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ag-drogen - Re: [AG-Drogen] Bundestagsinitiative der Grünen zur EntkriminalisierungZ/Cannabis

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-Drogen] Bundestagsinitiative der Grünen zur EntkriminalisierungZ/Cannabis


Chronologisch Thread 
  • From: Maximilian Plenert <max.plenert AT hanfverband.de>
  • To: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Drogen] Bundestagsinitiative der Grünen zur EntkriminalisierungZ/Cannabis
  • Date: Tue, 15 Nov 2011 13:46:52 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Deutscher Hanfverband

Am 15.11.2011 10:48, schrieb Georg v. Boroviczeny:
> Hanf ist grün, die Grünen sind grün (immer noch hinter den Ohren?), der
> Antrag
> sehr konformistisch halbgar: nur auf Cannabis bezogen und trotz zarter
> Kritik an
> Prohibition nichts grundsätzlich daran ändern wollend...

vergleicht ihn mal mit dem CSC Antrag der LINKEN und seht: er ist handwerklich
deutlich besser. Da im Bundestag nicht einmal das Thema Cannabis vernünftig
diskutiert wird, braucht man dort mit weitergehenden Forderungen garnicht erst
ankommen. Anbei die Plenarprotokolle der Debatte der beiden Anträge, schaut
euch
mal was SPD und FDP zu diesen harmlosen Anträgen meinen...

lg max
-----------------------
Aktiv werden! http://hanfverband.de/index.php/aktiv-werden

Deutscher Hanf Verband
Maximilian Plenert
Rykestraße 13
10405 Berlin

Tel: 030-44716653
Fax: 030-44716654
email: max.plenert AT hanfverband.de
Plenarprotokoll 16/205

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
205. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11660 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. – Ich sehe, Sie sind
damit einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 22:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(B)

Besitz und Anbau von Cannabis zum Eigengebrauch entkriminalisieren –
Glaubwürdige
und am Menschen orientierte Cannabisprävention umsetzen
– Drucksache 16/11762 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Die Kolleginnen und Kollegen Maria Eichhorn,
Dr. Margrit Spielmann, Detlef Parr, Monika Knoche und
Dr. Harald Terpe haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.
Maria Eichhorn (CDU/CSU):

Cannabis ist keine Spaßdroge. Sie ist deutschland- und
europaweit die am weitesten verbreitete illegale Droge.
Der Konsum hat in den vergangenen 10 bis 15 Jahren
stark zugenommen. Während 1993 16 Prozent der 12- bis
25-Jährigen Erfahrungen mit dem Konsum von Cannabis
hatten, waren es 2004 schon 32 Prozent. Mittlerweile
sind in Deutschland etwa 600 000 vorwiegend junge
Menschen Cannabiskonsumenten; 220 000 sind stark abhängig. Die Zahl der
Behandlungszugänge hat sich von
2 600 im Jahr 1992 auf 14 700 im Jahr 2002 mehr als
verfünffacht. Vor diesem Hintergrund lehnen wird den
vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.
In diesem wird gefordert, den Besitz von Cannabis zum
Eigengebrauch von Strafe freizustellen und Cannabis in
einem Modellversuch kontrolliert an Konsumenten abzu-

geben. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verfolgt nach (C)
eigenen Angaben mit dem Antrag das Ziel, den riskanten
Cannabiskonsum einzuschränken. Aufgabe sollte es jedoch
sein, den Cannabiskonsum generell zu verringern. Denn es
gibt keine ungefährliche Menge an Cannabis. Jeglicher
Konsum von Cannabis schädigt die Gesundheit. Dies belegen Studien namhafter
Wissenschaftler aus dem In- und
Ausland.
So fand im Jahr 2005 ein Forscherteam des Institut
Universitaire de Medicine Legale in der Schweiz heraus,
dass Cannabis schädlicher ist, als bisher vermutet. Den
Probanden wurde eine geringe Dosis des aktiven Bestandteils von Cannabis –
delta-9-THC – verabreicht. Bei
einem Teil der Testpersonen löste bereits diese geringe
Dosis schwerwiegende Angststörungen und in weiterer
Folge Realitätsverlust, Entpersonalisierung, Schwindel
und paranoide Angststörungen aus. Dies zeigt also: Nicht
nur der Dauerkonsum, sondern bereits der Konsum geringer Mengen von Cannabis
ist gesundheitsschädigend
und sollte daher vermieden werden. Bei langfristigem
Konsum weisen Studien auf eine Reihe akuter Beeinträchtigungen hin. Diese
sind vor allem bei chronischem
Dauerkonsum mit großen gesundheitlichen Risiken bis
hin zur psychischen Abhängigkeit verbunden.
Besorgniserregend ist auch der mittlerweile wissenschaftlich erbrachte
Nachweis, dass Cannabis Einstiegsdroge für den späteren Konsum härterer
Drogen ist. Wissenschaftler der Universität Amsterdam konnten dies
durch eine Studie bestätigen: Jugendliche, die Cannabis
rauchen, haben ein sechsfach höheres Risiko, später härtere Drogen zu
konsumieren, als Jugendliche, die kein (D)
Cannabis nehmen. Daher ist es unverantwortlich, eine
Straffreistellung für den Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch zu fordern,
wie Bündnis 90/Die Grünen dies
tun. Jegliche Bemühungen im Bereich der Prävention
werden ad absurdum geführt, wenn der Besitz erlaubt und
durch das mit dem Antrag geforderte Modellprojekt sogar
noch durch den Staat gefördert wird.
Durch das von Bündnis 90/Die Grünen geforderte nationale Aktionsprogramm
zur Cannabisprävention soll
riskantem Cannabisgebrauch entgegengewirkt und sollen die
Therapiemöglichkeiten verstärkt werden. Dieses
Programm ist unglaubwürdig, wenn der Staat selbst die
Droge ausgibt. Dabei hat die Präventionsarbeit der letzten Jahre bereits
Früchte getragen. Ganz offensichtlich
konnte mehr Jugendlichen vermittelt werden, dass Cannabis keine Spaßdroge
ist, sondern wesentliche gesundheitliche Risiken nach sich zieht.
Die Zahl jugendlicher Cannabiskonsumenten ist nach
einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung endlich
wieder rückläufig. So sank der Prozentsatz
derjenigen 14- bis 17-Jährigen, die in ihrem Leben schon
einmal Cannabis konsumiert haben, von 22 Prozent im
Jahr 2004 auf heute 13 Prozent. Von einer Trendwende
beim Cannabiskonsum zu sprechen ist dennoch zu früh.
Der Anteil der jungen Erwachsenen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, ist
nach wie vor hoch. Um den Einstieg
Jugendlicher in den Drogenkonsum zu verhindern, ist es
daher notwendig, die Präventions- und Beratungsarbeit

Zu Protokoll gegebene Reden

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin,
Donnerstag, den 12. Februar 2009

22229

Maria Eichhorn

(A) vor allem an Schulen und in Vereinen weiterhin auszubauen.
Das Hilfesystem ist bisher nicht ausreichend auf die
Konsummuster jugendlicher Cannabiskonsumenten ausgerichtet. Junge Abhängige
können nicht mit den gleichen
Methoden behandelt werden wie Alkoholkranke oder Opiatabhängige, die meist
älter sind. Das Beratungs- und Therapieangebot muss stärker auf die
Zielgruppe der jugendlichen Konsumenten ausgerichtet und die Aufklärung
verstärkt werden. Dass der Cannabiskonsum irreparable
gesundheitliche Schäden hervorrufen kann, muss in das
Bewusstsein der Jugendlichen dringen. Drogenberatungsstellen und Jugendhilfe
müssen hierbei noch intensiver
zusammenarbeiten.
Ein Modellprojekt, wie von Bündnis 90/Die Grünen
gefordert, würde mehrere Millionen Euro kosten, und dies
für ein Projekt, dessen Nutzen höchst zweifelhaft und nicht
erwiesen ist. Stattdessen wird sogar die Schädlichkeit der
Droge verharmlost. Das Geld wäre weitaus besser angelegt,
wenn es in den Ausbau bestehender, erfolgreich funktionierender
Präventionsprojekte fließen würde. Hiermit
könnte auch einer weitaus größeren Anzahl von Menschen
geholfen werden.
Mit uns wird es keine Legalisierung des Cannabiskonsums geben. Cannabis dient
als Einstiegsdroge und führt
zu starken gesundheitlichen Schäden. Das wollen wir
verhindern.
Dr. Margrit Spielmann (SPD):

(B)

Herr Jürgen Trittin, Bundesminister a. D., hat über
eine Jamaika-Koalition einmal gesagt: „Jamaika soll
eine schöne Insel sein, aber grüne Inhalte können Sie da
in der Tüte rauchen.“ Liest man Ihren Antrag, scheinen
die grünen Inhalte tatsächlich nicht mehr wert zu sein als
der Rauch eines Glimmstengels.
In Ihrem Antrag stellen Sie Behauptungen auf, die
schlicht und ergreifend falsch sind. Sie sagen, der Ansatz,
mithilfe des Strafrechts den Konsum von Cannabis zu verhindern, habe
nachweislich keinen Erfolg. Wie kommt es
dann, dass laut der Jahresberichte der deutschen und europäischen
Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht sowie der Sonderauswertungen
der BZgA von
2007 der Cannabiskonsum sinkt? Nur noch 13 Prozent
der 14- bis 17-Jährigen haben 2007 zumindest einmal
Haschisch oder Marihuana probiert. 2004 waren es noch
22 Prozent in dieser Altersgruppe.
Ihrer Auffassung nach verhindern die Illegalisierung
von Cannabis und Kriminalisierung der Konsumenten
und Konsumentinnen eine glaubwürdige Prävention.
Fakt ist, dass in den letzten Jahren eine Reihe von Projekten erfolgreich auf
den Weg gebracht worden ist. Neben
dem Projekt „FreD – Frühintervention bei erstauffälligen
Drogenkonsumenten“ sind das „Realize it“, eine
Kurzintervention bei Cannabismissbrauch, oder auch
„Can Stop“ zur Rückfallprävention, um nur einige zu
nennen. Besonders erfolgreich verlief dabei das Programm „Quit the shit“
der BZgA. Nach drei Monaten
wiesen 30 Prozent der Teilnehmer dieses Programms keinen Konsum mehr auf. Und
die Personen, die weiter kon-

