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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Rolf Müller <rolf.mueller9 AT t-online.de>
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Saldenmechanik-Lektüre + Diskussion - weiteres Vorgehen
- Date: Wed, 01 Apr 2015 02:12:32 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 19.03.2015 um 22:58 schrieb moneymind:
> Hi Leute,
>
> ich hatte gestern ja angeregt, daß ihr - die an intensiverer
> Beschäftigung mit Stützels Saldenmechanik Interessierten - hier auf
> der Mailingliste mal
> _
> a) eure "Fragen an Stützel" formuliert: _
>
> Was versprecht Ihr Euch von der Beschäftigung mit Saldenmechanik,
> warum erscheint sie Euch fruchbar, welches Potential seht ihr in ihr?
>
> Welche Fragen hofft ihr, mit ihrer Hilfe beantworten zu können, wofür
> hofft ihr, sie nutzen zu können?
>
> und
>
> _b) auf dieser Basis kurz mitteilt, mit welchen speziellen Abschnitten
> der "Paradoxa" ... und der "Volkswirtschaftlichen Saldenmechanik" ihr
> euch zu diesen Zwecken vertieft und kollektiv im mumble (nach
> vorheriger gemeinsamer Lektüre des jeweiligen Abschnitts) beschäftigen
> wollt._
1) Welche Erwartungen zum politischen Handeln gesellschaftlicher Akteure
ist saldenmechnisch konsistent?
Ein Erklärungsmuster für volkswirtschaftliche Mißstände, das imho auch
in unseren Reihen überstrapaziert wird, ist Korruption. Das
gesellschaftlich und politisch wirksame Handeln von Verbänden und
Parteien ist maßgeblich aus Konkurerrenzparadoxa heraus erklärbar. Z.B.
hat die Lektüre von Stützel mir geholfen die Gewerkschaftsposition im
'Bündnis für Arbeit', das als Wegbereiter der Agenda 2010 wirkte, die
auch in der Ablehnung von gesetzlichen Mindestlohnregelungen bestand, zu
verstehen.
[Keine spezifischen Stellen - Allgemeine Schärfung der Wahrnehmung von
Konkurrenzsituationen sowohl im Alltag, als auch bei
gesellschaftstheoretischen Fragen der Demokratie- und Institutionentheorie]
2) Kausalität vs. Interdependenz. Welchen Sinn machen Kausalaussagen auf
der Globalebene?
Es gibt eine Tendenz in Makroökonomische Zusammenhänge auf der
Globalebene Kausalbeziehungen hinein zu interpretieren. Z. B. "Kredit
impliziert Sparen" oder "Sparen impliziert Kredit". Stützel erhellt dass
dies keine sinnvollen Aussagen sind.
[Verschiedene Stellen sowohl in Paradoxa als auch in der VWS, zu o. g.
Beispiel: VWS Kapitel 5: orthodoxe, moderne und "dritte Epoche" der
Kredittheorie, S213 ff]
3) Welche zentralen ökonomischen Kategorien sind rein relativer Natur?
Partialbegriffe wie etwa Sparen oder Profit absolut zu verstehen ist ein
(Semi-)Kategorienfehler.
4) Ist ein Handeln nach dem Kantschen Imperativ, 'Handle stets so, dass
die Maxime deines Handelns Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung sein
könnte!' unter den Bedingungen der Konkurrenz möglich?
Sind also Reformkonzepte, wie z. B. Christian Felbers
'Gemeinwohlökonomie' illusionär, d. h. saldenmechanisch inkonsistent?
vgl. 9)
[Paradoxa: S.404-408]
5) Wie lassen sich Subjekte operationalisieren?
Ich fand die Bemühungen von Thomas und Arne darum Stützels
Fundamentalsatz mit dem Logikkalkül zu fassen spannend, weil sie imho
eine prinzipielle Erkenntnishürde tangieren. Kurt Gödel hat gezeigt dass
es wahre Aussagen gibt die sich mit der monokontexuralen Mathematik
weder beweisen noch widerlegen lassen. Es gibt kein hinreichend
komplexes monokontexturales formales System dass vollständig und
widerspruchsfrei ist. Ebenso wie in den logischen Antinomien, die genau
dann wahr sind, wenn sie falsch sind versteckt sich im Fundamentalsatz
das Subjekt. - Ein Satz kann nicht sprechen. Insofern sind Theorien wie
die Russelsche Typentheorie Hilfstheorien der Mathematik, die Verbote
formulieren um unbekümmert weiterzumachen wie bisher statt sich dieser
Erkenntnishürde zu stellen.
Womöglich lassen sich ja mathematisch gebildete Mitstreiter für die
Polykontexturalitätstheorie interessieren, die genau dies tut indem sie
eine strukturelle Erweiterung der Mathematik entwickelt, die Reflexion
2ter Ordnung im kybernetischen Sinne abzubilden vermag. Mithin schafft
sie neben den vorhandenen monokontexturalen Verfahren deduktiven und
induktiven Schliessens die Möglichkeit abduktives Schliessen und die
Dialektik formal zu fassen.
Zur Relevanz für die Ökonomie: 1. Falls wir uns hier irgendwann der(den)
Werttheorie(n) annehmen, würde die ökonomische Relevanz deutlich. Geld
transportiert die relevante Information Gebrauchswert nicht. Wert bedarf
der Bewertung durch Subjekte.
2. Will man Planung bzw. Steuerung, durch Selbststeuerung
dezentralisieren bedarf es negativer Rückkopplungmechanismen. In
lebenden Systemen sind diese Mechanismen in vielfältiger Form
anzutreffen. Der Kybernetik, als Theorie komplexer adaptiver Systeme,
fehlt die (polykontexturale) Grundlage der mathematischen und damit auch
algorithmischen Beschreibung.
[Paradoxa: S. 17]
6) Welche Beziehungen bestehen zwischen Zins, Profit, Einkommen und
Vermögen?
Es gibt widersprechende Theorien die z. B. den "Wachstumszwang" des
Kapitalismus einmal aus dem Profit oder aber aus dem Zins kausal
herleiten. Stützel untersucht in Form von saldenmechanischen Satzgruppen
das Verhältnis der Kategorien Zins, Profit, Einkommen und Vermögen.
[Paradoxa: Profittheoretische Untersuchungen, S. 331-359]
7) Der Übergang von Modellen geschlossener Volkswirtschaften zur
Weltwirtschaft erhöht die Komplexität. Ich tue mich noch relativ schwer
außenwirtschaftliche Zusammenhänge zu begreifen. Insbesondere wenn
Wirtschaftsräume und Währungsräume auseinanderfallen.
[Paradoxa: Paradoxa der internationalen Handelspolitik S. 403-408, VWS:
Kapitel 4]
8) Auf Außenwirtschaftlicher Ebene verdeutlicht Stützels Theorie die
Notwendigkeit dauerhafte Leistungs- bzw. Handelsbilanzsalden zu
vermeiden. In der Konzeption von Regionalen Clearingunions ist ein
Anreizsystem enthalten das auch Gläubigerstaaten einbezieht.
Während ich in den 'Paradoxa' und der 'VWS' keine direkten Aussagen dazu
finde, scheint Stützel in Form seiner Maximalbelastungstheorie
Lösungsansätze für das Überschuldungsproblem im allgemeinen formuliert
zu haben.
vgl. 'Wolfgang Stützel - Moderne Konzepte für Finanzmärkte,
Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung'.
9) Last but not least: Die Würdigung der Theorie von Karl Marx durch
Wolfgang Stützel. [Paradoxa: Marxsche Paradoxa, Anwendung der TÖG auf
einige Gewerkschaftsfragen, S.403-408; Durch Konkurrenzparadoxa
aufgeworfene ethisch-politische Probleme S.404-408]
Die Geldtheorie habe ich ausgelassen, da ich wegen des streng logischen
Aufbaues der VWS keine Möglichkeit sehe die wichtigen Bestimmungsgründe
für den umsatzbedingten Zahlungsmittelbedarf einer Volkswirtschaft zu
erfassen ohne nahezu das ganze Buch durchzuarbeiten.
--
instead of focusing on our differences,
we should look at what we all have in common...
http://www.youtube.com/watch?v=qLci5DoZqHU
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- Re: [AG-GOuFP] Saldenmechanik-Lektüre + Diskussion - weiteres Vorgehen, Rolf Müller, 01.04.2015
- Re: [AG-GOuFP] Marx'sche Paradoxa (was:Saldenmechanik-Lektüre + Diskussion - weiteres Vorgehen), Rolf Müller, 11.04.2015
- Re: [AG-GOuFP] Marx'sche Paradoxa, Piratos, 11.04.2015
- Re: [AG-GOuFP] Marx'sche Paradoxa, Rolf Müller, 11.04.2015
- Re: [AG-GOuFP] Marx'sche Paradoxa, Piratos, 11.04.2015
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