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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Fehlende Vision?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Fehlende Vision?


Chronologisch Thread 
  • From: Rolf Müller <rolf.mueller9 AT t-online.de>
  • To: ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de, ag Geldordnung <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, esm-alternative AT goeddek.de, Christoph Ulrich Mayer <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>, Georg Cosmic Nägle <cosmic AT poetryclub.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] [AG Wirtschaft] Fehlende Vision?
  • Date: Fri, 21 Sep 2012 14:03:41 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Lieber René,

ich teile Deine Sichtweise vollumfänglich und finde Deinen Beitrag sehr gelungen - viel zu schade um ihn nur den Abonnenten der AG Wirtschafs-ML zur Kenntnis zu bringen. Ich finde Du solltest ihn unbedingt auf einschlägigen Blog-Plattformen posten! Auf alle Fälle gehört er auf den Blog der Geldsystempiraten ( http://www.geldsystempiraten.de ) . Kleine redaktionelle Änderungen (Hervorhebungen, Abschnittsüberschriften etc. ) sind bei der Länge des Beitrages wohl nötig.

Beste Grüße

Rolf

PS: Dein Beitrag wäre ein guter Einstiegspunkt für eine Wertedebatte der wirtschaftsaffinen Piraten im Mumble, die womöglich in einem moderierten Mumble-Grill münden könnte.
Kommst Du eigentlich zur EuWiKon in Essen oder hälst dort gar einen Vortrag? - Würde mich freuen Dich mal wieder zu treffen!

Am 20.09.2012 15:34, schrieb René Röderstein:

Ahoi,

wir leben in seltsamen Zeiten. Da holt ein junger Familienvater, dessen Arbeitgeber vor kurzem Pleite gegangen ist, sein Arbeitslosengeld in Höhe von knapp 600€ ab und überlegt, wie er davon seine Frau und seine beiden kleinen Kinder ernähren soll. In Griechenland, Mitglied der EU, Mitglied der Eurozone, Ausrichter der olympischen Spiele 2004 und angeblich auch Erfinder derselben und nebenbei auch der Demokratie[1]. Frau Lagarde, in Frankreich sozialisiert, ehemalige französische Ministerin und jetzige Chefin des IWF, erklärt uns, auf die Situation in Griechenland angesprochen, dass Sie sich mehr um die Kinder im Niger sorgt, als um die Griechen, die keine Steuern zahlen und an ihren Problemen selbst schuld sind[2]. Ein betuchter griechischer Reeder vergleicht den griechischen Staat mit Al Capone, dem er natürlich keine Steuern zahlen würde [3]. Muss er wohl auch nicht, da für Reeder in Griechenland umfangreiche Steuererleichterungen gelten [4]. Abgesehen davon, dass viele Griechen keine Steuern zahlen, so sagt man uns, sind Korruption, eine zu hohe Staatsverschuldung und das leidige Leistungsbilanzdefizit Griechenlands die großen Probleme. Das Griechenland, trotz dieser Probleme, in die Eurozone aufgenommen wurde liegt daran, dass das Land seinerzeit seine Zahlen gefälscht hat[5]. Nicht alleine, dabei hatte man Unterstützung von Goldman Sachs[6]. Das jemand, der aufgrund seiner Funktion bei Goldman Sachs von dieser Bilanzoptimierung gewusst haben müsste, jetzt Chef der EZB ist, sorgt heute kaum für Verwunderung, geschweige denn für Empörung [7]. Immerhin hat Mario Draghi versprochen den Euro zu retten [8]. Ebenso hinterfragte kaum jemand, dass Lucas Papademos, der als Chef der griechischen Zentralbank von 1994 – 2002, ebenfalls von den Bilanzoptimierungen der griechischen Regierung gewusst haben muss, [9] Ende 2011 Regierungschef wird und Griechenland aus der Krise führen sollte [10]. Immerhin verbessern sich offenbar aktuell die ökonomischen Kennzahlen in Griechenland und das Leistungsbilanzdefizit nimmt ab [11]. Grund hierfür sind wohl steigende Exporte von Griechenland, aber teilweise vielleicht auch die Tatsache, dass junge Familienväter keine Importware mehr kaufen können, was sich auch positiv auf die griechische Leistungsbilanz auswirkt.

