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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: [AG-GOuFP] Franklin D. Roosevelt 1936 zu Hochfinanz und Großunternehmen
- Date: Tue, 18 Mar 2014 11:16:40 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
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"Wir kämpfen seit 4 Jahren (also seit 1932, mm) erbittert gegen die Hochfinanz und die Wirtschaftsbosse, die gewissenlosen Spekulanten, gegen die Klassenspaltung, den Partikularismus und gegen die Kriegsprofiteure. Sie alle hatten sich daran gewöhnt, die amerikanische Regierung als Anhängsel ihrer Geschäfte zu betrachten. Wir wissen nun, vom organisierten Geld regiert zu werden, ist genauso gefährlich, wie von der Mafia regiert zu werden". (zitiert nach H. Bontrup: Krisenkapitalismus und EU-Verfall, S. 221)/
Geschichte wiederholt sich. Ein Schelm wer glaubt, daß Putin das nicht genau weiß und für seine Zwecke nutzt.
Elmar Altvater dazu ganz richtig:
/"Wer die soziale Demokratie gegen den Druck der Finanzmärkte im Kapitalismus verteidigen will, kann sich daher der Notwendigkeit des Klassenkampfs von unten nicht entziehen." (zit. nach Bontrup, a.a.O.)/
Eine ganz große Gefahr, die in der sich wahrscheinlich weiter verschärfenden großen Krise des Kapitalismus (Schulmeister: "Talsohle des langen Zyklus") sehe ich in einem möglichen Schulterschluß der als Ergebnis des Krisenprozesses auch in Westeuropa wachsenden neurechten Parteien (in F ggf. LePen-Regierung ab 2017 - wahrscheinlich, da das totale Scheitern von Hollandes jetzt eingeschlagenem neoliberalen Kurs vorprogrammiert ist) mit russischen Traditionalisten der Eurasia-Bewegung.
http://en.wikipedia.org/wiki/Eurasianism#Neo-Eurasianism
http://en.wikipedia.org/wiki/Foundations_of_Geopolitics
Die ideologischen Fundamente beider Bewegungen sind dieselben (Traditionalismus - Evola: Revolte gegen die moderne Welt).
http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Evola
Gerade im Bereich grün-esoterischen Neuheidentums könnte diese Bewegung m.E. aufgrund ihres Bezugs auf "Spiritualität" etc. Klientel rekrutieren, und völlig inkompetente Banken- und Geldsystemkritik a la Hörmann ist in diesen Kreisen auch gang und gäbe (bei ihm sieht man ja, wie seine Denke in der Praxis auf Neo-Realsozialismus hinausläuft, ohne daß dieser Schwachkopf das auch nur irgendwie realisieren würde oder jemals die politische Ökonomie des Realsozialismus analysiert hätte).
Wir brauchen dringend eine politische Bewegung, die sich ganz klar für ein FREIES und SOZIALES Europa positioniert und dafür ein konkretes wirtschaftspolitisches Programm entwickelt, das auch das Ziel eines Europa als Privatrechtsunion (Grundlage aller Freiheit) enthalten muß.
Das mag neoliberal klingen und gehört traditionell ins Arsenal liberalen Denkens, wird von Marxisten und Keynesianern dagegen ignoriert. Keynes ging es aber mit seinen Strategien ganz wesentlich ums ERHALTEN der Freiheit:
1925 schrieb er:
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"For me, brought up in a free air undarkened by the horrors of religion, with nothing to be afraid of, Red Russia holds too much which is detestable ... I am not ready for a creed which does not care how much it destroys the liberty and security of daily life, which uses deliberately the weapons of persecution, destruction and international strife ... how can I accept a doctrine which sets up as its bible, above and beyond criticism, an obsolete economic textbook which I know not only to be scientifically erroneous but without interest or application for the modern world (gemeint ist die Marx'sche "Kritik der Politischen Ökonomie" = "Das Kapital", mm)?" (J.M. Keynes (1925): A Short View of Russia. In: Essays in Persuasion. New York: Norton Books 1963)/
Was Keynes aber nicht explizit klar war, ist: Eigentum, Vertrag, Zivil- und speziell Schuldrecht sind die unverzichtbaren Grundlagen jedes Kapitalismus, weil Fundament der bürgerlichen Gesellschaft ("Markt") - egal ob dieser Kapitalismus nun im Interesse von Finanz- und Großkapital neoliberal finanzkapitalistisch oder im Interesse der breiten Masse der Have-Nots keynesianisch realkapitalistisch reguliert wird (Ziele für ersteres: Geldwertstabilität, bedingungslose Konsolidierung des Staatshaushalts, Deregulierung von Finanz- und Arbeitsmärkten, Sozialabbau, Schwächung der Gewerkschaften, Lohndrückerei, bedingungslose Unternehmenssteuersenkun etc.; Ziele für letzteres: Wachstum, Vollbeschäftigung, etc.).
Das letzte, was wir brauchen, ist brauner Nationalsozialkeynesianismus im Schulterschluß mit russischen Traditionaldespoten vom Schlage eines Dugin. Das könnte das Ende der Freiheit (Eigentum, Vertrag, Demokratie) in Europa bedeuten.
Der gegenwärtig verbreitete Anti-Amerikanismus ist verständlich und berechtigt, weil auch dort neoliberale Ideologen nach wie vor den generellen Kurs bestimmen. Man darf aber hier nicht naiv einfach pro-russische Positionen beziehen, das wäre fatal. Stattdessen muß man verstehen, daß hinter dem ideologischen Konflikt tatsächlich ein Systemkonflikt zwischen Freiheit und Feudalismus steht.
Wir brauchen ganz klar das Ziel eines freien, aber keynesianisch regulierten Europa und eine Positionierung nicht gegen Amerika oder Rußland, sondern sowohl gegen den Rückfall ins feudale Mittelalter (der m.E. in RU gerade vollzogen wird, s.u.) als auch gegen die neoliberalen Exzesse des Finanz- und Großkapitals. Einen dritten Weg für den Westen also.
Unter pragmatischen Gesichtspunkten ist die von Schulmeister umgesetzte Orientierung an Roosevelts New Deal m.E. richtig. Aber für die heutige Situation in Europa reicht dies nicht aus. Die Frage der Freiheit war in den USA der 30er Jahre "out of the question", niemand stellte sie in Frage. Kann man das in Europa heute auch sagen? Nach wie vor grenzt Westeuropa an Rußland, das sich m.E. bereits auf dem "Rückweg" in ein neues feudales Mittelalter befindet - dazu ein Doku-Film der russischen Filmemacherin Nino Kirtadze:
http://www.youtube.com/watch?v=PQMlvjoPPQo
Russland kann einem leid tun - immer hat man versucht, den Westen zu imitieren und das eigene Land als Großexperimentierfeld für die Ideen westlicher "Sozialwissenschaftler" benutzt: zuerst für die von Karl Marx, dessen obsolete Kapitalismustheorie zu völlig falschen Prognosen in Bezug auf die Innovationskapazitäten einer Planwirtschaft führte. Nachdem das Marx'sche Experiment gescheitert und zusammengebrochen war, probierte es Gorby mit Neoliberalismus - er glaubte den westlichen marktfundamentalistischen Ideologen, die den Kapitalismus noch viel weniger verstanden hatten als Marx. Die Mengenplanung wurde beseitigt, der Staat zog sich zurück, ohne die rechtlichen Fundamente für eine Marktwirtschaft (Zivilrecht, Steuerrecht) zu schaffen. Dann kamen die Jelzin-Jahre mit neoliberaler "Schock-Therapie". Heraus kam pure Anarchie, Rückgang der Lebenserwartung, Massenarmut:
http://www.youtube.com/watch?v=PQMlvjoPPQo
Man kann es den Russen einfach nicht verdenken, wenn sie vom Westen nun nichts mehr wissen wollen und anti-westliche Strategien fahren. Jeder, der dieselben Erfahrungen gemacht hat, dürfte genauso handeln. Man vertraute auf westliche Theoretiker - zwei mal. Erst auf die eine, dann die andere große westliche Ideologie (Marxismus/Staatsplanfundamentalismus, Neoliberalismus/Marktfundamentalismus). Beide haben mit der kapitalistischen Wirklichkeit nicht das geringste zu tun, deswegen taugen sie auch nicht als Anleitung zur HERSTELLUNG von Kapitalismus, wie nicht nur die Russen, sondern auch die Entwicklungsländer erfahren mußten, die sich westlichen Beratern anvertraut haben, anstatt die Sache (wie die Koreaner und Chinesen) selbst in die Hand zu nehmen.
Das fatale ist: neben diesen beiden großen Ideologien gibt es keine dritte - nur pragmatische keynesianische wirtschaftspolitische Strategien, die ohne jedes solide gesellschaftstheoretische Fundament geblieben sind (Rechtssystem, Kreditsystem).
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Um das Ziel eines freien und sozialen Europa nicht nur begründen, sondern auch institutionell und politisch umsetzen zu können, braucht deshalb die keynesianische Theorie dringend ein neues Fundament im real existierenden zivilen Rechtssystem und dem darauf aufsetzenden Kredit- und Bankensystem - und ganz präzise und eindeutige Klärungen des Verhältnisses zwischen Geschäftsbanken, Zentralbanken und Staat im Hinblick auf Geldschöpfung und Geldpolitik. *
Also einen Rückbezug auf die Ideen der Aufklärung (Freiheit/Gleichheit/Eigentum), (hinter die die neurechten und russischenTraditionalisten gerade zurück wollen) - aber ergänzt um ein wirtschaftspolitisches Konzept, in dem ihre Widersprüche und Paradoxa über den Versuch, Markt und Staat auszubalancieren, in eine Entwicklung kanalisiert werden, die der großen Mehrheit der Menschen zugute kommt (wie im "goldenen Zeitalter" des Kapitalismus nach WWII).
(meine ich jedenfalls).
- [AG-GOuFP] Franklin D. Roosevelt 1936 zu Hochfinanz und Großunternehmen, moneymind, 18.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] P.S. - hier ist D gefragt, moneymind, 18.03.2014
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