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- Subject: [AG-GOuFP] Widerspruch in der Rechnungslegung der Bundesbank?
- Date: Wed, 5 Apr 2017 02:01:42 +0200
Hallo AG,
beim Studium des Jahresabschlusses 2016 der Bundesbank ist mir aufgefallen, dass die Bundesbank einen Teil ihres Umlaufvermögens, wie z.B. die Banknoten im Bestand der Bundesbank, nicht bilanziert.
Im § 3 Abs. f) der Grundsätze zur Rechnungslegung der Deutschen Bundesbank vom 31.12.2016 (Mitteilung Nr. 10001/2017 http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Bundesbank/Aufgaben_und_Org… ) heißt es:
Für Banknoten gibt es nach Auskunft durch die Bundesbank keine lex specialis und bezogen auf Banknoten bedeutet dieses Prinzip, dass neue Banknoten im Bestand z.B. zu den durchschnittlichen Anschaffungskosten (nicht Nominalwert!) und gebrauchte Banknoten zu den durchschnittlichen Anschaffungskosten geteilt durch durchschnittliche Lebensdauer der Banknoten zu bilanzieren wären. Andere Bewertungsansätze für gebrauchte Banknoten sind denkbar. Die Ausgaben bzw. Zahlungen für die Herstellung der Banknoten werden erst dann zu Aufwand, wenn die Banknoten in Verkehr gebracht werden und aus „Papier" Wertpapiere werden.
Das Prinzip der Periodenabgrenzung gibt es in allen nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards und wird auch von der Bundesbank selbst an vielen Stellen praktiziert – außer – wie mir scheint - beim Umlaufvermögen, das sich auf Sachen bezieht.
Da es für diese Praxis keinen sachlichen und insbesondere keinen Rechtsgrund zu geben scheint, hatte ich mich mit dieser Frage an die Bundesbank gewandt. Von dort bekam ich im Tenor die Antwort, dass die Rechnungslegung von unabhängigen Wirtschaftsprüfern der KPMG und dem Bundesrechnungshof geprüft und für gut befunden wurde und deshalb alles seine Richtigkeit haben müsse.
Diese Antwort spricht zwar für das Vertrauen, das die Bundesbank in die Arbeit der Prüfer und des Bundesrechnungshof setzt, aber eine sachliche und rechtliche begründete Antwort kann ich darin nicht erkennen. Und darüber hinaus sollte die Bundesbank aus eigener Kompetenz solche Fragen beantworten können.
Ich hatte mich mit meiner Frage an die unabhängigen Prüfer des Abschlusses 2016 gewandt, aber zu meinem Erstaunen als Antwort bekommen, dass man meine Frage nicht beantworten könne, weil man der Verschwiegenheit verpflichtet sei. Mein Erstaunen ist darin begründet, dass die Frage zum einen völlig neutral und ohne Verletzung irgendeiner Verschwiegenheitspflicht beantwortet werden kann und m.E. der Sinn und Zweck einer Prüfung gerade darin besteht, Widersprüche und Rechtsverletzungen in der Rechnungslegung aufzudecken, abzustellen und im Prüfbericht bzw. Geschäftsbericht darauf hinzuweisen.
Die sachliche Motivation für das Prinzip der Periodenabgrenzung liegt darin, dass ohne Periodenabgrenzung die Aussagefähigkeit der Gewinn- und Verlustrechnung erheblich eingeschränkt wird und auch die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse untereinander wird erheblich beeinträchtigt. Die Bilanz ist eine Vermögensaufstellung zu einem bestimmten Stichtag. Wenn die Periodenabgrenzung nicht beachtet wird, dann stimmen die ausgewiesenen Aktiva nicht mehr mit den zum Stichtag tatsächlich vorhandenen Aktiva überein. Das bedeutet, dass die Aussagefähigkeit der Bilanz in dem Maße eingeschränkt wird, in dem das Prinzip der Periodenabgrenzung mißachtet wird. Im angesprochenen Fall handelt es sich vermutlich um „lediglich" ein paar 100 Mill. Euro, aber in dieser Größenordnung wurde in der Vergangenheit die Gewinnabführung an den Bund verkürzt.
Die Banknoten im Umlauf und Banknoten im Bestand sind zwei sachlich und rechtlich völlig unterschiedliche Dinge. Eine Banknote im Bestand ist nur bedrucktes „Papier“, das erst durch die Emission zu einem Wertpapier wird. Eine Banknote im Umlauf ist der sog. Mantel einer zinslosen Inhaberschuldverschreibung. Eine Banknote im Bestand ist ein sog. Vorratsstück, das bei Bedarf zum Nachweis der Inhaberschuldverschreibung verwendet werden kann. Dieser Sachverhalt ist auch der Grund, warum Banknoten im Bestand der Bundesbank nicht zur Geldmenge gezählt werden.
Der Unterschied ist so ähnlich wie bei einem Vordruck für einen Standardvertrag und einem tatsächlich abgeschlossenen Vertrag, der diese Vordruck verwendet.
Viele Grüße
Arne Pfeilsticker
LEITLINIE (EU) 2016/2249 DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK vom 3. November 2016 über die Rechnungslegungsgrundsätze und das Berichtswesen im Europäischen System der Zentralbanken (EZB/2016/34): http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/celex_32016o0034_de_txt.pdf
- [AG-GOuFP] Widerspruch in der Rechnungslegung der Bundesbank?, Arne Pfeilsticker, 05.04.2017
- Re: [AG-GOuFP] Widerspruch in der Rechnungslegung der Bundesbank?, moneymind, 08.04.2017
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