Fondsgesellschaften steigen verstärkt in ein junges Geschäftsmodell ein: in den physischen Handel mit Rohstoffen[12]. Anders als bisher lagern die Fondsgesellschaften dabei die Rohstoffe tatsächlich physisch ein und entziehen die Rohstoffe dadurch der realen Wirtschaft. Ob hierdurch eine realwirtschaftliche Leistung erbracht wird, scheint fraglich. Vielmehr wird hier offen demonstriert, wie sich Rohstoffkurse mit dem entsprechenden Kapital fast beliebig manipulieren und die marktwirtschaftliche Ordnung aushebeln lassen. Mittelständische Unternehmen, die auf Rohstoffe angewiesen sind, mag diese Manipulation in die Insolvenz treiben. Das sich niemand empört ist kaum verwunderlich, schließlich haben wir ja bereits die Spekulation mit Lebensmitteln, die Manipulation von Lebensmittelpreisen und als Resultat auch das Verhungern von Menschen zugelassen[13]. Wenigstens lässt sich als Fondsmanager ein recht gutes Einkommen erzielen. Die Spitzenverdiener brachten es schon auf Jahreseinkommen von über einer Milliarde €[14]. Da müsste sich der junge Familienvater schon mit rund 140.000 Freunden und Bekannten in der Schlange für das Arbeitslosengeld anstellen, um den gleichen Betrag ausgezahlt zu bekommen.

Im politischen Europa dreht sich seit Jahren alles um die Eurokrise. Die eigentlich eine Staatsschuldenkrise ist oder doch eine Finanzkrise? Mario Monti empfiehlt den Regierungen jedenfalls die Parlamente zu erziehen[15]. Entscheidungen müssen in dieser schwierigen Zeit schnell getroffen werden, demokratisch gewählte Parlamente stören da nur. Das wussten schon die Römer, die in besonderen Zeiten einen Diktator für sechs Monate bestimmten[16]. Da Mario Draghi gebürtiger Römer ist, sollte man vielleicht ihm das Amt antragen[17]? Welcher Art diese Krise nun auch ist, eins haben wir in den Jahren doch gelernt: das Vertrauen des globalen Finanzmarkts ist ganz wichtig[18,19,20]. Die einzelnen Regierungen verhalten sich inzwischen fast wie normale Akteure auf diesem globalen Finanzmarkt, die neben anderen Akteuren, z.B. Banken, Ratingagenturen oder sonstigen Unternehmen, wie unter gleichen agieren. Staaten unterwerfen sich wie selbstverständlich dem Urteil von privaten Ratingagenturen, das wiederum bestimmt, zu welchem Zinssatz sie sich Geld bei ebenfalls privaten Banken leihen können. Das dies so ist, haben die Staaten selbst bestimmt. Es scheint auch niemanden zu stören, dass die Besitzer der Ratingagenturen wiederum meist Banken und Finanzinvestoren sind, die möglicherweise ein Interesse daran haben, ein Rating in die ein oder andere Richtung zu manipulieren. Nun resultiert aus diesen Regelungen eine Abhängigkeit der Regierungen von den Finanzdienstleistern, da die Staaten nur über die privaten Banken Kredite aufnehmen können und somit für die Aufrechterhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit auf diese Privatunternehmen angewiesen sind.Welchen konkreten Einfluss die Finanzindustrie damit nehmen kann, ist spekulativ. Aber es scheint trivial, dass dieser Einfluss erheblich ist. Wenn eine gut organisierte Finanzindustrie einzelnen Regierungen Kredite nur unter gewissen Auflagen zur Verfügung stellt, wird jede Regierung zu Zugeständnissen bereit sein, bevor sie eine Staatsinsolvenz riskiert. Die Situation erinnert an den Aufstieg von Jakob Fugger, der Fürsten und Könige finanzierte und, da er nicht mit der Rückzahlung der Kredite rechnen konnte, sich mit Priviligien, wie etwa Schürfrechten für bestimmte Rohstoffe bezahlen ließ. Man fühlt sich an Forderungen von Finanzinstituten erinnert, Griechenland möge staatliches Eigentum, Häfen, Land, Gebäude und Inseln verkaufen, um seinen Schulden abzubauen oder zumindest die nächste Zinszahlung leisten zu können. Da diese Abhängigkeit nicht temporär, sondern dauerhaft ist, lassen sich im Laufe der Zeit eine Reihe von Sonderrechten, sowohl für die Banken selbst, als auch für deren Stakeholder umsetzen. Zu denken ist hier an Steuerleichterungen für die Banken oder deren Kunden und Aktionäre, Deregulierungen für Finanzgeschäfte bis hin zu Duldung gewisser Steueroasen. Je weiter diese Sonderrechte ausgebaut werden und je weiter die Abhängigkeit der Staaten aufgrund zunehmender Schulden ansteigt, desto schwieriger wird es das Rad zurück zu drehen.

