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Betreff: AG Gesundheit
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Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 65, Eintrag 29
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- From: Guido Weyers <guidoweyers AT googlemail.com>
- To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 65, Eintrag 29
- Date: Sat, 20 Jun 2015 09:30:58 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
Hallo,
ich würde mich gerne von der Mailingliste abmelden. Kann mir jemand sagen, was ich machen muss?
Gruß,
Guido
Am 19.06.2015 um 12:00 schrieb ag-gesundheitswesen-request AT lists.piratenpartei.de:
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AG-Gesundheitswesen digest..."
Meldungen des Tages:
1. Re: Privates Gesundheitssystem? (syna)
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Message: 1
Date: Thu, 18 Jun 2015 18:50:58 +0000
From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?
Message-ID: <202$494191$1434653458 AT news01.piratenpartei.de>
Content-Type: text/plain; charset=utf-8; format=flowed
Hallo Wolfgang,
bezüglich Staat und Markt sind wir in vielen Punkten der gleichen Meinung.
Es kommt auf die jeweils handelnden Personen - auf das Management - an.
Und Du hast auch recht: Bestimmte Verhaltensweisen werden von bestimmten
Systemen begünstigt. Aber auch hier kommt es darauf an, welche Art von
Kontroll- oder Überprüfungs-Instanz man "installiert".
Wenn wir etwas tiefer - auf den Menschen - gucken, dann werden die
Unterschiede sichtbar: Da drehen wir uns nicht im Kreis. Denn da geht's an
den
Kern unserer unterschiedlichen Meinungen.
Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Erst waren die Privatpatienten da. Dann meinte der Staat, er müsse einenVollkommen richtig: Zuerst gab es nur Privatpatienten!
kleinen Kreis von Arbeitern vor den (finanziellen) Folgen einer Krankheit
schützen.
Wenn wir das mal auf andere Gesellschaftsbereiche anwenden, dann finden
wir:
Zuerst gab es nur das Recht des Stärkeren! Zuerst gab es nur Leibeigene,
Bauern,
Lehnherren, Landgrafen und den übrigen Adel.
Vor langer, langer Zeit lebte der Mensche in kleinen Gruppen, die auf sich
gestellt
waren. Es gab da keinen Staat, kein Recht. Es ging innerhalb der Gruppe -
des
Stammes oder der Sippe - darum, möglichst lange zu überleben. Falls die
Gruppe
von einer feindlichen anderen Gruppe überfallen wurde und dahingemezelt
wurde:
Pech gehabt!
Innerhalb der Gruppe - und auch zwischen den Gruppen galt - wie in der
Natur
üblich - das Recht des Stärkeren. Und so war es lange Zeit, etwa die
200.000
Jahre, die es den Homo Sapiens Sapiens gibt.
Erst mit den ersten Hochkulturen bildeten sich komplexere
Gesellschaftsformen,
also Stadtgesellschaften, Fürstentümer aus. Diese brauchten dann
Gesetze, die
das Zusammenleben regelten. Die ersten Gesetze waren vage - und wurden vom
obersten Herrscher willkürlich ausgelegt und angewandt.
Es hat von da aus eine lange gesellschaftliche Evolution gebraucht, um zu
den
heutigen Grundsätzen zu gelangen. Zu einer Gesellschaft, in der jeder
Einzelne vor
Willkür geschützt ist. In der jeder Einzelne vor dem Gesetz "gleich"
ist. Dem
zugrunde liegt das humanistische Menschenbild, das das Individuum
hochschätzt
und idealerweise jedem Individuum gleiche Chancen geben möchte.
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Wenn Du also sagst:
Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Erst waren die Privatpatienten da. Dann meinte der Staat, er müsse einen... dann gehst Du implizit von einem kruden, aus der Frühzeit stammenden
kleinen Kreis von Arbeitern vor den (finanziellen) Folgen einer Krankheit
schützen.
Menschenbild aus, das das Recht des Stärkeren, so wie etwa auf dem
Gefängnishof, in den Vordergrund schiebt.
Das "Recht des Stärkeren" ist hier das "Recht des finanziell Potenten",
der
Reichsten der Gesellschaft. Zugegeben: Wenn man dazugehört, kann man
persönlich vielleicht mit so einer Anschauung zurechtkommen.
Du sagst quasi: "Da ja früher überhaupt nur die wirklich Reichen
ärztlich versorgt
wurden, nämlich die wenigen, die sich überhaupt versichern konnten, ist
dies
doch das 'normale' Bild, von dem wir ausgehen müssen. Dass überhaupt
andere
gesundheitsversichert sind, da sollten die doch froh sein und nicht auch
noch
rummeckern!"
So kommt das hier jedenfalls an: Es schimmert ein krudes, antiquiert
feudales,
diskriminierendes Menschenbild durch.
