmoorflächen noch mittrage und als
positiv erachte weiten die beiden anderen bezeichneten Gebiete den
gesetzlichen Eingriff in die unternehmerischen Entscheidungen zur
Produktionsausrichtung erheblich aus.
Als Überschwemmungsbebiete definiert worden sind einst Landstriche, die in
den letzten 200 Jahren wenigstens ein Mal überschwemmt wurden. Das kann also
schon 199 Jahre her sein und nun völlig unbedenklich ackerfähig sein, doch
kann die Regierung basierend dieses Paragraphen jederzeit bestimmen, anderes
außer Dauergrünland wäre für diese Gebiete nicht mehr als
Produktionsausrichtung zulässig.
Von meinen 75 Hektar liegen 28 Hektar in solch einem ausgewiesenen
Überschwemmungsgebiet. Davon sind 8 Hektar bereits Dauergrünland, weil es
sich dort zusätzlich um Anmoorfläche handelt. Die restlichen 20 Hektar werden
von mir für den Getreideanbau verwendet. Dies könnte mir jederzeit von der
Bundesregierung untersagt werden. Womit die Produktionsausrichtung meines
Betriebes auf Milcherzeugung UND Ackerbau jederzeit beendet werden könnte.
Ich hätte dann keine Alternative mehr zu der meist unrentablen
Milcherzeugung, für die sich Dauergrünland nur verwenden lässt.
Gleiches gilt für erosionsgefährdete Flächen. Es wurde vor einigen Jahren ein
sogenanntes Erosionskataster aufgelegt, in dem sowohl wind- als auch
wassererosionsgefährdete Gebiete ausgezeichnet wurden. Wenn man sich dieses
Erosionsschutzkataster auf der Landkarte ansieht, dann sind allein in
Schleswig-Holstein ca. die Hälfte aller landwirtschaftlichen Nutzfläche als
erosionsgefährdet ausgewiesen.
Sollte die Bundesregierung jemals auf die Idee kommen, dieses Paragraphen
umzusetzen, wäre nicht nur mein Betrieb in seiner Existenz gefährdet.
Das ist imho wieder mal so ein politischer Schnellschuss: gut gemeint,
schlecht gemacht. Die Umsetzung dieses Paragraphen hätte derart weitreichende
Folgen für die Wirtschaftlichkeit der geschätzt halben Landwirtschaft in
Deutschland, auf deren jeweilige Produktionsausrichtungen und die
unternehmerische Entscheidungsmöglichkeiten sowie auf das Landschaftsbild im
allgemeinen, das es mich graust.
Man kann eigentlich nur hoffen, dass dieser Abschnitt nie aktiviert wird.
Nicht in der schwammigen, weitreichenden, frei definierbaren Form wie er dort
steht.
Wenn ich alle Überschwemmungsgebiete und Erosionsflächen auf meinem Betrieb
zusammenrechne, dann würde ich allenfalls noch auf viereinhalb Hektaren
Ackerbau betreiben dürfen. Damit wäre die Diversifizierung meines Betriebes
auf mehrere landwirtschaftliche Sparten akut gefährdet.
Ebenso gefährdet wäre die Fruchtfolge. Denn wenn ich dann auf 70ha nur noch
Dauergrünland halten dürfte und auf nichtmal 5ha Ackerbau betreiben dürfte,
was für eine Fruchtfolge könnte ich einhalten? Selbst die Kollegen mit
ausschliesslich Milcherzeugung haben noch ein paar Hektar Ackerfläche für
Maisfutter. Die sollen dem EU-Greening zufolge künftig eine Fruchtfolge
einhalten. Das ist für die eh schon schwierig genug. Wenn dann noch die
Bundesregierung große Teile der Ackerfläche in Dauergrünland umwandelt ist es
mit Fruchtfolge vollends vorbei.
Ja, ich weiß. Das soll alles nur als Notbremse dienen, wenn mehr als 5% der
Dauergrünlandfläche in einem Jahr verschwinden. So war es zumindest wohl
angedacht. Aber das steht halt dort nicht explizit so drin! Es steht
lediglich drin, dass die Bundesregierung _ermächtigt_ wird, jederzeit
entsprechend in die landwirtschaftliche Struktur einzugreifen. Sie hätte alle
die Möglichkeiten, wie obig beschriebene Auswirkungen auf die Landwirtschaft
zu provozieren.
Es läuft sicher nicht alles rund in der Landwirtschaft. Aber solche
Restriktionen machen es letztlich nur noch schlimmer. Die Umsetzung dessen
könnte zu einem gravierenden Höfesterben führen. Weil viele Betriebe in ihrer
Produktionsausrichtung massiv beschränkt werden könnten.
Sonst sagt die Bundesregierung beständig, wir Bauern sollten Unternehmer
werden und am Markt teilnehmen. Das funktioniert aber nicht mit solch
gravierenden Eingriffen in unsere Handlungsfähigkeit!
Außerdem muss man bei all dem bedenken, welche rein finanziellen Auswirkungen
solch eine gesetzliche Umwandlung von Ackerfläche in Dauergrünland hätte.
Ackerflächen sind aufgrund ihrer vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten weit
höher finanziell bewertet als es Dauergrünland ist. Acker ist einfach mehr
Wert. Auch gegenüber Banken! Als Sicherheiten, wenn man investieren möchte.
Dies geht ja nur noch über Kredite, da nicht genügend in der Landwirtschaft
verdient werden kann!
Man stelle sich vor, ein Betrieb mit 50/50 Acker zu Grünlandanteil hätte in
einen neuen tierwohligen Kuhstall samt Güllelager und Siloplatten investiert.
Durchschnittsinvestitionssumme war bereits 2011 1 Million Euro! Die
geldgebende Bank nimmt die wertvollen Ackerflächen als Sicherheit. Nun kommt
die Bundesregierung und entwertet diese Flächen zu Dauergrünland. Was macht
die Bank? Ihre Kredite werden auf den Schlag nicht mehr im vorigen Umfang
durch Sicherheiten gedeckt. Das kann vielen Betrieben ganz schnell das Genick
brechen!
Sowieso ist dieser ganze Dauergrünlandschutz eine Farce. Die Regelungen dazu
sind absolut kontraproduktiv! Weil sie dafür sorgen, dass nirgendwo
Dauergrünland neu entstehen kann.
Man kann ja auch auf als Acker ausgewiesenen Flächen Grünland anbauen. Das
darf man aber nur 5 Jahre lang! Vor Ablauf der 5 Jahre MUSS das Grünland
wieder umgebrochen und beackert werden! Ansonsten wird es automatisch zu
Dauergrünland! Ist eine Grünlandfläche auf Acker länger als 5 Jahre am Stück
Grünland, so ist es automatisch Dauergrünland. So ist es automatisch nur noch
einen Bruchteil Wert und die Nutzung für alle Zeiten entsprechend
eingeschränkt.
Daher sieht doch jeder Landwirt zu, dass er Grünland auf Ackerfläche
spätestens vor Ablauf dieser 5 Jahre wieder pflügt. Diese strikte rechtliche
Trennung zwischen Acker- und (Dauer-)Grünlandfläche ist kontraproduktiv!
Wie viel mehr - vielleicht nicht "Dauergrünland", aber immerhin langfristiges
- Grünland könnte es geben, wenn man auch nach 7 oder 10 oder 20 Jahren
Grünland zwischendurch mal pflügen und beackern dürfte? Dem Boden würde das
auch gut tun. Und nach 1-3 Jahren Ackernutzung neu angelegtes Grünland ist
wesentlich frischer, gesünder und ertragreicher als solches Dauergrünland,
dass schon seit 20 oder 40 Jahren gar nicht anders genutzt werden darf!
Letztlich geht es dann aber halt auch wieder darum, wie verantwortungsbewusst
die Landwirte mit ihren Flächen umgehen. Und da gibt es leider solche und
solche...
Ich hoffe, das war erstmal allgemeinverständlich genug. Es gibt da noch ein
paar andere Punkte, aber dieser eine allein war mir schon übel genug.
Gruß, Detmar
Am 27.03.2014 um 13:13 schrieb Birgitt Piepgras:
> Moin Detmar,
>
> willst du was dazu schreiben? Also mal allgemeinverständlich erklären,
> welche Auswirkungen das hat?
>
> Liebe Grüße,
> Birgitt
>
> On 27.03.2014 07:56, Detmar Kleensang wrote:
>> Danke Birgitt...
>>
>> Damit wäre dann das Ende meines Betriebes beschlossen. Kann sich nur noch
>> um ein paar Jahre handeln.
>>
>> Tolle Aussichten...
>>
>> Gruß, Detmar
>>
>>
>>
>> Am 27.03.2014 um 00:03 schrieb Birgitt Piepgras:
>>
>>> Moin ihr Lieben,
>>>
>>> fyi
>>>
>>> http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/009/1800908.pdf
>>>
>>> Liebe Grüße,
>>> Birgitt
>>>
>>>
>>> --
>>> Ag-landwirtschaft mailing list
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- [Ag-landwirtschaft] Gesetzentwurf des Bundestages zu Direktzahlungen, Birgitt Piepgras, 27.03.2014
- Re: [Ag-landwirtschaft] Gesetzentwurf des Bundestages zu Direktzahlungen, Detmar Kleensang, 27.03.2014
- Re: [Ag-landwirtschaft] Gesetzentwurf des Bundestages zu Direktzahlungen, Birgitt Piepgras, 27.03.2014
- Re: [Ag-landwirtschaft] Gesetzentwurf des Bundestages zu Direktzahlungen, Detmar Kleensang, 28.03.2014
- Re: [Ag-landwirtschaft] Gesetzentwurf des Bundestages zu Direktzahlungen, Birgitt Piepgras, 27.03.2014
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