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Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- To: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-Drogen] Gateway-Hypothese
- Date: Mon, 05 Mar 2012 17:14:12 +0100
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Am 05.03.2012 16:54, schrieb Michael Demus:
> http://www.drugcom.de/topthema/?sub=137&tr=newsletter
>
> Gruß Micha
Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?
Geschrieben von: Maximilian Plenert
Dienstag, den 07. Februar 2012 um 12:20 Uhr
http://hanfverband.de/index.php/nachrichten/blog/1624-ist-cannabis-eine-einstiegsdroge
Ist Cannabis eine Einstiegsdroge? Diese Frage spielt für viele Menschen eine
wichtige Rolle bei ihrer Beurteilung der Droge und der Frage, ob sie
legalisiert
werden sollte. 73% glauben, dass Cannabis eine Einstiegsdroge sei und auch
anlässlich der Anhörung "Wie gefährlich ist Cannabis?" im Bundestag wurde
diese
These mehrfach vorgetragen. Die Forschung spricht hier eine deutliche Sprache:
Cannabis ist keine Einstiegsdroge - selbst auf Internet-Seiten der
Bundesregierung ist dies nachzulesen.
Der Bundesärztekammer-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery schrieb in seiner
Pressemitteilung "Cannabis: Aufklärung und Drogenprävention statt
Legalisierung": „Eine Legalisierung dieser Einstiegsdroge kann die schädliche
Entwicklung noch fördern“.
Die Stellungnahme des Staatsanwalts und Sachverständigen der CDU, Jörn Patzak,
ist bewusst verwirrend und Zweifel sähend:
"Zwar greift nicht jeder, der Cannabis konsumiert, auch zu „harten“ Drogen
(sog.
„Gateway“- oder „Schrittmacher“-Theorie). Fakt ist aber auch, dass derjenigen,
die Amphetamin, Kokain oder Heroin konsumieren, fast ausnahmslos ihre
Drogenkarrieren mit dem Cannabiskonsum begonnen haben." - Stellungnahme von
Jörn
Patzak, Staatsanwaltschaft Trier
Auf der einen Seite gibt er zu, dass es kein Automatismus von Cannabis zu
"harten Drogen" gibt, im nächsten Satz befeuert er die "unechte"
Einstiegsdrogenthese a la "Vor Heroin war immer Cannabis" gerade wieder. "cum
hoc ergo propter hoc" nennt sich dieser logische Fehler, "bei dem zwei
gemeinsam
auftretende (koinzidente) Ereignisse als Ursache und Wirkung (kausal) erklärt
werden." Ebensogut könnte man die Beobachtung anführen, dass fast alle Heroin-
und Cannabiskonsumenten mit Alkohol und Zigaretten oder gar mit Zucker
angefangen haben...
Auf parlament.de wurden dann aus seiner Aussage: Staatsanwalt Jörn Patzak aus
Trier entgegnete den Befürwortern der Legalisierung, dass Cannabis weiterhin
eine Einstiegsdroge sei. "Fast jeder, der später Kokain oder ähnliches
konsumiert, hat mit Cannabis angefangen", warnte er.
Der Stand der Wissenschaft ist eindeutig
Die Cannabisexperten Prof. Dieter Kleiber und Prof. Renate Soellner schreiben
in
“Cannabis – Neue Beiträge zu einer alten Diskussion”, Herausgeber Raphael
Gaßmann (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen):
"Die Einstiegsthese wird gern im politischen Raum vorgetragen, um die
Gefährlichkeit von Cannabisprodukten nachvollziehbar zu machen und dies gilt,
obwohl sie mehr als dreißig Jahren in der Fachwelt kritisiert und heute von
Fachleuten einhellig als empirisch unbestätigt zurückgewiesen wird."