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Ich denke: Für eine moderne Industrie- und Informationsgesellschaft ist
ein
egalitär-humanistisches Menschenbild, ist also Gerechtigkeit und
Chancengleichheit Voraussetzung. Es ist Voraussetzung für Kooperation,
für
konstruktives Mitwirken in der Gesellschaft, für die Zufriedenheit des
Einzelnen, für
den Konsens und für den gemeinsam erarbeiteten Wohlstand.
Bei dieser Überlegung spielt es keine Rolle, ob in der archaischen
Sippengesellschaft nur das "Recht des Stärkeren" galt - oder ob es
früher einmal
nur Privatpatienten gab, oder oder oder ...
In einer humanistisch-egalitären Gesellschaft muss jedes Mitglied dieser
Gesellschaft gleichermaßen Zugang zur medizinischen Versorgung haben. Denn
der Wert des Einzelnen bemißt sich auch in der medizinischen Versorgung,
in dem
Aufwand, ihn bei Krankheit zu retten. Schon deshalb ist dort gar kein
Platz für die
(heutige) Private Krankenversicherung.
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Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
So komme ich übrigens zu meiner Behauptung, daß die Privatpatienten dieDas habe ich wohl verstanden.
gesetzliche Krankenversicherung subventionieren:
...
Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Mir ist noch nicht klar, wie Du auf die 9,7 Mrd. € kommst, mit denen dieHier gilt, was ich oben schon formulierte: Du gehst von einer
gesetzliche Krankenversicherung Deiner Meinung nach die private
Krankenversicherung subventioniert.
Gesellschaft, in der
"das Recht des Reichen" gilt aus. Mit dieser Prämisse ist das, was Du
schreibst
vollkommen logisch: Die Reichen subventionieren ja sogar die armen
Bastarde!
(Die sollen sich also gefälligst nicht auch noch beschweren oder gar
herumkrakelen!)
In einer humanistisch-egalitären Gesellschaft sieht das aber ganz anders
aus: Hier
muss jedes Individuum gleiche Chancen, gleiches Wahlrecht, Recht zur
Teilnahme
usw. haben - all das, was im Grundgesetz ja schon steht.
Und dazu gehört auch: Gleiche Behandlung bei schwerer Krankheit, d.h.
gleichen
Zugang zum Gesundheitssystem. Wenn der Wert eines jeden Menschen gleich
ist,
dann muss er von der Gemeinschaft im Falle einer ernsten Krankheit auch
gleich
behandelt werden.
Von hier aus ist es selbstverständlich, dass ärmere Menschen, Rentner,
Studenten,
Behinderte usw. genauso medizinisch versorgt werden wie alle anderen. Und
genau das leistet die GKV (gesetzliche Krankenversicherung) heute: Ärmere
Menschen, Rentner, Studenten, Behinderte sind zu einem geringen Entgelt
versichert. Die besser verdienenden GKV-Versicherten stehen für diese
wenig
Betuchten mit ein, das nennt man Solidariät. Die Solidarität ist als ein
Kernelement
des modernen Staates, des humanistisch-egalitären Menschenbildes.
Aber: Die PKV-Klientel beteiligt sich an dieser Solidarität überhaupt
nicht.
Stattdessen bezahlt sie - in parasitärer Weise - neben den Ausgaben für
Boni und
Provisionen ihrer Angestellten - die Ärzte besser.
In aktuellen Zahlen:
Die GKVen geben insgesamt 195 Mrd. € (2013) aus.
Davon sind rund 46% Solidar-Ausgaben, also ca 90 Mrd. €.
Nehmen wir den Steuerzuschuss 11,5 Mrd. € (2013)
heraus, dann bleiben 78 Mrd. €.
Da die PKVen ca. 11,7 % (2011) der Gesamtversicherten ausmachen,
müsste Ihr Anteil an den 78 Mrd. € etwa 9,2 Mrd. € betragen (in 2006
waren das noch - aufgrund des kleineren Steueranteils - 9,7 Mrd. €).
Das ist der Betrag, mit dem sich die PKVen an der Solidarität beteiligen
müssten. Dieser Betrag wird ihnen aber erlassen - er ist somit eine
Subvention für die PKVen.
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Quellen:
http://www.bmg.bund.de/themen/krankenversicherung/zahlen-und-fakten-zur-krankenversicherung.html
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Du siehst, unsere unterschiedliche Wahrnehmung basiert auf einem
unterschiedlichen Menschenbild - und der daraus resultierenden
unterschiedlichen
Art, wie ein Gemeinwesen organisiert sein sollte.
Während Du ein archaisch-naturalistisches Menschenbild (der Stärkere
setzt sich
durch, überlebt) zugrunde legst, gehe ich von einem
humanistisch-egalitären
Menschenbild (jeder ist gleich viel wert) aus.
Also beste Grüße,
Syna.
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- Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 65, Eintrag 29, Guido Weyers, 20.06.2015
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