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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: "Christoph Ulrich Mayer" <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
- To: "'Rudi'" <piratrudi AT gmx.de>, <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Bundesbank-Buch Geld und Geldpolitik Version 2012
- Date: Tue, 9 Oct 2012 20:40:34 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
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Die Buba also zur Geldschöpfung bei Geschäftsbanken (S. 72):
"Der Vorgang entspricht der Entstehung von Zentralbankgeld: In der Regel
gewährt die Geschäftsbank einem Kunden einen Kredit und schreibt ihm den
entsprechenden Betrag auf dessen Girokonto als Sichteinlage gut. Wird einem
Kunden ein Kredit über 1.000 Euro gewährt (z. B. Laufzeit 5 Jahre, 5 % p.a.),
erhöht sich die Sichteinlage des Kunden auf seinem Girokonto um 1.000 Euro.
Es ist Buchgeld entstanden oder es wurden 1.000 Euro Buchgeld geschaffen:
Die Buchgeldschöpfung ist also ein Buchungsvorgang. Alternativ kann die
Geschäftsbank dem Kunden einen Vermögenswert abkaufen und den Zahlbetrag
gutschreiben. Der Kunde kann den gutgeschriebenen Betrag für
Überweisungen nutzen oder auch in bar abheben."
Die Mindestreservepflicht
Wie kann das Eurosystem sicherstellen, dass die Geschäftsbanken nicht
übermäßig
viel Buchgeld schaffen und darüber das Ziel Preisstabilität gefährden?
Ein wichtiges Instrument dazu ist die sogenannte Mindestreserve. Das
Eurosystem
kann die Geschäftsbanken verpflichten, eine Mindestreserve zu halten.
Berechnet wird die Mindestreserve für jede Geschäftsbank aus der Höhe
bestimmter Sicht-, Termin- und Spareinlagen, die Nichtbanken bei
ihr auf Konten unterhalten. Das Eurosystem kann den „Mindestreservesatz“
verändern. Beträgt er beispielsweise zwei Prozent, bedeutet
dies: Belaufen sich die Einlagen bei einer Geschäftsbank auf insgesamt 100
Millionen Euro, muss sie zwei Millionen Euro als Mindestreserve halten – und
zwar in Zentralbankgeld. Um sich das benötigte Zentralbankgeld zur Erfüllung
der Mindestreservepflicht zu beschaffen, sind die Geschäftsbanken darauf
angewiesen, dass die Zentralbank dem Bankensystem über
„Refinanzierungsgeschäfte“
Kredite gewährt.
Buchgeldschöpfungsgewinn und Geldkreislauf
Wenn eine Geschäftsbank einen Kredit gewährt, kann sie diesen in einem
ersten Schritt dadurch finanzieren, dass sie – wie oben beschrieben – den
entsprechenden
Betrag an Buchgeld selbst schafft. Auf den ersten Blick scheint
dies für die Geschäftsbank ein sehr lohnendes Geschäft zu sein: Der
Kreditnehmer
muss für den Kredit über die gesamte Laufzeit Zinsen zahlen, aber für
die Sichteinlage, die die Geschäftsbank dem Kunden auf dessen Girokonto
gutschreibt, vergütet sie üblicherweise keinen oder nur einen sehr geringen
Zins. Auch kann die Geschäftsbank den Ankauf eines Vermögenswerts durch
Gutschrift des Kaufbetrags auf dem Konto des Verkäufers bezahlen. Sie
ist dann Eigentümerin des Vermögenswerts.
Das kann beispielsweise eine Immobilie sein, die sie selbst nutzt oder die
laufend Mietertrag
abwirft. Bezahlt („finanziert“) hat sie diese Immobilie mit selbstgeschaffenem
Buchgeld, das sie dem Verkäufer als Sichteinlage gutschreibt.
Allerdings nimmt diese Betrachtung nur den ersten Schritt in einem längeren
Prozess in den Blick. Denn typischerweise wird der Kunde die Sichteinlage,
die er sich über die Kreditaufnahme beschafft hat, nutzen, um sich etwas
zu kaufen. Häufig läuft das darauf hinaus, dass der Kunde sein Guthaben an
den Kunden einer anderen Bank überweist. Anknüpfend an das obige Beispiel
überweist Kunde 1 die 1.000 Euro auf ein Girokonto von Kunde 2 bei der
B-Bank. Für die Kredit gebende A-Bank bedeutet dies, dass die Sichteinlage
des Kunden, das selbstgeschaffene Buchgeld, abfließt – und dass sie den Kredit
nun „refinanzieren“ muss. Im einfachsten idealtypischen Fall wird ihr dazu
die B-Bank einen Kredit gewähren – viele Geschäftsbanken haben untereinander
entsprechende Vereinbarungen. Die B-Bank gewährt dann beispielsweise
einen täglich kündbaren „Tagesgeld“-Kredit, für den sie der A-Bank einen Zins
(z. B. 2 % p.a.) in Rechnung stellt.
=> Was hier aber fehlt ist die Erwähnung des Clearing-Verfahrens: Eine
Zahlung erfolgt ja nicht nur von A nach B sondern auch umgekehrt, diese
Zahlungen heben sich zu 90% auf und nur der Differenzbetrag muss von Bank A
durch Zentralbankgeld bezahlt oder finanziert werden.
Die A-Bank hat somit eine täglich fällige Verbindlichkeit gegenüber der
B-Bank. Die A-Bank muss nun den Zinsertrag aus dem Kundenkredit zum Teil
an die B-Bank abgeben – und damit einen Teil ihres Gewinns aus der
Buchgeldschöpfung.
Die Umverteilung des Geldschöpfungsgewinns ist damit aber
noch nicht abgeschlossen, da der A-Bank typischerweise daran gelegen ist,
ihre Risiken einzugrenzen.
Denn mit der Kreditvergabe an ihren Kunden ist die A-Bank mehrere Risiken
eingegangen. Eines ist, dass der Kunde den Kredit nicht mit Zins und Tilgung
bedient (Kreditausfallrisiko). Kommt es zu einem Kreditausfall, bereitet dies
dem Kreditgeber einen Verlust, da er die eigene Refinanzierung
des Kredits weiterhin mit Zins und Tilgung bedienen muss. Zweitens
hat die Bank das Risiko, dass der Zins für Tagesgeld, den sie für die
Refinanzierung des Kredits an die B-Bank zahlt, während der (im Beispiel:
fünfjährigen)
Laufzeit des Kredits steigt (Zinsänderungsrisiko). Steigt dieser Zins
tatsächlich, schmälert dies den ihr verbleibenden Anteil aus dem Zinsertrag
des Kundenkredits. Drittens besteht das Risiko, dass die A-Bank einmal keine
andere Bank findet, die bereit ist, die benötigte Refinanzierung zu gewähren
(Liquiditätsrisiko). Dann kann es im Extremfall zu Zahlungsunfähigkeit und
Insolvenz kommen.
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de
> [mailto:ag-geldordnung-und-finanzpolitik-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im
> Auftrag von Rudi
> Gesendet: Dienstag, 9. Oktober 2012 17:03
> An: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> Betreff: [AG-GOuFP] Bundesbank-Buch Geld und Geldpolitik Version 2012
>
> ist da:
> http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Buc
> h_Broschuere_Flyer/schule_und_bildung_geld_und_geldpolitik_schuelerbuch.p
> df?__blob=publicationFile
>
> --
> Gruß
> Rudi
>
> "Ziel des Wirtschaftens ist die Mehrung des Gemeinwohls, nicht des
> Finanzkapitals." (Christian Felber)
>
> --
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list AG-Geldordnung-und-
> Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- [AG-GOuFP] Bundesbank-Buch Geld und Geldpolitik Version 2012, Rudi, 09.10.2012
- Re: [AG-GOuFP] Bundesbank-Buch Geld und Geldpolitik Version 2012, Christoph Ulrich Mayer, 09.10.2012
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