Während die Staaten selbst z.B., wie etwa die Euro-Staaten, demokratisch organisiert sind, gehorcht der globale Markt naturgemäß den Gesetzen eines Marktes. Da der globale Markt quasi alle Staaten überlagert, gibt es zwar nationale Gesetze und Regulierungen, die ggf. auch teilweise international harmonisiert sind, aber keinen einheitlichen globalen Ordnungsrahmen. Da gerade die Finanzindustrie keine hohe Standortabhängigkeit aufweist, können relevante Tätigkeiten ohne große Schwierigkeiten an die Standorte mit den besten Bedingungen, wie etwa den wenigsten, einschränkenden Regulierungen, verlagert werden. Dementsprechend war bereits vor der Finanzkrise ein "Laschheitswettbewerb" zwischen den Standorten entbrannt. Staaten konkurrierten in dem Versuch die besten Bedingungen für die Finanzbranche zu schaffen, sprich Regulierungen und Kontrollen abzuschaffen. Unterm Strich konnten in dieser Konstellation strenge nationale Regulierungen nicht mehr greifen, da Finanzunternehmen die Regulierung durch eine entsprechende internationale Ausrichtung unterlaufen konnten. Das allgemeine internationale Regulierungsniveau musste sich deshalb in Richtung des kleinsten, gemeinsamen Nenners bewegen. Der globale Markt ist deshalb nur im geringen Maße reguliert, was nach Meinung vieler Volkswirte durchaus richtig ist, da die Marktkräfte dann zu einem Optimum führen. Wenn der gesetzliche Ordnungsrahmen fehlt, werden die Kräfte des Markts im Wesentlichen durch die Aktivitäten der Marktakteure geprägt. Auch wenn ein marktwirtschaftlicher Akteur eine Reihe von Zielen verfolgen mag, muss das Hauptziel langfristig immer die Gewinnmaximierung sein. Selbst wenn einige Akteure ein anderes Oberziel verfolgen, werden sie im Laufe der Zeit von den Akteuren verdrängt werden, die eine höhere nachhaltige Rendite erwirtschaften, da diese schneller wachsen können. Es überrascht deshalb nicht, dass sich auch in der Finanzindustrie die aggressivsten und renditeträchtigsten Strategien durchgesetzt haben. Die Entwicklung von Finanzprodukten, die keinen realwirtschaftlichen Sinn mehr erfüllen, sind Auswüchse dieser Strategien. Die bis ins Absurde gesteigerte Schachtelung und Komplexität von Produkten ermöglichte es den Emittenten im Wesentlichen Gewinnerwartungen zu verkaufen und gleichzeitig die Risiken zu verschleiern. Das diese Mogelpackungen auf den Markt kamen kann man als Betrug empfinden und in anderen Branchen würde Vergleichbares vielleicht auch als solcher bezeichnet. Solange aber keine Regulierung die in Umlaufbringung solcher Produkte verbietet, ermöglichen sie dem Emittenten hervorragende Gewinne. Wettbewerber, die dieses Spiel nicht mitmachen, verdienen langfristig weniger und werden von den anderen vom Markt verdrängt, so dass sich am Ende alle beteiligen. Der Druck des Marktes besser zu sein als die Wettbewerber führt dazu, dass die Akteure ihren Handlungsspielraum optimal und bis an die Grenzen des möglichen bzw. erlaubten ausnutzen müssen. Dieses Prinzip ist nicht grundsätzlich schlecht, da es unseren heutigen Wohlstand erst hervorgebracht hat. Da es aber dazu führt, das alles was erlaubt ist und Gewinn bringt auch gemacht wird, kann der Markt nicht ohne einen klaren Ordnungsrahmen funktionieren ohne in Anarchie abzudriften. Der Bereich der Lebensmittelspekulation ist hierbei nur ein extremes Beispiel, bei dem alle ethischen Bedenken über Bord geworfen werden und der Hungertod von Menschen in Kauf genommen wird. Es ist eben erlaubt und sobald der erste Akteur in dem Bereich herausragende Renditen erzielt und Kunden für entsprechende Fonds gewinnt, müssen die anderen Akteure nachziehen. Wenn bereits alle Marktteilnehmer ihren Handlungsspielraum bis an die Grenzen ausnutzen und keiner der Akteure mehr einen Vorteil gegenüber den anderen durch eine Optimierung des Handlungsspielraums erreichen kann, ist es für die Akteure rational an einer Ausweitung des Handlungsspielraums zu arbeiten. Konkret bedeutet dies z.B. auf den Abbau der Regulierungen und Gesetzte hinzuarbeiten, die die Umsetzung bestimmter Geschäftsmodelle oder das in Umlauf bringen bestimmter innovativer Finanzprodukte verhindern. Dies geschieht z.B. durch Lobbyorganisationen der Finanzindustrie, denen allein auf europäischer Ebene ein jährliches Budget im mittleren, dreistelligen Millionenbereich für ihre Arbeit zur Verfügung steht[21]. Inzwischen ist sogar eine gewisse personelle Durchlässigkeit zwischen Finanzindustrie und Politik festzustellen. Dass hochrangige Politiker, die entweder aus Chefpositionen der Finanzbranche kommen oder z.B. über Beraterverträge eng mit der Branche verbunden sind, auch aus persönlichem Interesse im Sinne dieser Branche agieren, kann nicht überraschen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Unternehmen Gewinn orientiert arbeiten müssen, wenn sie im Markt bestehen wollen. Unternehmen werden deshalb, soweit dies der Gewinnmaximierung dient, alle rechtlichen Spielräume ausnutzen und, sofern man sie lässt und es für ihr Geschäft sinnvoll erscheint, tendenziell auch danach streben die Spielräume zu erweitern. Wenn keine Regeln mehr definiert werden, die dem Wohl der Gesellschaft insgesamt dienen sollen, herrscht nur ein Sammelsurium aus den Interessen der einzelnen Akteure am Markt. Das dieses Sammelsurium unser aller Interesse widerspiegelt, ist mehr als unwahrscheinlich. Vieles, was zur Finanzkrise geführt hat, lässt sich über diese einfachen Zusammenhänge erklären. An Finanzprodukten, die realwirtschaftlich keinen Sinn machen und die den beinahen Systemzusammenbruch mit verursacht haben, haben einige Unternehmen viel Geld verdient. Aus deren Sicht war es sinnvoll auf eine Deregulierung hinzuarbeiten, die solche „toxischen“ Papiere erlaubt. Ebenso war es für einige Marktteilnehmer sinnvoll, dass die Ratingagenturen bei der Bewertung der toxischen Papiere „versagt“ und diesen Bestnoten vergeben haben. Da die Papiere sich mit einem Top-Rating besser verkaufen ließen, war dieses „Versagen“ im Interesse vieler Anteilseigner oder sonstiger Stakeholder der Ratingagenturen. Viele Unternehmen der Finanzbranche verdienen nicht nur trotz der Krise Geld, sondern gerade wegen der Krise mit all ihren Lösungsversuchen und Rettungspaketen. Das wir scheinbar von einer Krise in die nächste rutschen und sich keine wirkliche Lösung und Normalisierung abzeichnet ist für einige Unternehmen absolut von Vorteil und liegt in deren Interesse. Wann hätte man z.B. so günstig griechischen Staatsbesitz einkaufen können? Was kann besseres passieren, als für Kredite hohe Zinsen zu verlangen, wegen eines schlechten Ratings des betroffenen Staates, während der Kredit selbst über Rettungsschirme abgesichert ist? Andere Dinge sind eine Frage des Timings. Ein Schuldenschnitt für einen Staat ist z.B. für eine Bank immer dann sinnvoll, wenn die Bank viele Kreditausfallversicherungen in ihrem Portfolio hat.