sumieren, haben ihren Konsum weiter reduziert. Diese (C)
Tatsachen sprechen für sich. Von einer unzureichenden
und unglaubwürdigen Prävention kann hier also nicht die
Rede sein.
Natürlich darf man sich hier nicht zufrieden zurücklehnen und es bei dem
bereits Getanen belassen. Besonders Jugendliche, bei denen ein früher
Kontakt mit Cannabis nachweislich ein erhöhtes Risiko für eine
Suchterkrankung im Erwachsenenalter zur Folge hat,
müssen vor den Gefahren geschützt und ausreichend aufgeklärt werden. Das
Verbot von Spice, einer viel genutzten Ausweichdroge für
Cannabiskonsumenten, zielt dabei
in die richtige Richtung. Dagegen hätte Ihr Ansatz zur
Folge, dass die Hemmschwelle zum Konsum der zuvor illegalen Droge weiter
sinkt. Können Sie es verantworten,
vor allem Jugendliche diesem erhöhten Suchtrisiko auszusetzen? Ich in meinem
Verständnis als Gesundheitspolitikerin kann es jedenfalls nicht. Dies
entspricht nicht
meinem Verständnis von Prävention.
Zudem assoziiert eine Freigabe von Cannabis für den
Eigengebrauch, dass es sich hierbei um eine harmlose,
ungefährliche Droge handelt. Dagegen sollte es aber Ziel
der Politik sein, endlich mit dem Spaßdrogenklischee von
Cannabis aufzuräumen. Keine der neueren Studien hat
Cannabis eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Hinzu kommen die
hinlänglich bekannten und bewiesenen Gesundheitsrisiken, die eindeutig gegen
eine
Aufhebung der Strafbarkeit von Cannabis sprechen.
Zum letzten Punkt ist außerdem noch zu sagen, dass
seit dem sogenannten Cannabisbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9.
März 1994 bis zum Besitz einer (D)
bestimmten Menge ohnehin von einer Strafverfolgung abgesehen wird. Die von
Ihnen beschriebene soziale Ausgrenzung durch die angeblich
unverhältnismäßige Kriminalisierung der Cannabiskonsumenten ist damit
hinfällig.
Auch Ihre Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht
kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich hat jeder
Mensch ein Recht, dieses wahrzunehmen. Andererseits
besitzt der Einzelne aber auch ein Recht auf Schutz vor
gesundheitsschädigendem Verhalten. Deshalb haben wir
in der nahen Vergangenheit ja auch so viel für den Nichtraucherschutz getan.
Die Fürsorgepflicht des Staates und
auch Art. 2 des Grundgesetzes, also das Recht jedes Menschen auf Leben und
körperliche Unversehrtheit, stehen
hier dem Selbstbestimmungsrecht entgegen. Zudem ist für
mich ohnehin fraglich, ob ein Drogenabhängiger überhaupt noch mündig und
selbstbestimmt handeln kann.
Besonders interessant finde ich auch Ihren Hinweis,
dass die Kosten der Repression höher seien als die Ausgaben für
Präventionsmaßnahmen. Dass Sie sich dabei
auf Schätzungen des Deutschen Hanfverbandes berufen,
der zwangsläufig ein hohes Interesse an einer Freigabe
von Cannabis hat, ist schlicht und ergreifend absurd. Tatsache ist, dass
über diese komplexen Repressionskosten
selbst der Bundesregierung keine genauen Zahlen vorliegen.
Außerdem stellt sich für mich die Frage, wie Sie sich
die Aufgabe der Prohibition von Cannabis in den völkerrechtlichen Verträgen
vorstellen. Nur zur Erinnerung:

Zu Protokoll gegebene Reden

22230

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag,
den 12. Februar 2009

Dr. Margrit Spielmann

(A) Das Verbot von Cannabis zum Eigengebrauch 1961 und
1988 war ja gerade die Folge des zunehmenden Missbrauchs von Cannabis als
Rauschdroge. Mir ist unverständlich, warum man hier durch eine Freigabe
wieder
einen Schritt zurückgehen soll.
Wie so häufig wird auch in Ihrem Antrag Cannabis mit
Alkohol und Nikotin verglichen, was wohl eine relative
Harmlosigkeit suggerieren soll. Dazu kann ich abschließend nur eines sagen:
Solange Cannabis nicht als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden kann,
gibt
es keine Veranlassung, den bestehenden Gesundheitsrisiken durch Tabak und
Alkohol durch die Freigabe von
Cannabis ein weiteres hinzuzufügen.
Detlef Parr (FDP):

Die Diskussion in Deutschland über die Legalisierung
von Cannabis reißt nicht ab. Immer wieder wird die generelle Legalisierung
von Cannabis gefordert. Auch nicht
neu ist die Forderung der Entkriminalisierung von Cannabis bei Eigengebrauch
– sprich: insofern der Hanf lediglich zum eigenen Gebrauch gezüchtet und
hergestellt
wird und auch die im Besitz befindliche Menge für den Eigenkonsum bestimmt
ist. Diese Forderungen untermauern die in der breiten Öffentlichkeit oft
geäußerte Meinung, der Konsum von Cannabis sei doch unbedenklich,
sofern er mit Augenmaß erfolgt.
Diese Auffassung ist schlichtweg falsch. Experten
warnen eindringlich vor dem Cannabiskonsum, da die
Droge immer giftiger wird und der THC-Gehalt im Laufe
der Jahre durch verschiedene Züchtungen der Droge im(B) mer höher geworden
ist. Dieser hohe THC-Gehalt kann
beispielsweise schnell zu schizophrenen Psychosen führen.
Studien belegen, dass der Konsum von Cannabisprodukten eng mit dem Jugend-
bzw. jungen Erwachsenenalter verknüpft ist. Fast jeder Zweite in der
Altersgruppe
der 18- bis 20-Jährigen hat Erfahrungen mit Cannabis
gesammelt. Die Zahl derjenigen, die exzessiv Cannabis
konsumieren, steigt stetig. Nach internationalen Diagnosestandards weisen 10
bis 15 Prozent aller Konsumenten
einen abhängigen Cannabiskonsum auf. Wir wissen, dass
gerade für Heranwachsende der intensive Konsum von
Cannabis lebenslange Gesundheitsschäden zur Folge haben kann.
Vor diesem besorgniserregenden Hintergrund lehnen
wir als FDP eine Legalisierung von Cannabis ab. Bei einer prinzipiellen
Aufhebung des Verbotes ergeben sich
praktische und auch juristische Fragen, die schwierig zu
klären sind. Wie soll zum Beispiel in der Praxis der Anbau
für den Eigengebrauch abgegrenzt werden gegenüber
dem kommerziellen und somit illegalen Handel?
Auch das gerne angeführte Argument, Cannabis zu legalisieren sei eine
logische Konsequenz, weil ja auch der
Konsum von Tabak und Alkohol gesundheitsgefährdend
ist und diese Produkte legal sind, ist nicht stichhaltig. Wir
wissen, dass bei Dauergebrauch die möglichen Gesundheitsschäden erheblich
sind. Die gesellschaftlichen Folgen sind nicht kalkulierbar. Kinder und
Jugendliche sind
in der heutigen Gesellschaft ohnehin zunehmend Gesund-

heitsrisiken ausgesetzt. Diese sollten also möglichst ge- (C)
ring gehalten werden.
Allerdings hält auch die FDP den Weg, den Gelegenheitskonsumenten zu
entkriminalisieren, für richtig. Für
die Tatsache, dass das gelegentliche Rauchen eines Joints
ein gesellschaftliches Phänomen ist – was auch, wie eingangs erwähnt, die
Zahlen der Studien beweisen –, gilt es,
eine angemessene und verhältnismäßige Lösung zu finden. Dies sollte nicht
repressiv mit „aller Staatsmacht“
erfolgen, sondern praktikabel. Dazu gehört unbedingt
eine bundesweit einheitliche Festlegung auf eine geringfügige Menge, die
straffrei bleibt.
Vor allem in Zeiten, in denen der Cannabiskonsum gerade bei Kindern und
Jugendlichen besorgniserregend
ansteigt, ist eine Intensivierung der Aufklärungs- und
Präventionsarbeit dringend nötig. Über die gesundheitlichen Gefahren, die
entstehen, sobald aus dem gelegentlichen Konsum ein Dauerkonsum wird, und
darüber,
welche Auswirkungen der Konsum bei Kindern und Jugendlichen hat, muss
verstärkt informiert und aufgeklärt
werden. Eine liberale Sucht- und Drogenpolitik setzt aus
diesem Grund stärker auf Prävention als auf Repression.
Das gilt auch für die weiche Droge Cannabis.
Monika Knoche (DIE LINKE):

Wenn neue Drogen in größerem Maßstab Verbreitung
finden, kommt es immer wieder zu Aufwallungen in der
Öffentlichkeit. Rufe nach einem Verbot werden laut. Das
Beispiel „Spice“ hat es gerade erst wieder gezeigt. Aber
auch für die Konsumenten von Cannabis ist die Zeit der (D)
Diskriminierung nicht vorbei. Die Kriminalisierung des
Anbaus von Cannabis und die Praxis des Führerscheinentzugs beim Nachweis des
Wirkstoffs THC sind nur zwei
Beispiele.
Natürlich trägt eine realistische und rationale Betrachtung viel dazu bei,
dass ein aufgeklärterer Blick entsteht. Wenn circa vier Millionen
Bundesbürger schon einmal Cannabis gebraucht haben, dann weist das auf die
prinzipielle Unmöglichkeit hin, ein drogenfreies Leben zu
postulieren und abweichendes Verhalten zu kriminalisieren. Zumindest kann das
so für das allgemeine Bewusstsein gesagt werden. Abgesehen von den
ernstzunehmenden Gefährdungen, die individuell im Konsum von
Cannabis liegen können, zum Beispiel als Auslöser psychischer
Krankheitsbilder, sind gerade auch höchstrichterliche Urteile in Deutschland
ergangen, nach denen
Cannabisgebrauch für medizinische Zwecke nicht mehr
als Straftat betrachtet werden kann. Sogar der Deutsche
Bundestag muss mittlerweile zugestehen – wie sich auf einer Fachanhörung
im Gesundheitsausschuss gerade erst
zeigte –, dass Cannabis als verschreibungsfähige Arznei
zugelassen werden sollte.
Längst ist Cannabis keine kulturfremde Droge mehr.
Ähnlich wie bei Alkohol und Nikotin ist sein Gebrauch relativ üblich.
Dennoch existieren hohe Strafrechtsnormen,
die in keinem Verhältnis stehen zu Allgemeingefährdung
oder Fremdgefährdung respektive Eingriffen in Rechtsgüter anderer, die
durch den Gebrauch entständen. Es
sind nichts weiter als Schikanen, die der Gesetzgeber den

Zu Protokoll gegebene Reden

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin,
Donnerstag, den 12. Februar 2009

22231

Monika Knoche

(A) Cannabiskonsumenten auferlegt, und dazu ist der Bundestag meiner festen
Auffassung nach nicht berechtigt.
Darüber hinaus wird das postulierte Präventionsziel
durch eine Fokussierung auf das Strafrecht erkennbar
nicht erreicht. Höchst zweifelhaft ist darüber hinaus, ob
es dem Gesetzgeber überhaupt zusteht, ein gegebenenfalls selbstschädigendes
Verhalten unter Strafandrohung
zügeln zu wollen.
All diese hier von mir umrissenen Überlegungen sind
alles andere als neu. Seit etwa zehn bis 15 Jahren sind im
Deutschen Bundestag die drogenpolitischen Argumente
ausgetauscht worden und dennoch ist bislang keine Regierung dem Beispiel
anderer Staaten gefolgt. Nicht einmal der Eigenanbau und der Besitz zum
Eigenverbrauch
sind aus dem Kriminalitätskatalog gestrichen worden.
Das sage ich ausdrücklich zu den Antragstellern. Die
Grünen haben während ihrer relativ langen Regierungszeit von sieben Jahren
nichts, aber auch gar nichts getan,
um eine Entkriminalisierung voranzutreiben. Ich war damals drogenpolitische
Sprecherin der Grünen im Bundestag und kann bezeugen: In der
Regierungsverantwortung
sind die Grünen kleinbürgerlich, kleinlaut und hasenfüßig gewesen. Jetzt
in der Opposition ist es für sie wieder
attraktiv, sich als dynamische, unangepasste Szene- und
Klientelpartei darzustellen. Ich unterstelle ihnen Lauterkeit in ihrem
Antragsbegehren und halte nahezu alle Forderungen für richtig. Dennoch
möchte ich sagen: Keine
ihrer früheren Ministerinnen, auch nicht Frau Künast als
Verbraucherministerin, hat eine Initiative ergriffen, um
die Voraussetzungen im Betäubungsmittelgesetz zu schaffen und eine
Entkriminalisierung durchzusetzen. Wie viel
(B)
Glaubwürdigkeit soll ich also dieser Initiative heute beimessen?
Ich sehe die Notwendigkeit, dass das völkerrechtliche
Verträgekorsett gelockert wird. In Ihrem Antrag wird dieser ganz wesentliche
Rechtsrahmen benannt. Ohne eine
Aufhebung des Konzeptes des internationalen „war on
drugs“ kann es keine echten Legalisierungen geben. Das
ist in der Sache vollkommen richtig. Zumindest aber sind
Regelungen wie in den Niederlanden realisierbar.
Für die Linke stelle ich fest: Die Kriminalisierung des
Drogenkonsums ist nicht zu rechtfertigen. Präventionspolitisch ist die
Kriminalisierung ein gescheiterter Weg.
Wissenschaftlich belegt ist die medizinische Nutzung und
therapeutische Wirkung von Cannabisprodukten. Das
Gesundheitsministerium verhindert einen rationalen,
aufgeklärten und gesundheitspolitisch sinnvollen Umgang mit Cannabis.
Konsumenten illegaler Drogen werden gegenüber Konsumenten legaler Drogen
diskriminiert. Die Prohibition widerspricht dem Konzept
mündiger Bürger und ihrer Selbstbestimmungsrechte und
zeichnet darüber hinaus ein Kriminalitätsbild in der Bevölkerung, das der
Realität nicht entspricht. Die völkerrechtliche Ächtung von Cannabis ist
ein weltweit gescheiterter Weg und hält die Drogenmafia am Leben.
Meiner Auffassung nach ist es allein der politische
Wille, der fehlt, um endlich Vernunft in die Drogenfragen
einkehren zu lassen. Deshalb halte ich den vorliegenden
Antrag für einen wichtigen Beitrag, parlamentarisch endlich Mehrheiten zu
finden. Für nicht erforderlich aller-

