Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Fwd: Eine mutige Alternative zum ESM

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Fwd: Eine mutige Alternative zum ESM


Chronologisch Thread 
  • From: René Röderstein <rene.roederstein AT piratenpartei-nrw.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Fwd: Eine mutige Alternative zum ESM
  • Date: Mon, 30 Apr 2012 12:44:35 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Ahoi,

eine direkte Finanzierung der Staaten über die EZB, die dann auch direkt auf die Einhaltung der Schuldenbremse achten kann, unterstütze ich. Idealerweise im Rahmen einer ausschließlichen Geldschöpfung durch eine unabhängige Zentralbank.
Solange das europäische Parlament aber nicht ausreichend demokratisch legitimiert ist (z.B. gleiches Stimmengewicht aller Bürger), halte ich eine Kompetenzausweitung nicht für sinnvoll.

Gruß - René.


Am 30.04.2012 10:57, schrieb Hilmar Benecke:
Hallo Nicolai,

wie war die Resonanz auf der ML der AG Europa. Du weißt, dass ich Deinem Lösungsansatz sehr aufgeschlossen gegenüber stehe.

VG
Hilmar

Am 29.04.2012 12:15, schrieb Nicolai Haehnle:
Hallo Geldordnung,

zu eurer Info, ich habe vorhin als Reaktion auf eine etwas
explodierende Diskussion zum Thema ESM auf der Mailingliste der AG
Europa folgende Mail geschickt (ich hoffe, meine Aussagen zum
Diskussionsstand der AG sind einigermaßen präzise, ansonsten
korrigiere ich das natürlich gerne):

----
ich möchte euch einen relativ einfachen Vorschlag unterbreiten, der
nicht alle Probleme auf einmal löst, der aber die Weichen für die
Zukunft in der Eurozone in die richtige Richtung stellt und als
demokratische Alternative zum ESM dienen kann. Ansätze, die in diese
Richtung gehen, werden seit längerem in der AG Geldordnung und
Finanzpolitik diskutiert. Es gibt mehrere Varianten in der Diskussion,
aber alle sind in den Grundfragen der Staatsfinanzierung einig. Ich
stelle euch einfach eine Variante vor, die von mir persönlich
bevorzugt wird.

Die Erfahrung zeigt, dass Diskussionen zum Thema ESM und Eurokrise
sehr schnell in Details ausarten. Was passiert mit der Stabilität der
Banken? Wie wird das Steuersystem in Griechenland saniert? Wie setzen
wir in Deutschland höhere Löhne durch um für mehr Gleichgewicht in der
Eurozone zu sorgen?

Das Problem: diese Details lähmen uns. Wir zerfleischen uns
gegenseitig über diese Details, und währenddessen installieren die
Bürokraten in Brüssel munter weiter undemokratische Mechanismen.
Diesen gordischen Knoten würde ich gerne durchschlagen, und zwar wie
folgt (über leichte Änderungen können wir gerne diskutieren, aber es
geht mir vor allem ums Grundprinzip):

1. Wir führen eine Europäische Direktfinanzierung für das Europäische
Parlament ein. Konkret: das Europäische Parlament kann mit einfacher
Mehrheit beschließen, dass die EZB dem Europäischen Parlament einen
direkten, unverzinsten, ewigen Kredit gewährt. Also ein Kredit ohne
Zinsen und ohne Rückzahlungspflicht. Das Europäische Parlament
entscheidet darüber, wann und wie viel es haben will, und was es damit
macht.

2. Wir führend Checks and Balances ein, um den Missbrauch der
Direktfinanzierung zu verhindern. Konkret wird ein Makroökonomischer
Rat gebildet, der analog zum Bundesverfassungsgericht zu verstehen
ist. Er wird mit ökonomischem statt juristischem Sachverstand durch
die Politik besetzt, hat dann aber eine signifikante Amtszeit mit
entsprechender Unangreifbarkeit, wie sie das BVerfG auch genießt.
Dieser Makroökonomische Rat kann in *sachlich* begründeten Fällen ein
Veto gegen die Direktfinanzierung einlegen. Insbesondere würde der MR
das Veto einlegen, wenn das Europäische Parlament durch die
Direktfinanzierung die Inflation anheizt.

Das ist mein Vorschlag. Sehr einfach, und er stellt die Weichen in die
richtige Richtung: mehr Demokratie auf europäischer Ebene und ein
Befreiungsschlag vom Diktat der Finanzmärkte. Das Veto der
Finanzmärkte wird ersetzt durch das Veto des Makroökonomischen Rats -
auch das also ein Schritt der Demokratisierung.

Dieser Vorschlag liefert bewusst noch keine Antwort darauf, wie man
mit den eingangs genannten Problemen mit Griechenland und Deutschland
etc. umgehen soll. Darüber kann und muss danach weiter diskutiert
werden. Der wichtige Kernpunkt ist, dass die Diskussion darüber durch
meinen Vorschlag ganz klar zurück in die parlamentarische Arena
gespielt wird, in die Hände von direkt gewählten Volksvertretern.

Ein paar Worte zur volkswirtschaftlichen Bewertung. Wenn man die
Menschen fragt, ob die Staatsfinanzierung vom Zwang der Kapitalmärkte
befreit werden soll, erntet man meistens sehr breite Zustimmung. Wenn
man die Menschen fragt, ob sich Staaten direkt über die Zentralbank
finanzieren sollen - wie es mein Vorschlag fordert - reagieren sie
meist sehr skeptisch. Der Witz ist bloß: der *einzige* Weg um die
Staatsfinanzierung nachhaltig vom Zwang der Kapitalmärkte zu befreien
ist eben genau diese direkte Finanzierung.

Das macht die Kommunikation des Themas leider schwierig, aber ich
hoffe, dass wir hier in der AG sachlich bleiben können.

Ansonsten ist die einzige direkte volkswirtschaftliche Auswirkung
meines Vorschlags, dass das Zinsniveau zwangsläufig sinkt. Heutzutage
zahlen Staaten Zinsen auf Staatsanleihen, und so tragen die
Steuerzahler dazu bei, dass das Zinsniveau hoch bleibt. Da die
angestrebte Finanzierung unverzinst ist werden einerseits die
öffentlichen Haushalte entlastet, andererseits sinkt natürlich
zwangsläufig das durchschnittliche Zinsniveau in der Volkswirtschaft.
Das kann langfristig zum Beispiel als Folge haben, dass Haushalte und
Unternehmen weniger Vermögen in Form von Geld halten und stattdessen
Sachvermögen bevorzugen. Nach Weltuntergang hört sich das jedenfalls
nicht an - wenn ihr über mehr Details dazu mit mir diskutieren wollt
gerne, aber ich glaube die Mail ist schon lange genug.

Wie gesagt, der strategische Kernpunkt meines Vorschlags ist, die
relevante Macht dem Parlament und damit direkt gewählten
Volksvertretern zu geben. Auch danach wird es noch schwierige
Herausforderungen geben, aber bei deren Bewältigung sitzen dann
endlich wieder Parlamentarier am längeren Hebel, anstatt wie heute von
Bürokraten vor sich her getrieben zu werden. Und das ist schon längst
überfällig.

Jetzt interessiert mich erst einmal euer Feedback :)

Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.








Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang