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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Vollgeldkritik - Stickpunkt Banken Runs

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Vollgeldkritik - Stickpunkt Banken Runs


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: ag Geldordnung <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [AG-GOuFP] Vollgeldkritik - Stickpunkt Banken Runs
  • Date: Tue, 9 Sep 2014 14:54:40 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Bene,
ich schlage vor, dass du deine Thesen bzw. Kritik an einem Vollgeldsystem in der AG Geldordnung zur Diskussion stellst.

Mein Eindruck ist, dass du deine Kritik und Argumente noch einmal überdenken solltest.

Beispielsweise schreibst du unter dem Stichwort Bank runs:

Denn steigt in einer Krise die Liquiditätspräferenz der Sparer stark an, so können im heutigen System Portfolioumschichtungen von Zeit- in Sichtdepositen bis zu einem gewissen Umfang problemlos durchgeführt werden, ohne die Notwendigkeit der Bank, Aktiva liquidieren zu müssen. 

In einem Vollgeldregime muss hingegen jede Netto-Portfolioverschiebung zugunsten täglich fälliger Einlagen entweder durch den Verkauf von Aktiva ermöglicht oder mittels Zentralbankkredit der Mangel an Liquidität behoben werden.

Eine höhere finanzielle Stabilität wird damit keinesfalls erreicht. 

Daher benötigt auch ein Vollgeldsystem einen Lender of Last Resort.

Einwand: Deine Annahme hinsichtlich der Liquiditätspräferenz der Sparer ist zu undifferenziert. M.E. müssen situationstypische Szenerien durchgespielt werden.

Haupt-Fall / Annahme 1: In einer typischen Krise mit der Gefahr von Bank runs steigt die Liquiditätspräferenz, weil die Sparer befürchten, dass ihr Geld bei bestimmten Banken oder den Banken allgemein nicht mehr sicher ist. Deshalb tauschen sie Sicht- und Spareinlagen in Zentralbankgeld. D.h. die steigende Liquiditätspräferenz ist genau genommen eine steigende Zentralbankgeld-/Bargeldpräferenz.

Wenn Geschäftsbankengeld in Zentralbankgeld umgetauscht wird, dann funktioniert auch im heutigen System deine angenommene Portfolioumschichtung nicht. Die Banken sind gezwungen den Abfluss von Kundengelder entweder durch den Verkauf von Aktiva oder durch eine entsprechende Verschuldung bei anderen Banken, einschließlich der Zentralbank zu kompensieren. Das gilt in Krisenzeiten genau so wie in normalen Zeiten.

Der Verkauf von Aktiva zum Ausgleich von Netto-Zentralbankgeldabflüssen ist für eine Bank kein Drama, sondern Teil des normalen Chash-Managements. Ein Teil der Aktiva, wie z.B. Geldmarktpapiere, wird für genau diesen Zweck gehalten.

Deine Annahme hinsichtlich der Portfolioumschichtung von Zeit- in Sichtdepositen ist also für den hier angenommenen Fall unvollständig und nicht typisch.

In einem Vollgeldsystem entspannt sich die Situation erheblich, weil alle Sichteinlagen bereits Zentralbankgeld sind und gar nicht mehr umgetauscht werden können und müssen, weil sie bereits sicher sind. Geld ist in einem Vollgeldsystem grundsätzlich sicher, weil die Zentralbank nicht zahlungsunfähig werden kann. Diese Tatsache schafft ein unvergleichlich besseres Vertrauen in das Geldsystem, als unser heutiges Geldsystem, in dem es zu einem Verlust der Sichteinlagen kommen kann und und auch tatsächlich kam.

Und was die Spareinlagen anbelangt ist die Situation von vornherein nicht so dramatisch und dynamisch, weil Spareinlagen nicht sofort fällig sind. Darüber hinaus ist die Situation in einer Bankenvertrauenskrise in einem Vollgeldsystem deutlich besser, als im heutigen System, weil das Systemrisiko des Sichteinlagen-(Banken-)Rans weg fällt. 

Ansonsten ist die Situation vergleichbar und gehört zum normalen Bankgeschäft: Fällige Spareinlagen werden durch folgende fünf Quellen ausgeglichen:

  1. Durch den Zahlungseingang ebenfalls fällige Forderungen (= Tilgung von Krediten)
  2. Durch Einzahlungen aus Erträgen der Bank
  3. Durch den Verkauf von Aktiva
  4. Durch eine Verschuldung bei der Zentralbank oder anderen Geschäftsbanken, wenn die Vertrauenskrise nicht alle Banken gleichermaßen betrifft.
  5. Wiederanlage bzw. Prolongation der fälligen Spareinlagen
Die Aus- und Einzahlungsströme einer Bank zu synchronisieren gehört zum normalen Bankgeschäft und ist auch in normalen Zeiten nicht ganz einfach.  

Diese Synchronisation kann z.B. allein dadurch gestört werden, dass die Bankkunden ihr Wiederanlage-/Prolongationsverhalten in einem nicht berücksichtigen Maß ändern. Hierfür muss nicht einmal eine Krise vorliegen oder bevorstehen.

Im jetzigen System müssen in einer Krise nicht nur Spareinlagen-Sichteinlagenverschiebungen wie oben beschrieben ausgeglichen werden, sondern darüber hinaus auch alle Sichteinlagen-Bargeldverschiebungen.

In einem Vollgeldsystem ist die Sichteinlagen-Bargeldverschiebung lediglich eine Tausch in der Art des Nachweises (verbucht vs. verbrieft) während im jetzigen System der Schuldnerwechsel (Geschäftsbank vs. Zentralbank) hinzu kommt. 

Schlussfolgerung: Im Vergleich zum heutigen System ist in einem Vollgeldsystem das Gefahrenpotential erheblich kleiner und hat auch eine geringere Dynamik, weil nur ein Abfluss der Zeit- und nicht auch der Sichtguthaben kompensiert werden muss. Ein Vollgeldsystem hat im Vergleich zum heutigen System ganz allgemein eine erheblich höhere Stabilität und nicht nur in einer Banken-Run-Situation.

Merksatz 1: Wer weniger Sprengstoff lagert, dem wird im Fall der Fälle auch weniger um die Ohren fliegen.  :=)
Merksatz 2: Wer für seinen Sprengstoff keine Zünder hat und darüber hinaus das Pulver erst trocknen muss, der kann auch entspannter an die Entschärfung seiner Bomben gehen. :=)

Viele Grüße
Arne

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