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ag-drogen - [Drogen- und Suchtpolitik] Fwd: [schildower-kreis-info] Drogenkonsum teilweise entkriminalisieren:,,Drogen-Tüv in Thüringen als neues Projekt von Rot-Rot-Grün

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

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[Drogen- und Suchtpolitik] Fwd: [schildower-kreis-info] Drogenkonsum teilweise entkriminalisieren:,,Drogen-Tüv in Thüringen als neues Projekt von Rot-Rot-Grün


Chronologisch Thread 
  • From: Bestenfalls <vivarelli AT piratenpartei-nrw.de>
  • To: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [Drogen- und Suchtpolitik] Fwd: [schildower-kreis-info] Drogenkonsum teilweise entkriminalisieren:,,Drogen-Tüv in Thüringen als neues Projekt von Rot-Rot-Grün
  • Date: Wed, 20 Jan 2016 13:51:10 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

Drogenkonsum teilweise entkriminalisieren:

Drogen-Tüv in Thüringen als neues Projekt von Rot-Rot-Grün

http://www.otz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Drogenkonsum-teilweise-entkriminalisieren-Drogen-Tuev-in-Thueringen-als-neues-P-1823815716

20.01.2016 - 07:51 Uhr

Thüringens Regierungsparteien wollen neue Wege in der Suchtprävention
probieren. Doch auf einige Vorschläge reagieren Fachleute skeptisch.



Erfurt. Die Regierungsparteien wollen in Thüringen den Drogenkonsum
zumindest teilweise entkriminalisieren.

So sollen bis Ende 2017 so genannte Drug-checking-Projekte auf den Weg
gebracht werden, wo Konsumenten illegal erworbene Drogen wie Crystal
Meth oder synthetische Mischungen „Legal highs“ auf besonders
gefährliche Beimengungen untersuchen lassen können und gleichzeitig
Beratungs- und Therapieangebote erhalten sollen.

Kontrollierte Abgabe von Cannabis vorgesehen

Zudem soll die regulierte und legale Abgabe von Cannabis-Produkten in
einem Modellprojekt mit einer Kommune erprobt werden, um so den
Schwarzmarkt zu schwächen und Beschaffungskriminalität einzudämmen. Das
schließe auch den leichteren Zugang zum Beispiel für Schmerz­patienten
ein, deren Erkrankung durch Cannabis-Produkte zu lindern wäre, heißt es
in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Linken, SPD und
Bündnisgrünen.

Unter den Teilnehmern einer Fachkonferenz zur Suchtprävention, zu der
die Grünen-Fraktion für Montag eingeladen hatte, stießen die geplanten
Modellprojekte auf Skepsis. So befürchtet die Psychiaterin Katharina
Schoett, die in Mühlausen Drogenabhängige behandelt, dass ein
„Drug-checking“ nur mit riesigem Aufwand und wenig wirksam installiert
werden könne, weil neue Substanzen immer rascher auf den Markt kommen.
Allein im vorigen Jahr seien 114 neue Produkte aufgetaucht, für deren
Überprüfung es teils noch gar keine praxistaugliche Technik gebe.

Für eine legalisierte Cannabis-Abgabe sei Thüringen schlicht zu klein,
hieß es vom Verband der Ersatzkassen. Den Abhängigen sei nicht geholfen,
wenn sie dann etwa in Sachsen wieder für den Besitz bestraft würden.
Renate Rupp von der Landesstelle für Suchtprävention schlug vor, das
Geld für die Modellprojekte besser in bessere Kooperationen von
Behörden, Medizinern und Hilfsvereinen im ländlichen Raum zu
investieren. Dort fehle es zudem oft an Streetworkern.

CDU und AfD hatten den Antrag bereits bei dessen Einbringung im November
abgelehnt. Ein „staatliches Gütesiegel für illegale Drogen“ und die
„nachträgliche Legalisierung von Schwarzmarktkäufen“ lehne die Union
ebenso ab wie jegliche Verharmlosung von Drogenkonsum, erklärte der
CDU-Abgeordnete Christoph Zippel.

2015 gab es in Thüringen 17 Drogentote, so viele wie seit Jahren nicht
mehr. Gesundheits­ministerin Heike Werner (Linke) hatte angekündigt, das
Suchthilfe-Netz auszubauen und die Mittel um rund 50 000 auf etwa 940 
000 Euro pro Jahr zu erhöhen.

Rot-Rot-Grün will in der Suchtprävention umsteuern und Süchtige aus der
Kriminalisierung holen. Dabei sehen Fachleute noch etliche andere
Defizite, die dringlich angegangen gehören.



„Am Anfang eines sehr langen Weges“

Michael Kleim, Jugendpfarrer in Gera, hat als Seelsorger auch immer
wieder mit Drogensüchtigen zu tun. „Die Null-Toleranz-Politik ist auf
ganzer Linie gescheitert“, findet er. Weil sie Schwarzmarkt und
Kriminalität eher fördere, Unsummen verschlinge und Bekämpfung vor Hilfe
setze gerade bei den Betroffenen. „Das Strafrecht ist die schärfste
Waffe des Staats“, sagt Kleim, „solange es auch für sie gilt, schreckt
es vor allem die Drogengebrauchenden von Beratungen ab.“

Bei der Fachkonferenz der Grünen im Landtag soll es um „neue Wege in der
Suchtprävention“ gehen, Antworten auf Entwicklungen der letzten Jahre:
Den explosiven Vormarsch von „Crystal Meth“, die nicht enden wollende
Flut immer neuer Psychodrogen, die immer größere Altersspanne der
Konsumenten.

Es brauche eine „stringent wissenschaftliche und gesundheitsorientierte
Drogenpolitik“, erklärt Kleim. Portugal zum Beispiel habe mit der
Fast-Legalisierung des Eigengebrauchs seit 2001 gute Erfahrungen
gemacht. Dort werde die Ordnungsstrafe zwingend mit einem
Beratungsgespräch verbunden.

Seither gebe es zwar mehr ältere Abhängige, aber dafür sehr viel weniger
unter Jugendlichen. Und die Nachfrage nach Therapien habe sich verdoppelt.

Ähnlich agiert Tschechien; Österreich und Irland wollen nachziehen.



Informationen für Notfälle

In der Schweiz und den Niederlanden ist seit Jahren „Drug-checking“
gängige Praxis – eine Art Drogen-Tüv. Abhängige können die von ihnen
erworbenen Drogen auf möglicherweise unmittelbar lebensgefährliche
Beimischungen untersuchen lassen, erhalten Informationen zum
einigermaßen sicheren Gebrauch und für Notfall-Situationen.

„Die Niederländer erreichen so 90 Prozent der Süchtigen auch mit
Therapie- und Hilfsangeboten“, berichtet Kleim.

Von solchen Werten kann Thüringen bislang nur träumen. Dass es
hierzulande zumindest eine große Lücke zwischen Drogenkonsumenten
insgesamt und den per Beratung oder Therapie erreichten gibt, lassen
Zahlen ahnen: Demnach machten zwar Crystal-Meth-Abhängige mit rund 1100
Behandlungen rund ein Fünftel aller stationären Sucht-Therapien im Jahr
2014 aus. Aber trotz der inzwischen mehr als verzehnfachten Menge allein
des beschlagnahmten Stoffs waren das weniger Crystal-Therapien als 2010.

Linke, SPD und Bündnisgrüne wollen nun in der Drogenpolitik wie der
Suchtprävention allgemein deutlich umsteuern.

Ihr gemeinsamer Antrag an die Landesregierung enthält vieles von dem,
was der Geraer Jugendpfarrer fordert: „Drug-checking“ und legalisierte
Cannabis-Abgabe, das Anheben der straffreien Eigenverbrauchsmenge, neue
Beratungsstrukturen, die besser an Crystal-Meth-Abhängige heranführen.



Experten-Reaktion fällt durchwachsen aus

Die Reaktion der rund 40 Fachleute bei der Konferenz indes fällt
deutlich durchwachsen aus, vor allem hinsichtlich der vorgeschlagenen
Modellprojekte zum „Drug-checking“ und der Cannabis-Abgabe. „Uns wäre
schon viel geholfen, wenn endlich die gesetzlichen Hürden bei der
Zusammenarbeit zwischen Therapeuten und der Kinder- und Jugendhilfe
abgeräumt würden“, erklärt Renate Rupp von der Landesstelle für
Suchtprävention. Es mangele zudem an niedrigschwelligen Angeboten etwa
in Jugendtreffs, aber auch für Ältere. Ausgabestellen für
Drogen-Substitute seien „extrem dünn“ gesät, ebenso
Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder drogensüchtiger Eltern. Unterm
Strich, sagt Rupp, sei die Lage deutlich unbefriedigend: Ständig kämen
neue Mittel und Süchte hinzu, während das Personal in den Beratungs- und
Hilfsdiensten stagniere. Das Geld für die neuen Modellprojekte würde sie
lieber umgelenkt sehen in Ausbau und Vernetzung von Beratungsstrukturen
im ländlichen Raum.

Etliche Teilnehmer sehen indes auch handwerkliche Schnitzer in der
vorgelegten Entkriminalisierungs-Strategie, vermissen etwa Aussagen zur
rechtlichen Ausgestaltung und das frühzeitige Einbeziehen der Polizei.
„Wenn man ehrlich ist“, so Kerstin Keding-Bärschneider vom Verband der
Ersatzkassen, „so befinden wir uns am Anfang eines sehr langen Weges.“

Jens Voigt / 20.01.16 / OTZ





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