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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Die wichtigsten Antworten zur Libor-Affäre

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Die wichtigsten Antworten zur Libor-Affäre


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  • From: matthias garscha <matthias_garscha AT yahoo.de>
  • To: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, AG Wirtschaft <ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de>, "esm-squad AT goeddek.de" <esm-squad AT goeddek.de>
  • Subject: [AG-GOuFP] Die wichtigsten Antworten zur Libor-Affäre
  • Date: Sat, 13 Oct 2012 08:49:24 +0100 (BST)
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Ahoi,

hier eine Zusammenstellung aus dem Handelsblatt über die wichtigsten Antworten zum LIBOR Skandal!


1. Worum geht es beim Libor- und Euribor-Zinssatz - und wie wird er errechnet?
Der Libor ist ein täglich vom britischen Bankenverband BBA errechneter Zins, an dem sich Geldhäuser rund um den Globus orientieren. Seit 1986 befragt der BBA in London ansässige Banken, zu welchem Zins sie sich untereinander Geld leihen würden. Aus den Zahlen werden die höchsten und tiefsten Werte gestrichen, um Manipulationen zu vermeiden. Aus den übrigen Zahlen wird dann ein Mittelwert gebildet. Der daraus resultierende Satz für Laufzeiten von bis zu einem Jahr und für die gängigsten Währungen ist der wichtigste Indikator für die Liquiditätslage am Interbankenmarkt. Damit war der Libor eines der Krisenbarometer während der Finanzkrise: je höher der Satz, desto größer das Misstrauen des Marktes gegenüber einer Bank.

Der Libor dient aber auch als Referenz für Finanzprodukte - von der komplexen Übernahmefinanzierung bis zur einfachen Hypothek. Am Libor hängen Finanzprodukte im geschätzten Wert von 350 bis 550 Billionen Dollar. Während der Libor für Dollar-Geschäfte besonders wichtig ist, ist es der Euribor (Euro InterBank Offered Rate) für den Euro. Er wurde 1999 mit Einführung des Euros ins Leben gerufen. 43 Banken melden dabei ihre Zinssätze nach Brüssel, wo der Kurs ähnlich wie beim Libor berechnet wird.

2. Welches Interesse hatten Banken und Regierungen, den Wert zu manipulieren?
Zwei Vorwürfe stehen im Raum: Zum einen sollen sich die Händler einer Reihe von Banken von 2005 bis 2007 durch die Manipulation des Euribor bereichert haben. Ihnen wird vorgeworfen, eine Art Kartell gebildet zu haben, um die Sätze in eine Richtung zu lenken, die den Wert ihrer eigenen Derivatepositionen steigerte. Eines der Kartelle soll von der britischen Großbank Barclays (Bild: Protest vor einer Londoner Filiale) organisiert worden sein, ein anderes von der Schweizer UBS. „Heute bräuchten wir einen ziemlich niedrigen Satz bei den Dreimonats-Laufzeiten, sonst kostet uns das ein Vermögen“, heißt es in der E-Mail eines beschuldigten Barclays-Händlers. In diese Manipulationen ist auch die Deutsche Bank verwickelt.

Zum anderen sollen einige der damals am Libor-Fixing beteiligten Banken in den Krisenjahren 2007 und 2008 systematisch zu niedrige Zinsen gemeldet haben, um die verunsicherten Märkte zu beruhigen und Zweifel an der Solidität der Banken zu zerstreuen. Hier mischten Barclays-Chef Bob Diamond und der Chefinvestmentbanker Jerry del Missier mit. Eine Gesprächsnotiz scheint anzudeuten, dass auch die Bank of England die Vorgänge geduldet haben könnte.

3. Welche Folgen haben die Manipulationen für Sparer und Kreditnehmer?
Der Interbankenzins Libor gilt als wichtige Referenz für viele Finanzprodukte. Der Zinssatz variabler Kredite ist meist an den Geldmarktsatz gekoppelt. Variable Kreditzinsen sind vor allem bei Firmenkrediten üblich. „In Ländern wie Großbritannien, Spanien oder Österreich sind aber auch die Zinsen für Baukredite häufig an einen Geldmarktsatz gekoppelt“, sagt Thomas Meissner, Zinsanalyst der DZ Bank. Die Preise für Derivate, mit denen man sich gegen Zinsänderungs- oder Währungsrisiken absichert, sind ebenfalls oft an den Libor gebunden.

„Für Euro-Verträge ist der Euribor der wichtigere Geldmarktsatz. Aber für Währungen wie den Dollar oder den Schweizer Franken ist der Libor sehr bedeutsam“, sagt Meissner. Das heißt, dass Unternehmen aus dem Euro-Raum meistens mit dem Libor zu tun haben, wenn sie sich in Fremdwährungen verschulden oder Zinsrisiken in fremden Währungen absichern. Es gibt Gewinner und Verlierer der Manipulationen: „Wenn der Libor zu niedrig angesetzt wurde, dann ist das ein Vorteil für Kreditnehmer, deren Darlehen an den Geldmarktsatz gekoppelt sind“, sagt Falko Fecht, Professor für Financial Economics an der Frankfurt School of Finance. Dafür erhalten Einleger geringere Sätze, denn die Konditionen für Tagesgeld orientieren sich oft an Geldmarktsätzen. 

4. Warum wird der Zinssatz von Privatbanken bestimmt und nicht von Notenbanken?
Der Libor ist nicht als offizieller Referenzsatz entstanden: Er geht auf eine Initiative der privaten Kreditwirtschaft zurück. Erst im Laufe der Zeit, als immer mehr Kredit- und Derivateverträge auf den Wert Bezug nahmen, erreichte er seine heutige Bedeutung. Der Libor und sein Euro-Pendant Euribor sollen zeigen, zu welchem Preis sich Banken Geld leihen. Das wissen aber nur die Banken selbst. „Die meisten Geldmarktgeschäfte werden quasi per Handschlag vereinbart“, erläutert Thomas Meissner, Zinsanalyst der DZ Bank. „Es gibt bislang keine zentrale Clearing-Stelle, die diese Transaktionen erfassen könnte.“

Deshalb gibt es bislang keine unabhängige Stelle wie zum Beispiel eine Notenbank, die ohne Mitwirkung der Banken den „richtigen“ Geldmarktsatz ermitteln könnte. Prinzipiell ist es aber durchaus möglich, diese Geschäfte zentral zu erfassen. „Da es hierbei insgesamt um außerordentlich große Volumina geht, wäre dies allerdings sehr aufwendig“, sagt Meissner. Gegen eine solche Lösung spricht laut Bankenverband BBA, dass die Banken, die ihre Geldmarkt-Sätze zur Ermittlung des Libors melden, solche Transaktionen gar nicht täglich tätigen. Doch auch dieses Problem lässt sich lösen, indem man die Gruppe der Libor-Banken vergrößert, sagt Falko Fecht, Professor an der Frankfurt School of Finance.

5. Welche Ideen und Reformvorschläge könnten helfen, das Referenzsystem auf eine seriöse Grundlage zu stellen?
Der Skandal um die Libor-Manipulation hat viele Opfer gefordert, am Ende könnte der Interbankenzins selbst dazugehören. Am 9. September wollen die obersten Finanzaufseher bei einem Treffen in Basel beraten, ob er reformierbar ist oder abgeschafft werden soll. „Wenn der Libor nicht reformiert werden kann, gibt es verschiedene Alternativen“, sagte der kanadische Notenbankchef Mark Carney, der dem einflussreichen Finanzstabilitätsrat vorsitzt. Es sei denkbar, dass die Berechnungsgrundlage strukturelle Mängel aufweise, die nicht beseitigt werden könnten.

Eine entscheidende Schwäche des Libor ist, dass die von den Banken gemeldeten Sätze nicht nur auf abgeschlossenen Transaktionen beruhen, sondern auch auf Schätzungen. Das gilt vor allem für die Jahre nach 2007, als die Banken untereinander so misstrauisch waren, dass sie sich kaum noch Geld liehen. Professor Peter Hahn von der Cass Business School in London meint, dass die Finanzwelt ein neues Referenzsystem für kurzfristige Marktzinssätze dringend braucht. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sollten die Banken künftig grundsätzlich außen vor bleiben. Das neue System sollte stattdessen auf den Zinsen beruhen, die Großinvestoren wie Staatsfonds für ihre kurzfristigen Anlagen erhalten, fordert Hahn.

Quelle:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/uebersicht-die-wichtigsten-antworten-zur-libor-affaere/6900874.html#image

lg

matthias


  • [AG-GOuFP] Die wichtigsten Antworten zur Libor-Affäre, matthias garscha, 13.10.2012

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