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ag-gesundheitswesen - [AG-Gesundheit] Mögliche Position zum Gesundheitswesen in BaWü (überarbeitet am 04.05.10)

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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[AG-Gesundheit] Mögliche Position zum Gesundheitswesen in BaWü (überarbeitet am 04.05.10)


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <input.output AT freenet.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-Gesundheit] Mögliche Position zum Gesundheitswesen in BaWü (überarbeitet am 04.05.10)
  • Date: Tue, 04 May 2010 12:08:59 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Ich habe mal im folgenden im Stile einer Rede oder Presseveröffentlichung GROB zusammengeschrieben, wie ich mir eine Aussage der Partei vorstellen könnte:

In Fragen der Gesundheitspolitik steckt heute der Bund den Rahmen ab. Den Landesregierungen, bzw. den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen obliegt die Aufgabe, in einzelnen Bereichen diese Vorgaben vom Bund in eine zeitgemäße und verlässliche Gesundheitsversorgung der Bürger umzusetzen.

Diese Aufgabe gestaltet sich als zunehmend schwierig zu lösen, da durch die Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen die Qualität der Versorgung, insbesondere für die in ländlichen Gegenden wohnenden Bürgern Baden-Württembergs, massiv zu leiden droht. Immerhin wohnen rund 35% aller Bürger Baden-Württembergs "auf dem Lande", was etwa 70% der Fläche Baden-Württembergs ausmacht.
Derzeit ist in den meisten Gebieten in unserem Land noch kein Mangel an Ärzten, Apotheken und Krankenhäusern festzustellen, doch schon in zwei Jahren wird sich das Bild drastisch wandeln.
Schon heute sind niedergelassene Haus-, Fach- und Zahnärzte im Mittel über 52 Jahre alt. Ärztenachwuchs in ausreichender Zahl ist nicht in Sicht, obwohl man zuletzt Facharztausbildungen mit fast 9 Millionen Euro aus Landesmitteln gefördert hat.
Man wird also schon bald viele Landarztpraxen nicht mehr an jüngere Ärzte übergeben können, gerade weil die Verdienstmöglichkeiten auf dem Lande unattraktiv geworden sind. Obwohl die Bevölkerungszahl ab 2012 rückläufig sein wird, wird der Bedarf an ärztlicher Kunst stetig ansteigen, da der Anteil älterer und häufiger behandlungsbedürftiger Bürger in der Bevölkerung drastisch zunehmen und die Lebenserwartung immer größer wird.
Behandlungsbedarf wird also häufiger anfallen, wird auch mit zunehmendem Alter der Patienten aufwändiger und damit teurer. Mit dem derzeitigen Honorarmodell ist deshalb eine Arztpraxis, zumindest auf dem Lande, nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Auch die Logistik und das Bereithalten eines Rettungswesen (Rettungsleitstellen, Einsatzteams, ambulante Notdienste ) verursacht enorme Kosten. So müssen beim derzeitigen Finanzierungssystem von einem Rettungsteam wöchentlich mindestens 6 Einsätze gefahren werden, damit es sich "gelohnt" hat.

Das klassische Krankenhaus als Versorgungszentrale und mit Kompetenzen in jedem Medizin-Bereich könnte aus vielen Gegenden verschwinden, da diese nicht mehr rentabel arbeiten können. Wieder ist es das Finanzierungsprinzip, das über Tagespauschalen die Versorgung der Kranken abzugelten versucht, die die tatsächlichen Kosten jedoch nicht decken. So bedient man sich aus der finanziellen Not heraus auch angehender Fachärzte für nicht-ärztliche Tätigkeiten in einer Klinik, um die rückläufige Zahl des nicht-ärztlichen Personals aufzufangen, während gleichzeitig die Bereitschaft von Ärzten in Notaufnahmen der Kliniken sehr zu wünschen übrig lässt. Berichte über in deutschen Krankenhäusern infizierte Patienten mit z.T. tödlichem Ausgang sind Ausdruck der desolaten Zustände in unserem Gesundheitssystem.
Durch eine Schließung ländlich gelegener Kliniken bedingt würde für die Patienten, aber auch für Rettungsdienste mit Notfallpatienten an Bord, die Wege zur Klinik unter Umständen spürbar länger werden.

Aus der Verflechtung infrastruktureller Gegebenheiten auf dem Lande folgt auch der allmähliche Verfall der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken. Wo nicht wenigstens ein Unterzentrum in einem dörflichen Agglomerat feststellbar ist, wo sich ein Arzt nicht niederlassen möchte, dort ist gewöhnlich auch keine Apotheke zu finden. Außerdem bekommt auch die zunehmende Akzeptanz der Online-Apotheken bei der Bevölkerung Bedeutung, die der Apotheke vor Ort die Existenzgrundlage beschneidet.