Wenn man hinter die Kulissen blickt zeigt sich, dass die Ursachen der Finanzkrise nicht geheimnisvoll und nicht kompliziert sind. Auch die Lösungen, die derzeit versucht werden, sind nicht alternativlos. Geheimnisvoll scheint vielmehr zu sein, wessen Interessen jeweils bedient werden und kompliziert scheint, sich diesen Interessen entgegenzustellen und wieder eine vernünftige Regulierung zu schaffen. Alternativlos sollte hingegen sein, dass die Interessen Aller das Leitbild für die Lösung der Krise und der Schaffung eines neuen Ordnungsrahmens sind.Doch genauso, wie die Finanzwirtschaft inzwischen die Realwirtschaft dominiert, genauso, wie die in der Finanzwirtschaft entstandene Krise seit Jahren das politische Geschehen weltweit dominiert, genauso dreht sich auch unsere Suche nach Lösungen der aktuellen Krise und nach Ansätzen für das vermeiden zukünftiger Krisen hauptsächlich um die Finanzwirtschaft. Natürlich sind die Schaffung neuer Regulierungen, die Diskussion einer Finanztransaktionssteuer, usw. wichtig. Unser Denken aber derart darauf auszurichten, wie die Finanzwirtschaft justiert und modifiziert werden kann, weist diesem Wirtschaftszweig, der eigentlich nur Dienstleister der realen Wirtschaft sein sollte, eine zu große Bedeutung zu und verstellt gleichzeitig den Blick für Wichtigeres. Sich nur auf die Mängel des Finanzmarktes zu konzentrieren, gleicht einem herumdoktern an Symptomen. Ohne ein Ziel zu formulieren, dass wir erreichen wollen, bleiben alle Maßnahmen blinder Aktionismus und Flickschusterei.

Das Ziel darf sich aber nicht primär darauf beziehen, was wir für den Finanzsektor erreichen wollen sondern muss in ersten Linie eine Vision für unsere Gesellschaft sein. Wie soll die Welt aussehen, in der wir leben wollen? Bei dieser Überlegung muss man sich von dem gedanklichen Korsett befreien, dass Dinge so sein müssen oder alternativlos sind. Niemand zwingt uns zuzulassen, dass Menschen aufgrund von Lebensmittelspekulationen verhungern. Wir müssen uns auch nicht damit abfinden, dass die Finanzkrise zum Dauerzustand wird und an den Krisenursachen bisher kaum etwas geändert wurde. Auch eine Jugendarbeitslosigkeit von 50% in einigen EU Ländern ist nichts, was wir hinnehmen müssen. Wir müssen uns nicht damit abfinden, dass die Idee von einem freien, vereinigten Europa ohne Grenzen und mit einer Währung inzwischen zu einem Szenario verkommt, dass vielen Menschen Angst macht und Assoziationen von Schulden, Verteilungskämpfen oder Demokratieabbau hervorruft.Auch wenn es selbstverständlich klingt, müssen wir wieder dazu kommen, dass alles politische Handeln an den Interessen der Menschen ausgerichtet wird und alle Staatsgewalt wieder vom Volk ausgeht. Die ökonomische Handlungsfreiheit Einzelner muss da enden, wo das Wohl und die Freiheit anderer beeinträchtigt wird. Wir haben uns in den letzten Jahren daran gewöhnt immer größere Teile der Gesellschaft den Effizienzkriterien des Marktes unterzuordnen. Wie bei allem kommt es aber auch hier auf die Dosis an. Während eine soziale Marktwirtschaft möglicherweise das beste System ist, dass bisher gesellschaftlich umgesetzt wurde, sind wir in den letzten Jahren dazu übergegangen selbst die Arbeit von Regierungen und damit die Staaten selbst diesen Effizienzkriterien des Marktes unterzuordnen. Ein solches System zerstört sich selbst. Wir müssen deshalb erkennen, dass ein Markt nur ein Instrument ist, dass wir dosiert und in abgeschlossenen, regulierten Bereichen sinnvoll einsetzen können. Ein Instrument, dass letztlich den Menschen dienen soll und keine Ideologie der wir uns unterwerfen. Wenn wir den Primat des Volkes wieder einfordern werden wir vermutlich überrascht sein, wie leicht sich die Vision einer besseren Gesellschaft umsetzen lässt. Solange wir den Primat des Marktes als unumstößlich hinnehmen, ist jedes Bemühen um den Einsatz der richtigen Instrumente nur Makulatur. Wie ein erster Schritt aussehen kann, hat Island mit einem alternativen Weg die Finanzkrise zu lösen eindrucksvoll gezeigt. Allerdings mussten sich die Isländer auch hier zunächst über ein Volksbegehren zu Wort melden, bevor die Politik die eingeübten Verhaltensmuster aufgegeben und den anderen Weg zugelassen hat.