Das Projekt Drugcom.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das
ausführende Organ des Bundesministeriums für Gesundheit in Sachen
gesundheitliche Prävention, hatte im Mai 2011 die Frage Vom Kiffen zum Heroin?
als TOPTHEMA:
„Schrittmacherfunktion“ wissenschaftlich nicht haltbar
Würde man die Tatsache, dass die meisten Opiatabhängigen mit Cannabis
angefangen
haben, als Argument für die Einstiegsdroge Cannabis anführen, könne man nach
Ansicht der Drogenforscher Dieter Kleiber und Karl-Arthur Kovar ebenso gut
behaupten, „dass eine Erkältung zwangsläufig zu einer Lungenentzündung führt,
weil so gut wie jeder Lungenentzündung eine Erkältung vorausgeht.“ Beide
Autoren
haben 1998 im Rahmen einer umfangreichen Expertise die Risiken des
Cannabiskonsums beleuchtet und stellten zu der Frage der „Einstiegsdroge“
fest,
dass die These von der „Schrittmacherfunktion“ nach damaligem
wissenschaftlichem
Kenntnisstand nicht haltbar sei.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Dachverband der in der
Suchtkrankenhilfe bundesweit tätigen Verbände und gemeinnützigen Vereine,
vertreibt zusammen mit der BZgA die Broschüre "Cannabis - Basisinformation",
darin steht:
Das Risiko des Umstiegs auf andere »härtere« Drogen wurde lange Zeit unter dem
Stichwort »Einstiegsdroge« kontrovers diskutiert. Dabei wurde die Beobachtung,
dass fast alle Heroinabhängigen früher Cannabis geraucht hatten, zum Anlass
genommen, Cannabis für den Umstieg auf Heroin verantwortlich zu machen. Was
für
Heroinabhängige rückblickend stimmt, trifft jedoch nicht auf
Cannabiskonsumenten
zu. Tatsächlich steigt nur ein sehr kleiner Teil der Cannabiskonsumenten auf
andere Drogen um.
Weitere, etwas ältere Aussagen zur Frage "Ist Cannabis eine "Einstiegsdroge?"
finden sich auf cannabislegal.de:
"Cannabis ist eine Einstiegsdroge"
Diese Theorie ist schon seit über 20 Jahren widerlegt. Zahlreiche Studien
fanden, dass nur 2 bis 5 Prozent der Cannabiskonsumenten später bei harten
Drogen landen, 95 bis 98 Prozent tun es nicht.
Das Bundesverfassungsgericht befand 1994 nach Einsicht der wissenschaftlichen
Literatur, die These von der Einstiegsdroge werde "überwiegend abgelehnt".
(BVerfG 1994)
Die Studie von Dr Dieter Kleiber, die der damalige Bundesgesundheitsminister
Seehofer (CSU) in Auftrag gegeben hatte, kam 1998 zu dem folgenden Schluss:
"Die
Annahme, Cannabis sei die typische Einstiegsdroge für den Gebrauch harter
Drogen
wie Heroin, ist also nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand
nicht
haltbar." (Kleiber/Soellner)
Staatsanwalt Körner, der Autor des massgeblichen Gesetzeskommentars zum
heutigen
Betäubungsmittelgesetz, schreibt dazu: "Die These vom Umsteigeeffekt des
Haschisch (...) hat sich als Mythos erwiesen." Er führt aus, dass es etwa 40
mal
mehr Cannabiskonsumenten als Heroinkonsumenten gibt, ein Umstieg also eher die
Ausnahme denn die Regel ist. (Körner)
Der Bericht des amerikanischen "Institute of Medicine" zu Cannabis kam 1999
ebenfalls zu dem Schluss, dass Cannabis keine "Einstiegsdroge" ist. In den USA
kommen nach über dreissig Jahren "Drogenwelle" auf etwa 80 Millionen
Cannabiskonsumenten mehrere Hundertausend aktueller Konsumenten harter Drogen,
ein Verhältnis von 100 zu 1.
- [AG-Drogen] Gateway-Hypothese, Michael Demus, 05.03.2012
- Re: [AG-Drogen] Gateway-Hypothese, Maximilian Plenert, 05.03.2012
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