Um diesen Entwicklungen entgegenzusteuern, wird von der CDU beabsichtigt, bei der Leistung und der Sicherheit am und für den Patienten zu sparen, statt endlich einmal die Kosten für die Aufrechterhaltung des schon heute eher bescheidenen Umfangs an gesundheitlichen Leistungen und Vorleistungen deutlich zu senken.
So soll es lt. CDU sogenannte Portalkliniken geben, die, auf wenige Bereiche begrenzt, nur einen Teil der medizinischen Versorgung anbieten können und fast keine stationäre Aufnahmemöglichkeiten mehr besitzen.
Es werden den Bürgern längere, selbst organisierte und eigenfinanzierte Fahrten zum Arzt zugemutet, es sei denn, die Kommunen finanzieren ein sogenanntes "Krankentaxi" als Transportmittel.
Schon heute wird von der CDU geplant, die Verantwortung und die Kosten für die Präsenz eines Landarztes den Kommunen zuzuweisen, indem man niederlassungswilligen Ärzten kommunal finanzierte Zuwendungen in Aussicht stellt, seien es als mietfreie Praxisräume, subventionierter Baugrund oder ähnliches.

Doch die Kommunen haben diese Mittel in der Regel nicht. Vielerorts muss im Winter sogar am Streusalz gespart oder beim Ausbessern von Straßenschäden werden. Wie also sollte man jährlich einen 5-stelligen Betrag aufbringen können, um Räume für eine Arztpraxis zu finanzieren?
Es bleibt somit zu befürchten, dass es zukünftig landstrichweise keine ärztliche Versorgung geben wird, wenn nicht wirksame Maßnahmen getroffen werden können, die Landarztpraxis wieder attraktiv zu machen.

Schon heute ist davon die Rede, dass man die sogenannte Telemedizin ausbauen möchte. Es handelt sich dabei um Diagnosen, die ein vom Patient abwesender Facharzt anhand von übermittelten Daten stellt, um dem Facharzt die Reise zum Patienten zu ersparen. Diagnosen sollen so sogar anhand von Handyfotos getroffen werden können. Haftungs- und Datenschutzfragen sind unzureichend geklärt und damit ist diese Option zur Kostensenkung unseres Erachtens unzulässig.
Sollten wir uns nicht vielmehr die Frage stellen, wie man die Fahrt des Facharztes zum Patient ermöglicht oder, noch besser, wie man Fachärzte flächendeckend zur Verfügung stellen könnte?

Die Versorgung von zuhause gepflegten Kranken soll delegiert werden auf nicht-ärztliche Assistenten, ja es ist sogar von Rettungseinsätzen ohne begleitenden Arzt die Rede. Die Versorgung über Rettungssanitäter und -assistenten sei jedoch gesichert.
Hier wird unseres Erachtens mit der Gesundheit und dem Leben der Bürger gepokert.

Das können wir als Bürgerrechts-Partei nicht mittragen!

Wir billigen keine weiteren Sparmaßnahmen am Output des Gesundheitswesens. Sparmaßnahmen müssen am Input ansetzen, an den Kosten, die eine verlässliche und durch Fachleute garantierte Qualität mit sich bringt. Alles andere ist unmenschlich und führt zu einer weiteren Klasse in der medizinischen Versorgung, nämlich der Landbevölkerung.

Wir Piraten meinen:

Die meisten der angesprochenen Problemstellungen ergeben sich aus Mängeln in der Finanzierung des Systems. So muss ein Rettungsteam ein Festgehalt bekommen. Auch der Landarzt muss gegebenenfalls subventioniert werden. Dabei darf aber nicht die Kommune belastet werden, auch der Versicherte darf diese Belastung nicht zusätzlich tragen müssen.

Wir sind vielmehr der Meinung, dass man dem jungen Landarzt öffentliche Mittel zur Verfügung stellen muss, wie sie auch jeder andere bekommt, der ein Existenzgründungsdarlehen beantragt und/oder sich in einem Sanierungsgebiet befindet und dort das Gebiet aufwertet.

Wir sind darüber hinaus der Meinung, dass bei der Planung über zu besetzende Arztstellen der Bürger nicht übergangen werden darf und fordern deshalb eine entsprechende Interessenvertretung, die über die Vergabe und Besetzung von Planstellen mitbestimmen kann.

Derzeit bemühen sich bundesweit 37000 Abiturienten um einen der rund 8700 Studienplätze in Medizin. Es müsste also an Ärzten kein Mangel herrschen, es müssen jedoch zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Auch muss dafür Sorge getragen werden, dass die Ausbildung der Medizinstudenten nachhaltiger und fundierter erfolgt, indem gewährleistet wird, dass während des Studiums genügend Probanten zur Verfügung stehen.

Die Zugangsvoraussetzungen für ein Medizinstudium muss dem zu erwartenden Bedarf in absehbarer Zukunft angepasst werden. Auswahlkriterium darf dabei nicht ausschließlich ein Notenschnitt sein. 

Notärztliche Organisation sollte mit Rettungsleitstellen kooperieren. Hier kann man Synergien zur Kostenersparnis nutzen.

Nicht zuletzt müssen Ärzte für heilkundliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Das erfordert die Entlastung der Ärzte von nicht-kurativen und administrativen Arbeiten.

Die geplante Form der Gesundheitskarte wird überdies von uns abgelehnt.






  • [AG-Gesundheit] Mögliche Position zum Gesundheitswesen in BaWü (überarbeitet am 04.05.10), Morgan le Fay, 04.05.2010

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