Gruß - René


[1] http://www.handelsblatt.com/politik/international/schuldenkrise-in-griechenland-setzt-sich-der-hunger-fest/6273708.html

[2] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/iwf-chefin-lagarde-griechen-sollen-sich-selbst-helfen-und-steuern-zahlen-11764691.html

[3] http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/web/ZDF.de/Frontal-21/2942216/22387194/38a931/Dokumentation-Die-Griechenland-Luege.html

[4] http://www.taz.de/!97114/

[5] http://www.stern.de/wirtschaft/news/alle-fakten-zum-drohenden-staatsbankrott-warum-muss-deutschland-fuer-griechenland-zahlen-1561675.html

[6] http://www.stern.de/politik/ausland/goldman-sachs-us-bank-half-griechen-beim-verschleiern-der-schulden-1543451.html

[7] http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2012/03/39309/

[8] http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article2357898/Draghi-will-den-Euro-retten-Entscheidung-heute.html

[9] http://www.bueso.de/node/5093

[10] http://www.welt.de/politik/ausland/article13709341/Papademos-wird-Regierungschef-in-Griechenland.html

[11] http://www.iwkoeln.de/de/studien/iw-trends/beitrag/84161

[12] http://www.faz.net/aktuell/finanzen/devisen-rohstoffe/industriemetalle-steigendes-interesse-an-rohstoffpapieren-1593774.html

[13] http://foodwatch.de/foodwatch/content/e10/e45260/e45263/e45318/foodwatch-Report_Die_Hungermacher_Okt-2011_ger.pdf

[14] http://www.spiegel.de/wirtschaft/jahresabrechnung-hedgefonds-manager-verdient-1-5-milliarden-dollar-a-418232.html

[15] http://www.fr-online.de/schuldenkrise/euro-krise-monti--parlamente-besser-erziehen,1471908,16805414.html

[16] http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6mischer_Diktator

[17] http://de.wikipedia.org/wiki/Mario_Draghi

[18] http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/kommentar-volkswirtschaftslehre-ist-keine-naturwissenschaft/6854730-2.html

[19] http://www.cducsu.de/Titel__neues_vertrauen_auf_den_finanzmaerkten_herstellen/TabID__29/SubTabID__31/InhaltTypID__8/InhaltID__10916/inhalte.aspx

[20] http://www.lr-online.de/nachrichten/Tagesthemen-Mit-Sparpaket-Vertrauen-der-Finanzmaerkte-gewinnen;art1065,3664287

[21] http://www.infosperber.ch/Politik/Regierungen-sind-Geiseln-der-Finanzwirtschaft-2




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instead of focusing on our differences, 
we should look at what we all have in common...
http://www.youtube.com/watch?v=qLci5DoZqHU

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