Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-gesundheitswesen - [AG-Gesundheit] zum Entgeldsystem in psychiatrischen und psychosomatischen KHs

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

[AG-Gesundheit] zum Entgeldsystem in psychiatrischen und psychosomatischen KHs


Chronologisch Thread 
  • From: wdt <wolf-dietrich AT trenner.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [AG-Gesundheit] zum Entgeldsystem in psychiatrischen und psychosomatischen KHs
  • Date: Tue, 4 Mar 2014 23:10:24 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Eine PM der Bundespsychotherapeutenkammer (mit der ich als Patientenvertreter
gerne zusammen arbeite):

Zu viele Emotionen, zu wenig sachliche Argumente
Zur Diskussion um die Einführung eines neuen Entgeltsystems für Psychiatrie
und Psychosomatik

Berlin, 28. Februar 2014: Die Diskussion um die Einführung eines neuen
Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser (PEPP)
wird immer emotionaler. Die Genauigkeit der Argumentation bleibt dabei häufig
auf der Stecke. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert alle
Beteiligten auf, zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren.

· Die BPtK spricht sich seit Jahren für eine Reform des Entgeltssystems
in der stationären Versorgung von psychisch kranken Menschen aus. Diese ist
dringend notwendig, da im bisherigen Vergütungssystem („tagesgleiche
Pflegesätze“) nicht danach unterschieden wird, welche Behandlungsleistungen
ein Patient erhält oder wie schwer er erkrankt ist. Jedes Krankenhaus
verhandelt mit den Krankenkassen, wie viel Geld ihm für die Behandlung der
Patienten pro Jahr zur Verfügung gestellt wird – das Budget. Aus dem Budget
ergeben sich dann die tagesgleichen Pflegesätze. Das Krankenhaus erhält
deshalb für jeden Patienten, unabhängig vom Behandlungsaufwand, und jeden
Behandlungstag, unabhängig von der Behandlungsdauer, das gleiche Entgelt. Das
ist nicht sachgerecht.

· Das neue Entgeltsystem PEPP unterscheidet bei der stationären
Behandlung von psychisch kranken Menschen insbesondere danach, unter welcher
Erkrankung sie leiden und wie schwer diese Erkrankung ist. Vor allem die
Schwere einer psychischen Erkrankung ist entscheidend dafür, welcher Aufwand
für ihre Behandlung notwendig ist. Ein Entgeltsystem, das diesen
unterschiedlichen Behandlungsaufwand berücksichtigt, ist sachgerecht.

· Das neue Entgeltsystem finanziert die stationäre Behandlung von
psychisch kranken Menschen zukünftig mit unterschiedlich hohen
Tagespauschalen. Diese Tagespauschalen werden ermittelt, indem die
Leistungen, die für die Behandlung bspw. einer Angsterkrankung, einer
Depression oder Schizophrenie notwendig sind, erfasst und deren Kosten pro
Tag berechnet werden. Die Tagespauschalen entsprechen also den
durchschnittlichen tatsächlichen Kosten, die für einen Patienten je nach
Erkrankung und Dauer des Krankenhausaufenthalts anfallen. Die Höhe der
Tagespauschalen wurde auf der Basis der Daten der Kalkulationshäuser, das
sind psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser, die sich an der
Datenerhebung freiwillig beteiligen, ermittelt. Dabei hat sich gezeigt, dass
die Kosten zu Beginn der Behandlung besonders hoch sind und mit der Dauer der
Behandlung sinken. Diese Abnahme der Kosten in der stationären
psychiatrischen Behandlung zeigen auch internationale Untersuchungen.
Folgerichtig sinken deshalb auch die Tagespauschalen im Verlauf der
Behandlung. Die Behandlung kann aber auch mit dem neuen PEPP so lange dauern
wie notwendig. Die entstehenden täglichen Kosten sind im Durchschnitt
gedeckt. Auch das ist sachgerecht.

· Das neue PEPP finanziert psychiatrische und psychosomatische
Krankenhäuser gerechter als bisher, da es berücksichtigt, welche Leistungen
ein Krankenhaus tatsächlich erbringt und welche Patienten es versorgt.
Krankenhäuser, die z. B. schwer kranke Patienten behandeln, bekommen für die
teurere Behandlung dieser Patienten zukünftig höhere Tagespauschalen als
Krankenhäuser, die diese Patienten nicht versorgen. Das ist ein wichtiger
qualitativer Fortschritt des neuen gegenüber dem bisherigen Vergütungssystem,
das immer die gleichen Pauschalen vorsah. Grundlage der Finanzierung sind
aber zukünftig wie heute Tagespauschalen.