dings halte ich den Vorschlag, ein Modellprojekt aufzule- (C)
gen, wie es im Antrag dargestellt wird. Bei der
Heroinsubstitution war das der richtige Weg. Beim Konsum aus Genussgründen
– und dieses Recht hat eine jede
und ein jeder – sehe ich für eine wissenschaftliche Studie
keinen rechten Anlass. Präventionspolitischen Wissensgewinn kann ich im
Moment nicht erkennen. Aber vielleicht werden wir in den weiteren Beratungen
des Antrags
mehr dazu hören können.
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es geht hier und heute nicht nur ganz allgemein um die
Entkriminalisierung von Cannabis. Es geht auch darum,
ob vor allem Union und SPD endlich bereit sind, die
Realitäten wahrzunehmen. Cannabis ist keine Modedroge. Cannabis ist längst
eine Alltagsdroge wie Alkohol
oder Tabak. Es eignet sich nicht, um daran einen ewig
währenden Kulturkampf zu zelebrieren.
Cannabis ist Ausdruck für eine verfehlte Drogenpolitik, die noch immer
vorrangig auf Repression setzt und
bei der die Prävention nicht Hauptsache, sondern nur
Beiwerk ist. Cannabis ist zu einem Symbol geworden für
eine Drogenpolitik, die an einer Ideologie, aber nicht an
der Lebensrealität der Menschen orientiert ist. Es ist an
der Zeit, die Glaubwürdigkeit und vor allem die Wirksamkeit dieser
Drogenpolitik und ihrer Instrumente kritisch
zu hinterfragen.
Die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens gilt in
der Rechtsordnung immer als Ultima Ratio: Ein bestimmtes Verhalten wird von
der Gesellschaft als so sozialschädlich angesehen, dass es nicht nur
verboten ist, son- (D)
dern dass auch jeder Verstoß durch eine individuelle
Bestrafung des Handelnden geahndet werden muss. In
vielen Fällen macht dies Sinn. Aber auch beim Eigengebrauch von Cannabis?
Der Schutz der Gesellschaft, insbesondere der Rechtsgüter Dritter, kann ein
solches Verbot nicht rechtfertigen. Der Eigengebrauch an sich
schädigt keine Dritten. Auch die allgemeine Sicherheit
wird dadurch nicht gefährdet. Im Gegenteil könnte insbesondere die
Legalisierung des Eigenanbaus dazu beitragen, den Schwarzmarkt auszutrocknen.
Man kann das
sehr anschaulich an den Erfahrungen der USA nach Aufhebung der Prohibition
beobachten. Zudem wissen wir
aus der Suchtforschung, dass der Umstieg von Cannabis
auf härtere Drogen nicht durch den Stoff selbst bedingt
ist, sondern durch den Kontakt mit der Drogenszene auf
dem Schwarzmarkt. Auch Gesundheitsgefahren durch mit
Blei oder Glas verunreinigten Cannabis – wie er vermehrt auch in
Deutschland auftaucht – könnte so wirksam begegnet werden.
Gesamtgesellschaftlich betrachtet
wäre eine Legalisierung des Eigenanbaus also eher dazu
geeignet, Rechtsgüter zu schützen als diese zu gefährden.
Keine Droge ist harmlos. Auch Cannabis kann bei intensivem Gebrauch zu einer
psychischen Abhängigkeit
führen. Bei bestimmten Konsumentinnen und Konsumenten besteht auch die
Gefahr der Auslösung von Psychosen. Zudem führt das Cannabisrauchen zu
ähnlichen gesundheitlichen Schädigungen wie der Tabakkonsum.
Cannabis sollte allerdings auch nicht einfach mit anderen illegalen Drogen
auf eine Stufe gestellt werden.

