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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Querschüsse

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Querschüsse


Chronologisch Thread 
  • From: Peter Wittfeld <peter.wittfeld AT gmail.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-GOuFP] Querschüsse
  • Date: Mon, 17 Sep 2012 12:27:33 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Moin,

besser kann das Dilemma der Südschiene nicht dargestellt werden.

Spanien: reale Arbeitnehmerentgelte im Sinkflug

von Querschuss am 16. September 2012 in Allgemein

Hunderttausende Spanier und Portugiesen haben gestern demonstriert, gegen die Sparprogramme ihrer willfährigen Regierungen und die Troika, welche die Volkswirtschaften der Südperipherie mit den aufoktroyierten “Reformen” (undifferenzierte Sparmaßnahmen) direkt in die Depression führt, mit fatalen Folgen für den Arbeitsmarkt, den Lebensstandard und selbst für die Steuereinnahmen des Staates. Diese Strategie löst weder die zu Grunde liegenden Ursachen, noch die Probleme der Krise, maximiert aber Kreditausfälle und Schäden und führt direkt in die Zahlungsunfähigkeit von Teilen ganzer Sektoren der Volkswirtschaften.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass die Lasten der “Reformen” einseitig den Arbeitnehmern, Rentnern und sozial Schwachen aufgebürdet werden. Einen Beleg dafür liefern wieder die Daten zur Entwicklung der realen Arbeitnehmerentgelte in Spanien, mit den aktuellen Daten für Q2 2012 und vor allem der erhellende Langfristchart:

Die Entwicklung der Summe aller realen Arbeitnehmerentgelte seit Q1 1985 bis Q2 2012 in Prozent zum Vorjahresquartal im Chart. In Q2 2012 sanken die realen Arbeitnehmerentgelte um -5,8% zum Vorjahresquartal, das 14. Quartal in Folge und mit einer Rekordrate. Selbst die nominalen Arbeitnehmerentgelte sanken um -3,9% zum Vorjahresquartal auf 125,949 Mrd. Euro.

Die Arbeitnehmerentgelte sind die Gesamtbruttosumme aller Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer, Angestellten, Beamten, inkl. aller in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehenden, inklusive der Sozialbeiträge der Arbeitgeber.

Dieser Chart offenbart, dass sehr wohl vor der Euro – Einführung die Arbeitnehmerentgelte über Quartale stärker stiegen oder zu mindestens ähnlich, wie während der Euro-Phase. Nie aber fielen sie so stark und so lange wie jetzt, in Folge steigender Arbeitslosigkeit und stetiger Lohnsenkungen. Dabei sind Einkommen das A und O um eine Schuldenkrise einzugrenzen und zu bewältigen. Auch in Spanien sind bereits die durchschnittlichen saisonbereinigten realen Arbeitnehmerentgelte (Masseneinkommen) um -16,14% zum Hoch in Q1 2008 gefallen. Dies ist bereits der halbe Griechenland-Style, dort sanken die realen Arbeitnehmerentgelte in Q2 2012 zum Hoch um beispiellose -34,17%! Das bei so einer sinnentleerten Schocktherapie die Kreditausfälle explodieren und die volkswirtschaftlichen Schäden maximiert werden ist zwangsläufig. Keine Volkswirtschaft der Welt würde so eine Einkommensschrumpfung ohne massive Blessuren überstehen. Ein relevantes Stück der spanischen Differenz zum Griechenland-Style, beim Schrumpfen der realen Arbeitnehmerentgelte, wird nun aktiv vom beschlossenen 102 Mrd. Euro Sparpaket bis 2014 der Madrider Zentralregierung geschlossen werden. Denn die sinkenden Ausgaben des einen Sektors der Volkswirtschaft, werden immer die sinkenden Einkommen anderer Sektoren der Volkswirtschaft bleiben, erst recht wenn alle Sektoren der Volkswirtschaft gleichzeitig sparen, dann ist die Abwärtsspirale (Depression) gesichert. Nur im Falle Spaniens, handelt sich es nicht wie bei Griechenland um eine relativ unbedeutende Volkswirtschaft, sondern um die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone. Der initiierte Griechenland-Style in Spanien ist eine Riesengefahr für die gesamte Eurozone, denn die Dimension der dabei angerichteten volkswirtschaftlichen Schäden ist eine ganz andere und die potentiellen Dominoeffekte daraus ebenso!

Wie bereits auch im Falle Griechenlands dokumentiert, besteht eine unglaubliche Einseitigkeit bei den angeblichen “Reformen” zur Bewältigung der Krise, während die nominalen Arbeitnehmerentgelte in Q2 2012 um -3,9% schrumpften, stiegen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um +3,1%. Dies selbst angesichts der Tatsache, dass in den Unternehmenseinkommen auch die Einkommen von Selbstständigen und Kleinunternehmer mit einfließen und diese verlieren dramatisch. Auch in Spanien gelingt es großen Unternehmen und Vermögenden selbst in der Krise ihre Einkommen zu mehren und sich einen größeren Teil vom kleiner werdenden BIP-Kuchen zu sichern.

Die Entwicklung der unbereinigten nominalen Unternehmens- und Vermögenseinkommen (blau) und der nominalen Arbeitnehmerentgelte (rot) in Prozent zum Vorjahresquartal seit Q1 2000 bis Q2 2012 in Spanien. Während in Q2 2012 die unbereinigten nominalen Unternehmens- und Vermögenseinkommen um +3,1% auf 123,026 Mrd. Euro stiegen und damit sogar auf ein neues Allzeithoch, schrumpften die unbereinigten nominalen Arbeitnehmerentgelte das 14. Quartal in Folge zum Vorjahresquartal, diesmal um -3,9% auf 125,949 Mrd. Euro.

In Folge der Einkommensschrumpfungen bei den Masseneinkommen, sinkt der Konsum, die Unternehmenspleiten steigen und die Kreditausfälle der privaten Haushalte und Unternehmen steigen:

Die Entwicklung der realen und saisonbereinigten Umsätze im spanischen Einzelhandel von Januar 1995 bis Juli 2012, laut den Daten von Eurostat. Im Juli 2012 sanken die realen und saisonbereinigten Einzelhandelsumsätze um -1,9% zum Vormonat, auf 79,65 Indexpunkte. Die realen Einzelhandelsumsätze notierten im Juli 2012 auf den tiefsten Stand seit Februar 1999. Mehr als ein Jahrzehnt reales Umsatzwachstum beim Einzelhandel wurde komplett ausgelöscht! Seit dem Hoch im März 2007 mit 106,74 Indexpunkten ging es um reale -25,4% abwärts!

Die Entwicklung der PKW-Neuzulassungen in Spanien seit Januar 1970 bis August 2012 im Chart. Im August 2012 lagen die PKW-Neuzulassungen bei 48’820 PKWs. Kumuliert man die ersten 8 Monate 2012 liegen die Neuzulassungen von PKWs nochmals um -8,5% unter dem sehr schwachen Niveau des Vorjahres 2011, welches bereits das schwächste Jahr seit 1993 markierte!

Die Einzelhandelsumsätze und die PKW-Käufe machen ca. 40% der privaten Konsumausgaben aus. Im Zuge der Einkommensschrumpfungen und der Konsumkontraktion explodieren die Kreditausfälle:

Die Entwicklung des offiziellen Volumens an zweifelhaften Krediten und Darlehen des spanischen Bankensektors an private Haushalte und Unternehmen seit Januar 1975 im Chart. Zuletzt im Juni 2012 stieg das säumige Kreditvolumen auf ein Rekordvolumen von 164,361 Mrd. Euro.

Diese Einkommens- und Konsumschrumpfungen sind weitgehend sinnentleert, denn sie werden auch noch von sinkenden Investitionen eskortiert. Nur eine Wettbewerbsfähigkeit Spaniens lässt sich niemals ohne Investitionen in Ausrüstungen und Technologie erzielen, welche die Produktivität massiv vorantreiben müssten:

Die Entwicklung der realen Bruttoanlageinvestitionen in Prozent zum Vorjahresquartal seit Q1 2001 bis Q2 2012. In Q2 2012 sanken die realen Bruttoanlageinvestitionen um -9,6% zum Vorjahresquartal. Die Bruttoanlageinvestitionen sanken bereits das 18. Quartal in Folge, im Vergleich zum Vorjahresquartal! Zum Hoch, aus Q4 2007, betrug der Einbruch bei den Bruttoanlageinvestitionen -35,7%!

Die Bruttoanlageinvestitionen umfassen den Erwerb von dauerhaften und reproduzierbaren Produktionsmitteln sowie selbst erstellte Anlagen und größere Wert steigernde Reparaturen. Die Bruttoanlageinvestitionen setzen sich aus dem Erwerb neuer Anlagen und dem Saldo aus Käufen und Verkäufen von gebrauchten Anlagen zusammen. Die Bruttoanlageinvestitionen untergliedern sich in Ausrüstungen (Produktionsanlagen, Maschinen, Geräte, Fahrzeuge), Bauten (Wohnbauten, Nichtwohnbauten) und sonstige Anlagen (u.a. Nutzvieh und Nutzpflanzungen, Computersoftware).

Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Bruttoanlageinvestitionen auch die Bauinvestitionen beinhalten und diese das Bild zusätzlich negativ verzerren, wird es auch nicht wirklich besser, wenn man nur auf die Ausrüstungsinvestitionen der Industrie schaut. In Q2 2012 sanken die realen Investitionen in Ausrüstungen der Industrie um -7,4% zum Vorjahresquartal. Zum Hoch aus Q2 2008 ging es um -30,5% abwärts. Weiterhin bleibt es unmöglich Volkswirtschaften mit brachial sinkenden Investitionen leistungsfähig und fit für den Wettbewerb zu machen. Insofern ist auch weiterhin ganz klar, die Sparmaßnahmen (Austerität) führen nicht in die postulierte Wettbewerbsfähigkeit sondern befeuern eine weitgehend selbst organisierte wirtschaftliche Abwärtsspirale.

Die Entwicklung der offiziellen saisonbereinigten gesamten Arbeitslosenquote in Spanien von Januar 2000 bis Juli 2012 im Chart. Im Juli 2012 stieg die Quote auf ein neues Hoch mit 25,1%!

Die Entwicklung der offiziellen saisonbereinigten Quote der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien von Januar 2000 bis Juli 2012 im Chart. Im Juli 2012 stieg die Jugendarbeitslosigkeit auf 52,9% und markiert damit ebenfalls ein neues Allzeithoch.

 

Quelle Daten: Ine.es/VGR-Datenbank


Wir sollten endlich einmal anfangen Politik für die Menschen zu machen und ich unterstütze den Vorschlag von Frank Giebel, "Liquid Antrag zu Schuldenschnitt".

Gruß,

Peter



  • [AG-GOuFP] Querschüsse, Peter Wittfeld, 17.09.2012

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