· Einige Kritiker verwechseln diese Tagespauschalen, die nach Diagnose
und Schwere der Behandlung unterscheiden, mit Fallpauschalen, wie sie in der
Finanzierung von Krankenhäusern für körperlich erkrankte Menschen eingeführt
wurden. Bei solchen diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) steht einem
Krankenhaus grundsätzlich nur eine fixe Summe für die Behandlung eines
Patienten zur Verfügung, unabhängig von der Behandlungsdauer. Dadurch
entsteht ein Anreiz, Patienten, die überdurchschnittlich lange behandelt
werden müssten, vorzeitig aus dem Krankenhaus zu entlassen. Das System der
Tagespauschalen kennt jedoch solche Obergrenzen für die Dauer einer
Krankenhausbehandlung nicht. Sollte die Erfahrung mit dem neuen Entgeltsystem
tatsächlich zeigen, dass auch Tagespauschalen einen Anreiz setzen, Patienten
zu früh zu entlassen, muss dem aktiv gegengesteuert werden.

· Die BPtK hat sich von Anfang an für eine möglichst genaue Erfassung
der Leistungen eingesetzt, die in der stationären Versorgung für psychisch
kranke Menschen erbracht werden. Im PEPP-Katalog 2014 wird deshalb z. B.
danach unterschispan>Die BPtK hat sich von Anfang an für eine möglichst
genaue Erfassung der Leistungen eingesetzt, die in der stationären Versorgung
für psychisch kranke Menschen erbracht werden. Im PEPP-Katalog 2014 wird
deshalb z. B. danach unterschieden, ob eine intensive Behandlung durch
Psychotherapeuten erfolgt oder nicht. Dieser Weg einer genauen Erfassung der
Leistungen muss konsequent weiterverfolgt werden. Die immer noch nicht
ausreichend sachgerechte und differenzierte Dokumentation ist der eigentlich
kritische Punkt des neuen PEPP.

· Damit die Tagespauschalen zu einer angemessenen Vergütung der
Krankenhausleistungen führen, müssen möglichst viele Krankenhäuser ihre Daten
zur Verfügung stellen, mehr als bisher. Je mehr Krankenhäuser bei der
Erprobung des neuen PEPP mitmachen und je genauer die Leistungen erfasst
werden, desto sachgerechter wird die Finanzierung der stationären Versorgung
von psychisch kranken Menschen. Und sollte sich zeigen, dass das PEPP falsche
Anreize setzt, kann das neue Entgeltsystem verbessert werden, bevor es
verbindlich für alle gilt. Das PEPP ist ein lernendes System. Jeder sollte
bereit sein zu lernen.

· Die BPtK ist für den Beginn der budgetneutralen Phase ab 2015. In der
budgetneutralen Phase müssen die Krankenhäuser zwar nach dem PEPP abrechnen,
die Krankenhäuser behalten jedoch ihr altes Budget. Kein Krankenhaus hat
durch das PEPP bis zum Jahr 2017 andere finanzielle Einbußen zu befürchten
als bisher auch. Auch im alten Vergütungssystem konnte es vorkommen, dass es
zu Leistungsabweichungen gegenüber der vereinbarten Leistungsmenge gekommen
ist. Entsprechende Mehrerlöse (durch Mehrleistungen), aber auch Mindererlöse
(durch Minderleistungen) mussten auch im alten System vom Krankenhaus
getragen werden. Bedenken gegenüber der budgetneutralen Erprobungsphase sind
deshalb nicht nachvollziehbar.

· Die BPtK verspricht sich durch das neue PEPP vor allem mehr
Transparenz über die tatsächlichen Behandlungsangebote. Patienten können
zukünftig besser beurteilen, welche Leistungen ein Krankenhaus anbietet. Es
wird besser sichtbar, ob Krankenhäuser leitliniengerecht behandeln und ob und
in welchem Umfang sie psychotherapeutische Behandlungen anbieten – oder
nicht. Psychotherapie ist heute bei allen psychischen Erkrankungen ein oder
das Mittel der Wahl, z. B. auch bei schizophrenen und wahnhaften Erkrankungen.

· Die BPtK ist der Auffassung, dass Empfehlungen zur Strukturqualität in
psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen, wie sie der Gemeinsame
Bundesausschuss als Ersatz für die Psychiatrie-Personalverordnung erarbeiten
soll, nicht ausreichen. Die BPtK setzt sich deshalb dafür ein, dass aus den
Empfehlungen verbindliche Mindeststandards werden.

Die BPtK vertritt rund 40.000 Psychologische Psychotherapeuten und Kinder-
und Jugendlichenpsychotherapeuten in Deutschland. Davon arbeiten 5.650
Psychotherapeuten im Krankenhaus, vor allem in der Psychiatrie und
Psychosomatik. Im Vergleich dazu sind derzeit nur 2.135 Fachärzte für
Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatik im Krankenhaus tätig.

Attachment: signature.asc
Description: Message signed with OpenPGP using GPGMail



  • [AG-Gesundheit] zum Entgeldsystem in psychiatrischen und psychosomatischen KHs, wdt, 04.03.2014

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang