ag-familie AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Familienpolitik
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- From: Tobias Rudert <tobias.rudert AT piraten-mfr.de>
- To: ag-familie AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [AG-Familie] Familienrecht - wir haben da mal was vorbereitet
- Date: Sat, 08 Aug 2015 12:45:37 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-familie>
- List-id: Familienpolitik <ag-familie.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Piratenpartei Deutschland
Hallo AG Familie,
nach Gesprächen mit Mitgliedern der AG Familie auf auf dem BPT möchten wir
auch hier einen Antrag vorstellen, den einige Piraten in Eigeninitiative
entworfen haben.
Übersicht der Forderungen:
* stärkere Förderung von Familien mit Kindern zu Lasten kinderloser Eheleute
* Unterstützungsleistungen sollen auch nach einer Trennung bestehen bleiben
* Mediation als Standardverfahren im Falle einer Trennung
* Mediationsergebnis ist ein Eltern-Vertrag zwischen den Beteiligten
* mehr Zwang zur Wahrheitsfindung an den Familiengerichten
* Familiengerichte sind nur Eskalationsinstanz und Sanktionsbevollmächtigter
* standardmäßig ein gemeinsames Sorgerecht beider Eltern ab Geburt
* standardmäßig Wechselmodell für die Betreuung der Kinder anstreben
* proportionale Aufteilung des Kindesunterhalts soll möglich sein
* mehr Schutz vor Entfremdung durch gezielten Entzug eines Elternteils
Den vollen Text findet ihr im Anhang. Es gibt auch ein Pad:
https://piratenpad.de/p/i17Y9MVyH5
Entstanden ist der Antrag nachdem einige mittelfränkische Piraten
feststellten, dass zwar selbst innerhalb unserer Partei sehr viele Menschen
von dieser sehr prägenden Thematik betroffen sind, gleichzeitig
Grundsatzprogramm und Wahlprogramme fast nichts dazu aussagen.
Das soll natürlich nicht so bleiben. Der BPT ist leider gerade erst vorbei.
Unser nächstes Ziel ist es, den Antrag auf dem LPT Bayern einzubringen, nach
Möglichkeit auch auf LPTs anderer Landesverbände.
Längerfristig soll der Antrag dem BPT vorgelegt werden. Die Inhalte sollen
insbesondere ins nächste Bundeswahlprogramm aufgenommen werden.
Wir können uns auch sehr gut vorstellen, den Antrag inhaltlich und sprachlich
(Lektorat fehlt noch -.-) noch weiter zu entwickeln. Den grundsätzlichen
Fokus
möchten wir jedoch nicht verlassen.
Ich würde mich sehr über Meinungen und Ideen von euch freuen!
--
Viele Grüße
Tobias RudertANTRAG "Konstruktives Familienrecht"
Der Bundesparteitag möge folgenden Antrag beschließen:
Die Piratenpartei Deutschland bezieht zu familienpolitischen Themen folgende
Position.
Ehe und Elternschaft
Wir möchten die Privilegien, welche für Ehe und Elternschaft gewährt werden,
deutlicher voneinander unterscheiden. Insbesondere möchten wir die aus der
Ehe hervorgehenden Vorteile reduzieren und mit diesen Mitteln die
Elternschaft stärker fördern. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass das Bestehen
einer Partnerschaft zu deutlichen Vorteilen in Bezug auf Einkommensteuer und
Sozialversicherung berechtgt, während die in immer weniger Fällen damit
verbundene Elternschaft relativ beschränkt gefördert wird. Wir wollen eine
stärkere Förderung von Familien mit Kindern zu Lasten kinderloser
Lebensgemeinschaften.
Die Unterstützungsleistungen für die Elternschaft sollen auch im Fall einer
gescheiterten Beziehung der Eltern weiterbestehen. Auch nach einer Trennung
wollen und müssen Kinder versorgt und erzogen werden, folglich müssen auch
die Unterstützungsleistungen für diese Aufgaben weiterhin bereitstehen.
Wir unterstützen somit Eltern, egal ob gemeinsam, getrennt oder allein
Erziehende mehr, während kinderlose Paare weniger Förderung erfahren sollen.
Solche Vorteile können steuerliche Vergünstigungen, geringere Sozialabgaben,
Sachleistungen oder bessere Sozialleistungen sein.
Rolle der Familiengerichte bei Trennung und Scheidung
Das aktuelle Familienrecht begünstigt die Entstehung von Streitigkeiten und
trägt in vielen Fällen zur Eskalation bei. In diesem Zusammenhang mischt
sich der Staat im Zuge einer Trennung häufig invasiver als nötig in die
Lebensführung der Beteiligten ein. Meist ohne die Lebensumstände und
Bedürfnisse der Kinder ausreichend bewerten zu können.
Anstatt eines Verfahrens vor dem Familiengericht möchten wir die Mediation
als grundlegendes Verfahren zur Regelung von Unterhalt, Betreuung der Kinder
und sorgerechtlicher Fragen etablieren. Zumindest die meisten Scheidungsfälle
kommen ohnehin ohne Sorgerechtsentscheidung vor Gericht aus [1]. Daher
möchten wir dieses Vorgehen zum Standard machen. Diese Methode macht es
notwendig, dass die Elternteile miteinander kooperieren. Die Möglichkeit sich
selbst vor den Familiengerichten mittels vorgetäuschter Streitigkeiten
Vorteile zu verschaffen motiviert in vielen Fällen zur Eskalation der
Konflikte. Weder Mütter noch Väter dürfen dafür belohnt werden, den anderen
Elternteil schlecht zu machen.
Das Ergebnis der Mediation ist ein Eltern-Vertrag zwischen den Beteiligten,
der bis zu einem festzulegenden Zeitpunkt läuft und danach verlängert oder
neu verhandelt wird. Dieses Vorgehen ist flexibler und unbürokratischer als
ein Gerichtsverfahren. Die Familiengerichte und das beteiligte Jugendamt
sollen ein Widerspruchsrecht haben.
Der Zwang zur Wahrheitsfindung und die qualitativen Anforderungen an die
Urteilsfindung durch die Familiengerichte soll erhöht werden. Dies betrifft
insbesondere hinzugezogene Gutachten und Aussagen von Eltern. Gegeneinander
vorgebrachte Anschuldigungen, insbesondere in Bezug auf Straftaten dürfen nur
dann zu einem substanziellen Entzug von Elternrechten führen, wenn diese von
Strafgerichten festgestellt wurden oder offensichtlich sind. Behauptungen vor
dem Familiengericht dürfen nicht zu einer indirekten Bestrafung ohne
Beweispflicht und Strafrechtsurteil führen. Desweiteren sollen Verhandlungen
vor Gericht neben den Eltern auch nahen Verwandten grundsätzlich zugänglich
sein.
Die Familiengerichte sind Eskalationsinstanz und Sanktionsbevollmächtigter.
Sie greifen ein, wenn etwa im Rahmen der Mediation keine Einigung erfolgt
oder möglich ist oder wenn der Eltern-Vertrag verletzt wird. Der Staat sollte
sich nach Möglichkeit nicht in die Details der Lebensführung der
Trennungsfamilie einmischen. Rechtsstaat und Justiz sollen sich auf die Rolle
beschränken, zu der sie auch fähig sind anstatt zu versuchen, die Eltern im
Fall einer Trennung zu entrechten oder gar zu ersetzen. Bei Eltern, die
zusammenleben - egal ob friedlich oder im Streit - findet in der Regel auch
keine Einmischung in dieser Form statt.
Betreuung und Erziehung von Trennungskindern
Die heutige Praxis von Betreuung und Wahrnehmung der Interessen von
Scheidungskindern durch Jugendämter und andere staatliche Institutionen ist
mangelhaft. Auch mit der jüngsten Neuregelung [2] durch die regierenden
Parteien wurde noch keine durchgreifende Verbesserung zur Förderung des
Kindeswohls und zur Gleichberechtigung beider Elternteile erreicht.
Wir möchten unabhängig von Ehe oder sonstiger Art der Paarbeziehung
standardmäßig ein gemeinsames Sorgerecht beider Eltern ab Geburt des Kindes.
Ausnahmen davon soll es nur in Sonderfällen geben. Bei getrennt lebenden
Eltern soll in der Regel ein Wechselmodell für die Betreuung der Kinder
angestrebt werden. Abweichungen davon sollen die Eltern jedoch im
Elternvertrag nach Bedarf regeln können. Es gibt keine Musterlösung für die
Vielzahl der verschiedenen Lebenswirklichkeiten.
Die Regelung der Betreuung der Kinder muss vor negativen Einflüssen und
Beweggründen, zum Beispiel aufgrund finanzieller Interessen geschützt werden
- egal ob diese von den Eltern, dem Sozialstaat oder den beteiligten Anwälten
ausgehen . Desweiteren soll eine proportionale Aufteilung des
Kindesunterhalts nach Betreuungsanteil und Einkommensverhältnissen beider
Eltern als Norm gelten, wobei eine abweichende Regelung im Eltern-Vertrag
möglich ist. Aktuell kann der Unterhalt entweder nur dem einen oder dem
anderen Elternteil zugewiesen werden. Eine flexiblere Aufteilung ist eine
entscheidende Voraussetzung für die Motivation und Bereitschaft zur
gemeinsame Elternschaft.
Zudem soll die gesetzliche Regelung einen Entfremdungsschutz beinhalten. Eine
Entfremdung durch gezielten Entzug eines Elternteils und deren Folgen lassen
sich praktisch nicht rückgängig machen. Das Kind hat ein natürliches Recht
auf beide Eltern, dieses Recht muss der Staat im Rahmen seiner Möglichkeiten
durchsetzen. Die Möglichkeiten der Einflussnahme und Sanktionen müssen in
diesem Bereich verbessert und ausgeweitet werden.
Quellen:
[1]
http://www.daserste.de/unterhaltung/talk/menschen-bei-maischberger/sendung/09092014-krieg-um-kinder-100.html
- 30. Minute
[2] http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2013-01/sorgerecht-neu
- [AG-Familie] Familienrecht - wir haben da mal was vorbereitet, Tobias Rudert, 08.08.2015
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