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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: "Eckhard Rülke" <ERuelke AT gmx.de>
- To: AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Aw: [AG-GOuFP] Sergio Rossi vs. Sergio Ermotti
- Date: Mon, 2 Apr 2018 02:46:23 +0200
- Importance: normal
- Sensitivity: Normal
Von: "Rudolf Müller" <muellerrudolf AT on22.de>
An: "Christoph Ulrich Mayer" <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
Cc: "AG AG-Geld" <AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
Betreff: Re: [AG-GOuFP] Sergio Rossi vs. Sergio Ermotti
danke für Deine Antwort.
Ich verstehe allerdings nicht, weshalb meine Frage:
"Es bleibt noch die Frage offen, welchen Gewinn die Banken trotzdem noch aus dem Privileg der „Geldschöpfung“ generieren können."
nicht ganz korrekt sein sollte. Deine Aussage:
"Die Frage ist hier nicht ganz korrekt, denn die Bank erzielt Rückzahlungen und Zinsen für Geld, das ohne „Geldgeber“ entstanden ist, transferiert aber den Großteil dessen an seine Anleger und Eigner"
muss man etwas näher untersuchen.
"Die Bank erzielt Rückzahlungen".
Daran kann ich nun nichts verwerfliches erkennen. Die Bank stellt Dir einen Geldbetrag, ein Zahlungsmittel zur Verfügung und verlangt von Dir, dass Du dieses am Tage des Ablaufes Deines Kredites zurückzahlst. Sie verschenkt diese Zahlungsmittel nicht!
"das ohne „Geldgeber“ entstanden ist"
Korrekt ist, dass ein Teil dieser Zahlungsmittel entstanden ist, ohne das vorher oder nachher ein entsprechender Geldbetrag von Kunden oder der ZB deponiert worden ist. Befände die Bank sich nicht im Wettbewerb mit anderen Banken, könnte sie in der Tat diesen Anteil extrem erhöhen und auch entsprechende Gewinne generieren. Der Wettbewerb unter den Banken verhindert dies jedoch.
"Zinsen für Geld, das ohne „Geldgeber“ entstanden ist"
Nun kassiert die Bank für dieses, ohne hinterlegte Geldmittel erzeugte Zahlungsmittel, Zinsen. Das empfindest Du als ungerecht. Kann ich nachempfinden. Besonders ungerecht ist, dass aus diesen Zinsmitteln die Sparer der Bank sowie die Eigener der Bank Zinsen bzw. Dividenden erhalten. Dies empfindest Du ebenfalls als ungerecht? Der Besitzer von Zahlungsmitteln sollte der Bank etwas dafür bezahlen, dass diese sein Zahlungsmittel aufbewahrt, damit er sich zu einem späteren Zeitpunkt Güter und Dienstleistungen damit kaufen kann? Ist nachvollziehbar und keinesfalls abwegig. Jedoch würde dies einen Paradigmenwechsel unseres Wirtschaftssystems bedeuten, deren Auswirkungen noch nicht im Geringsten absehbar wären. Mit meinem Beitrag versuche ich lediglich das bestehende System zu beschreiben und nicht, mögliche Zukunftsszenarien zu kreieren.
Unter diesem Blickwinkel tauchst Du m. E. zu tief in bestimmte Teile des Bankgeschehens ein und verlierst dabei etwas den allgemeinen Überblick über die Funktion eines Wirtschaftsunternehmens. Auch eine Bank ist ein Wirtschaftsunternehmen. Geldgeber ermöglichen durch den Erwerb von Anteilen an der Bank erst den Betrieb der Bank. Hierfür wollen sie, wie bei jeder Investition in eine Wirtschaftsunternehmen, auch Dividenden sehen. Die Bank nimmt weiterhin von Kunden der Bank Fremdmittel durch Bankschuldverschreibungen, Spareinlagen, Termineinlagen und Kredite von anderen Banken entgegen. Auch diese stellen ihre Mittel nicht kostenfrei zur Verfügung sondern verlangen Zinsen. Einen Teil der Fremdmittel kann die Bank auch ohne Zinsen halten. Dies sind die Geschäftsbanken-Sichtguthaben.
Dies ist, wie gesagt, der Ist-Zustand. Ob ich diesen für gut, schlecht oder reformbedürftig halte, ist nicht Bestandteil meines Beitrages.
Aus den Auswertungen der Bundesbank zur Eigenkapitalrendite lässt sich erkennen, dass die Banken nicht die großen Gewinnunternehmen in der Wirtschaft darstellen. Über alle Bankengruppen hinweg ermittelte die BuBa für 2016 einen Wert von 5,97 % vor Steuern und 4,29% nach Steuern.
Wenn es um das leistungslose Einkommen einer Gruppe von Besitzenden geht, ist m. E. der alleinige Blick auf die Banken irreführend. Hier müsste allgemein die Ansammlung von Kapital in den Händen von immer weniger Leuten oder Institutionen im Vordergrund stehen. Die Fokussierung auf die Bankenwelt verhindert eine umfassende Bestandsaufnahme.
Zu Deinem letzten Satz:
Würde der Geldschöpfungsprozess Arbeit belohnen statt Besitz, gäbe es die Probleme nicht.
Hier solltest Du Dir die GuV einer Geschäftsbank näher betrachten. Ein großer Anteil an Zinsgewinnen wird für die Personalkosten der Bank benötigt, also für die Dienstleistungen der Bank für Arbeit. Zu dem anderen Anteil s. o.
Beste Grüße
Rudi
Am 14.03.2018 um 15:21 schrieb Christoph Ulrich Mayer:
Danke für die Ausführungen und den Hinweis!Bei der letzten Frage hakte es damals in der AG immer wieder aus. Die Frage ist hier nicht ganz korrekt, denn die Bank erzielt Rückzahlungen und Zinsen für Geld, das ohne „Geldgeber“ entstanden ist, transferiert aber den Großteil dessen an seine Anleger und Eigner. Die Frage muss also ergänzt werden um: in welchem Umfang verteilt die Bank Geld von Kreditnehmern (die das Einkommen im Regelfall aus Wertschöpfung generieren) an Vermögende um (die dafür keine Leistung erbringen müssen)?Allein an Zinsen 2008. 550Mrd., heute noch ca. 350Mrd. € jährlich. Plus Rückzahlungen auf Kreditnehmerseite, plus Ausschüttungen an Eigner auf der Ausgabenseite.Im Kern ist dieser Prozess der Grund, warum die einen von Vermögen leben können und die anderen einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens durch Kapitalkosten der Unternehmen und eigene Schuldzahlungen verlieren.Würde der Geldschöpfungsprozess Arbeit belohnen statt Besitz, gäbe es die Probleme nicht.
GrußChristophMayer, per mobiltelefon gesendet.Von der Schweizer Vollgeldinitiative wurde die Debatte zwischen Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Monetäre Ökonomie, Universität Freiburg (Schweiz), und Sergio Ermotti, CEO der UBS, in der Sendung "I conti in tasca - Un patto di paese per il Ticino", 15 Februar 2017, auf dem Sender Teleticino im Youtube-Beitrag
UBS Ermotti weiss nicht wie Geld entsteht!Länge 2':51" und recht kurzweilig
Bemerkenswert an dieser Debatte ist, dass beide Sergios nicht im Geringsten an der Sichtweise der jeweils anderen Seite interessiert waren, sondern lediglich ihre eigene Position vehement vertreten wollten. Auch dass streckenweise beide gleichzeitig redeten, belegt m. E. diese Sichtweise.
Nachfolgend soll jetzt nicht für oder wider die Vollgeldinitiative argumentiert, sondern lediglich die Argumentationsbasis der beiden Herren näher beleuchtet werden.
Die Vollgeldinitiative bezieht sich auf die Aussage der Schweizer Nationalbank:
„Der grösste Teil aller Schweizer Franken – fast 90% – ist heute Buchgeld. Ein Grossteil davon wird durch die Geschäftsbanken geschaffen, indem sie Kredite an die Unternehmen und Haushalte gewähren.“
sowie auf die Aussage der Deutschen Bundesbank, welche noch konkreter wird:“Tatsächlich wird bei der Kreditvergabe durch eine Bank stets zusätzliches Buchgeld geschaffen. Die weitverbreitete Vorstellung, dass eine Bank "auch altes, schon früher geschöpftes Buchgeld, z.B. Spareinlagen, weiterreichen" (könne), wodurch die volkswirtschaftliche Geldmenge nicht erhöht wird, trifft nicht zu.“
Dass die Geschäftsbanken kein Geld ausleihen, welches vorher jemand bei ihnen deponiert hat, sondern dass sie neues Geld durch Kreditvergabe schaffen, lässt sich durch Buchungssätze nachweisen. Banken erwerben jedoch auch von Nichtbanken Vermögenswerte und nehmen auch von diesen Dienstleistungen in Anspruch. Diese Leistungen werden ebenfalls mit selbst geschaffenem Geld, mit „Geschäftsbanken-Sichtguthaben“, „bezahlt“. Auch dies lässt sich durch Buchungssätze belegen.
Folgt man dieser Erklärung für die Schaffung von Geschäftsbanken-Sichtguthaben, so müsste die Passivseite der Bank, neben dem Eigenkapital und den Verpflichtungen gegenüber anderen Banken, nur Sichtguthaben von Bankkunden enthalten.
Um Dies zu überprüfen habe ich mir die konsolidiere Bilanz der Banken in Deutschland von 2014 angeschaut. Hier stehen jedoch nicht nur diese drei Positionen sondern insgesamt:
- Sichteinlagen von Kunden 20 %
- Termineinlagen 14 %
- Spareinlagen 8 %
- Schuldverschreibungen 27 %
- Einlagen von Banken 23 %
- Kapital und Rücklagen 7 %
Auf der Aktivseite sind anzutreffen
- Barreserve 1 % (= ZB-Geld bei Banken)
- Kredite an Nichtbanken 41 %
- Kredite an Banken 26 %
- Wertpapiere und Beteiligungen 20 %
- Sonstige Aktiva 12 %
Es wurde also ganz offensichtlich nach Schaffung von Geschäftsbanken-Sichtguthaben dieses von den Kunden in Termineinlagen, Spareinlagen und Bankschuldverschreibungen umgeschichtet. Hierzu musste aber die Geschäftsbank zuvor günstige Konditionen in Form von zinstragenden Einlagearten anbieten. Weshalb aber erhöht die Geschäftsbank ihre Aufwendungen für solche Einlagearten, wenn doch die Sichtguthaben der Nichtbanken kostenlos zu haben sind?
Die Geschäftsbank tut dies um zu verhindern, dass Zahlungsmittel zu anderen Banken fließen und um ihre Kunden zu behalten. Fließen viele Zahlungsmittel zu anderen Banken bekommt die überweisende Bank Liquiditätsprobleme, es wird für sie immer schwieriger, zahlungsfähig zu bleiben.
Bezieht man diese Sparaktivitäten in das „Geldschöpfungsmodell“ mit ein so stellt man fest:
Der Satz: "Die Geschäftsbanken leihen nicht Geld aus, welches vorher jemand bei ihnen deponiert hat, sondern sie schaffen neues Geld durch Kreditvergabe." trifft nur für den Augenblick der Schaffung von Geschäftsbanken-Buchgeld zu, jedoch nicht mehr für die Zeit danach.
Die Bankpraxis, welche in der konsolidierten Bankenbilanz sichtbar wird, zeigt, dass im Bankbetrieb Spargelder sehr wohl noch erforderlich sind. Dass diese erst nach der Kreditvergabe angelegt werden, ist für die Bank von nebensächlicher Bedeutung. Die Schaffung von Krediten ohne Bedarf an Spargeldern trifft somit nur für den Anteil von 20 % Sichteinlagen zu.
Betrachtet man sich die Aktivseite und Passivseite der konsolidierten Bilanz kann man die Äußerung von Herrn Ermotti nachvollziehen. Dabei muss man die Vermittlerfunktion in übertragenem Sinn verstehen. Die Banken vergeben Kredite und benötigen aber auch Kredite von ihren Kunden, genau in dieser, der einfachen Logik widersprechenden, Reihenfolge.
Fazit:
Die Schaffung von Geschäftsbanken-Buchgeld ohne vorherige Spargelder trifft nur für den Moment der Entstehung zu. Aus dieser Buchungsaktion auf die Funktion des Bankbetriebs zu schließen erweist sich als Fehlschluss, da nachgeordnet doch noch Spargelder von der Bank benötigt werden.
Jedoch erweist sich auch die Aussage, dass Banken Geld der Sparer verleihen als Fehlschluss. Diese Aussage aus den Zeiten der Goldwährung wurde in unser heutiges Schuld-Geld-System übernommen ohne anzumerken, dass eine Refinanzierung nur für einen Teil der erteilten Kredite erforderlich ist und diese erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.
Es bleibt noch die Frage offen, welchen Gewinn die Banken trotzdem noch aus dem Privileg der „Geldschöpfung“ generieren können.Grafiken zur konsolidierten Bilanz:
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Beste Grüße
Rudi Müller
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- Aw: [AG-GOuFP] Sergio Rossi vs. Sergio Ermotti, Eckhard Rülke, 02.04.2018
- Re: [AG-GOuFP] Sergio Rossi vs. Sergio Ermotti, Rudolf Müller, 09.04.2018
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