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Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- Subject: [AG-Drogen] Genfer Erklärung zur Gesundheitversorgung in Haft (2012)
- Date: Thu, 08 Mar 2012 19:45:56 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Deutscher Hanfverband
Genfer Erklärung zur Gesundheitversorgung in Haft (2012)
Publiziert am 8. März 2012 von Maximilian Plenert
In Genf fand vom 1. bis zum 3. Februar 2012 unter dem Titel „Patient oder
Gefangener? Wege zu einer gleichwertigen Gesundheitsversorgung in Haft“ die 6.
Europäische Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft statt.
Falls Sie die Erklänrung unterzeichnen wollen, senden Si bitte ein Mail
(Angabe
von Namen, Vornamen, Titel, berufliche Affiliation, Stadt, Land) an:
Geneva.Declaration AT hcuge.ch
Website der Erklärung: ump.hug-ge.ch
In der „Hauptstadt der Menschenrechte“ hatte Professor Jacques Bernheim den
ersten von den Justizbehörden und der Gefängnisleitung unabhängigen
medizinischen Dienst in Haft eingerichtet. Bernheim war ein unermüdlicher
Verfechter der fundamentalen Rechte von Menschen in Haft und treibende Kraft
grundlegender Regelwerke für den europäischen Strafvollzug, die auch vom
Europarat, dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und
unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), dem Weltärztebund (World
Medical Association/WMA), dem International Council of Nurses (ICN), der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Schweizerischen Akademie der
Medizinischen Wissenschaften (SAMW) als maßgeblich anerkannt sind.
Diese Regeln und Empfehlungen basieren auf dem Humanitären Völkerrecht und den
Grundrechten. Im Einzelnen handelt es sich um folgende sieben fundamentale
Prinzipien:
Gefangene müssen jederzeit freien Zugang zur medizinischen Versorgung haben.
Die medizinische Versorgung muss derjenigen für nicht inhaftierte Personen
entsprechen (Äquivalenzprinzip).
Jede medizinische Behandlung von Menschen in Haft setzt deren freiwillige und
informierte Zustimmung voraus, wobei das Prinzip der Vertraulichkeit gilt
(Berufsgeheimnis).
Menschen in Haft haben ein Recht auf gesundheitliche Aufklärung und auf Zugang
zu den gängigen Mitteln zur Krankheitsverhütung.
Pflicht zur humanitären Unterstützung von besonders vulnerablen Gruppen.
Die mit der gesundheitlichen Versorgung von Menschen in Haft betrauten
Personen
müssen unabhängig von allen Ebenen der Justiz und des Strafvollzugs arbeiten.
Die mit der gesundheitlichen Versorgung von Menschen in Haft betrauten
Personen
müssen über die notwendigen professionellen Kompetenzen verfügen.
In der Mehrheit der europäischen Länder sind diese Prinzipien noch nicht in
der
Gesetzgebung verankert. Darüber hinaus stellen die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer der 6. Europäischen Konferenz zur Gesundheitsförderung in Haft
fest,
dass die Prinzipien in der Praxis nur unzureichend umgesetzt werden, und
erinnern daran, dass mehrere europäische Länder wiederholt vom Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte wegen unmenschlicher und entwürdigender
Behandlung von Gefangenen verurteilt worden sind.
Angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise und einer Tendenz in der
Gesetzgebung, sicherheitsbezogenen Erwägungen Vorrang vor der Unterstützung
für
vulnerable (besonders verletzliche) Gruppen einzuräumen, bringen wir unsere
wachsende Beunruhigung angesichts der sich verschlechternden Bedingungen im
Strafvollzug – insbesondere was die gesundheitliche Versorgung angeht – zum
Ausdruck.
Der Akt des Freiheitsentzuges zieht jedoch stets eine besondere Pflicht zum
Schutz der Gesundheit von Inhaftierten nach sich. Wir appellieren deshalb
dringend an die europäischen Staaten, die genannten sieben Prinzipien und die
Europäischen Strafvollzugsgrundsätze in ihren jeweiligen Landesgesetzen zu
verankern und ihre Achtung und Umsetzung sicherzustellen.
Insbesondere fordern wir nachdrücklich, dass die Rolle der Mitarbeitenden in
der
gesundheitlichen Versorgung geklärt werden muss. Hier ist vor allem
sicherzustellen, dass sie allein im Interesse der Gesundheit ihrer Patienten
handeln. Da es bei ihnen häufig zu Loyalitätskonflikten zwischen den
Erwartungen
und Ansprüchen von Patient(inn)en auf der einen und jenen des
Vollzugspersonals
oder der Direktionen auf der andern Seite kommt, muss allen Mitarbeitenden von
medizinischen Diensten in Haft professionell unabhängiges Arbeiten ermöglicht
und garantiert werden.
Um dieses Ziel einer professionellen Unabhängigkeit zu erreichen, schlagen wir
folgende drei Schritte vor:
Vereinheitlichung der Ausbildung und des Informationsstandes insbesondere in
den
Feldern Recht und Medizinethik aller Mitarbeitenden im Justizvollzug, um:
Situationen identifizieren zu können, die mit Loyalitätskonflikten zu tun
haben,
und in solchen Situationen im Interesse der inhaftierten Patient(inn)en
handeln
zu können, und um
Die Rollen und Aufgaben aller Berufsgruppen in Haft zu klären und den
gegenseitigen Respekt zu fördern.
Verstärkter Einbezug der Kontrollbehörden, der Berufsverbände und von
medizinethischen Kommissionen.
Klare Zuordnung des Personals zu den Bereichen Strafrecht, Strafvollzug und
Gesundheitsversorgung, wobei der Medizinische Dienst der Gesundheitsbehörde zu
unterstellen ist.
- [AG-Drogen] Genfer Erklärung zur Gesundheitversorgung in Haft (2012), Maximilian Plenert, 08.03.2012
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