Zu Protokoll gegebene Reden

22232

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag,
den 12. Februar 2009

Dr. Harald Terpe

(A) Das Suchtpotenzial von Cannabis ist bedeutend geringer,
als früher angenommen, und beispielsweise nur halb so
hoch wie das von Alkohol. Menschen mit Alkoholproblemen landen 13-mal so
häufig in stationärer Therapie wie
Cannabiskonsumenten. Weltweit starben 2007 rund
2,5 Millionen Menschen am Konsum von Alkohol. Und
der in den letzten zehn Jahren angeblich dramatisch angestiegene THC-Gehalt
von Cannabis ist ein Märchen.
Er lässt sich weder mit den Zahlen des Bundeskriminalamtes noch der
Europäischen Union belegen. Es gehört
für mich auch zur Glaubwürdigkeit einer Drogen- und
Suchtpolitik, dass man gesetzliche Regelungen an realen
Gesundheitsgefahren orientiert.
Kann aber vielleicht die Strafbarkeit dazu beitragen,
dem Täter sein gesundheitsschädliches Verhalten vor Augen zu halten und so
eine Verhaltensänderung herbeizuführen? Eine Befragung des Münchner
Instituts für Therapieforschung hat ergeben, dass nur rund 0,4 Prozent
der ehemaligen Cannabiskonsumenten ihren Konsum wegen eines Strafverfahrens
aufgegeben haben. Das ist für
die Wirksamkeit einer Präventionsmaßnahme, ehrlich gesagt, ein
vernichtendes Urteil. Der Staat könnte das Geld,
das Polizei und Justiz in die Strafverfolgung investieren,
woanders besser einsetzen, zum Beispiel in wirksame
Prävention durch Aufklärung über Konsumrisiken oder
Frühintervention bei Konsumenten mit riskantem Gebrauch.
Eine solche Prävention ist aber nur bei einer Entkriminalisierung des
Eigengebrauchs möglich – übrigens
auch nach Einschätzung der Deutschen Hauptstelle für
(B) Suchtfragen und der Drogen- und Suchtkommission des
Bundesgesundheitsministeriums aus dem Jahr 2002. Der
bloße Hinweis auf die Strafbarkeit mit der Forderung
nach Abstinenz hat, wie die letzten Jahrzehnte zeigen, bislang kaum Wirkung
gehabt. Im Gegenteil: Länder mit
einem strengen Cannabisverbot haben viel größere Probleme mit anderen,
halblegalen Drogen, auf die Jugendliche gegebenenfalls ausweichen, die aber
mitunter viel
größere Risiken für die Gesundheit bergen. Ich erinnere
nur an die jüngsten Erfahrungen mit Spice.
Die letzte verbleibende Rechtfertigung, die es also
noch für ein Verbot geben könnte, wäre, dass dies andere
Menschen davor abschreckt, selbst Cannabis zu konsumieren. Aber auch dies
trifft nicht zu. Die Zahl der Konsumenten liegt hierzulande seit Jahren
konstant bei 2 bis
4 Millionen Menschen. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung ist das
prozentual mindestens genauso viel wie
in den Niederlanden. Und nur 2,8 Prozent der ehemaligen Cannabiskonsumenten
geben an, dass sie aus Angst
vor Bestrafung ihren Konsum aufgegeben hätten.
Sie sehen also: alle Gründe, die eine Kriminalisierung
des Eigengebrauchs von Cannabis rechtfertigen könnten,
laufen ins Leere. Mitunter wirkt das Strafrecht sogar kontraproduktiv. Wir
fordern die Bundesregierung und die
Koalitionsfraktionen deshalb auf: Stellen Sie endlich eine
glaubwürdige und wirksame Prävention in den Mittelpunkt ihrer
Drogenpolitik! Lösen Sie sich von Ihren alten
Klischeevorstellungen! Heben Sie die Strafbarkeit des Eigengebrauchs von
Cannabis auf! Entwickeln Sie ein umfassendes nationales Aktionsprogramm zur
Cannabis-

prävention, zur Verbesserung der Therapie und zur (C)
Schadensminderung, und setzen Sie sich auch auf internationaler Ebene dafür
ein, in diesem Bereich das Prohibitionsdogma durch eine rationale
Gesundheitsprävention zu ersetzen. Ziel einer glaubwürdigen und wirksamen
Prävention muss die Verhinderung des frühen Einstiegs
in den Cannabiskonsum und die bessere und frühere Erreichbarkeit von
Menschen mit riskanten Konsummustern sein, nicht ihre Kriminalisierung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11762 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. – Ich sehe, Sie sind
damit einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Auszug aus dem Plenarprotokoll 17/136 des Deutscher Bundestag,
Stenografischer Bericht der 136. Sitzung in Berlin, am Donnerstag, den 27.
Oktober 2011

Tagesordnungspunkt 28:
Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Jan Korte, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Legalisierung von Cannabis durch
Einführung von Cannabis-Clubs
(Drucksache 17/7196)

Karin Maag (CDU/CSU)

Angelika Graf (Rosenheim) (SPD)

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP)

Frank Tempel (DIE LINKE)

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)


Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina
Bunge, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs
– Drucksache 17/7196 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll
genommen. Die Namen der Kolleginnen und Kollegen sind dem Präsidium bekannt.
Karin Maag (CDU/CSU):
Der Antrag ist bereits in der Darstellung des Sachverhalts falsch. Der
Konsum illegaler Drogen ist weder eine Alltagserscheinung, noch wird er es
jemals sein.
Tatsächlich lag der Anteil der Personen mit Cannabisabhängigkeit unter den
18- bis 59-Jährigen bei 1,3 Prozent im Jahr 2009. 4,8 Prozent der Bevölkerung
zwischen 18 und 64 Jahren geben an, in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis
konsumiert zu haben. Von einer „Alltagserscheinung“ zu sprechen, ist bereits
bar jeder Realität.
Sie wollen angeblich eine progressive Drogenpolitik. Der Vorschlag zur
Legalisierung des Besitzes von Cannabis und zur Legalisierung des Anbaus,
insbesondere für Dritte, ist keine progressive Drogenpolitik, sondern führt
zu gesetzlich zugelassenen Drogendealern.
Eine sinnvolle Suchtpolitik stellt den Menschen in den Mittelpunkt, mit
seinen spezifischen, meist suchtstoffübergreifenden Problemen. Es geht um die
Fragen der Entstehung von Sucht, der meist ein komplexes Geflecht aus
Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen, Störungen im emotionalen
Gleichgewicht oder Misshandlung zugrunde liegt.
Wir stellen mit unserem Verständnis von Drogen und Suchtpolitik deshalb
Prävention, Therapie, Hilfe zum Ausstieg und die Bekämpfung der
Drogenkriminalität in den Mittelpunkt. Unser christliches Menschenbild geht
vor allem vom freien, unabhängigen Menschen aus. Denn wer abhängig ist, kann
nicht frei über sein Leben entscheiden. Genau deshalb stehen wir zuerst für
Prävention und im zweiten Schritt für Hilfe zum Ausstieg. Staatliche
Strafverfolgung ist und bleibt notwendig, um den Schutz der Gesundheit
Dritter, aber vor allem auch von Kindern und Jugendlichen zu sichern.
Der Bund fördert mit diesem Verständnis von Sucht zahlreiche Initiativen
und Projekte, die sich insbesondere an jugendliche Konsumenten wenden. Ich
verweise hier zum Beispiel auf das Internetangebot der BZgA „drugcom.de“.
Wir wollen die Menschen mit riskantem Cannabiskonsum so früh wie möglich
mit unterschiedlichsten Angeboten erreichen, um so den Ausstieg zu
ermöglichen oder zumindest den Konsum reduzieren. Das ist für mich der
richtige Weg.
Konkret zu Ihrem Antrag stelle ich fest:
Illegale Drogen wie Cannabis stellen nachgewiesenermaßen und entgegen Ihrer
Darstellung für die Gesundheit der Menschen eine erhebliche Gefahr dar.
Während in anderen europäischen Staaten, allen voran den Niederlanden, der
Konsum von Cannabis, Haschisch, Marihuana, immer weiter eingeschränkt wird,
wollen Sie mit Ihrem Antrag „Cannabis-Clubs“ in Deutschland künftig erlauben.
Damit befinden Sie sich auf einer drogenpolitischen Geisterfahrt!
Wir reden heute konkret von 600 000 Personen, die Cannabismissbrauch
betreiben oder von Cannabis abhängig sind. Es ist uns deshalb ein wichtiges
Anliegen, den Missbrauch von Cannabis zu verhindern; denn Cannabis ist eine
berauschende Substanz, deren Konsum gesundheitsgefährdend ist.
Nicht zuletzt gehen wir sehr differenziert vor: Mit der Fünfundzwanzigsten
Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften haben wir
neben anderen wichtigen Regelungen zur Verbesserung der
betäubungsmittelrechtlichen Rahmenbedingungen auf dem Gebiet der
Palliativmedizin auch die betäubungsmittelrechtlichen Voraussetzungen für die
Zulassungs- und Verschreibungsfähigkeit cannabishaltiger Fertigarzneimittel
geschaffen. Eine allgemeine Legalisierung des Cannabiskonsums lehnen wir ab.
Die von mehr als 180 Staaten unterzeichneten Suchtstoffkonventionen der
Vereinten Nationen verpflichten die Bundesrepublik Deutschland überdies, die
Verwendung von Cannabis und anderen Suchtstoffen auf ausschließlich
medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken sowie den Besitz,
Kauf und Anbau für den persönlichen Verbrauch mit Strafe zu bewehren. Deshalb
ist in Deutschland wie auch in anderen europäischen Staaten, die allesamt
Vertragsstaaten der Suchtstoffkonventionen sind, der Verkehr mit Cannabis – 
dazu zählen insbesondere Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Abgabe,
Veräußerung, Erwerb und Besitz von Pflanzen oder Pflanzenteilen – nach dem
BtMG grundsätzlich strafbar. Hiervon umfasst ist auch der „Eigen-“ Anbau.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits früh in seiner bekannten
„Cannabis-Entscheidung“ vom 9. März 1994 die Verfassungsmäßigkeit der
gesetzlichen Cannabisverbote anerkannt. Mit seinen Beschlüssen vom 29. Juni
2004 und 30. Juni 2005 hat das Bundesverfassungsgericht seine früheren
Entscheidungen zur Strafbarkeit in aller Deutlichkeit bestätigt und unsere
Haltung ausdrücklich gestärkt.
Das Gericht hat lediglich die Strafverfolgungsorgane aufgefordert, von der
Verfolgung der in § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes – einer damals noch
sehr jungen Vorschrift – bezeichneten Straftaten unter den dort genannten
Voraussetzungen nach dem Übermaßverbot abzusehen bzw. die Strafverfahren
einzustellen. Die Länder wurden aufgefordert, für eine einheitliche
Einstellungspraxis bei Strafverfahren wegen Cannabisbesitz, zum Beispiel
hinsichtlich der „geringen Menge“, zu sorgen. Dieser Verpflichtung sind die
Länder im Wesentlichen nachgekommen. In der Regel fand eine Verurteilung
wegen des Besitzes kleiner Mengen Cannabis – bis zu 6 Gramm – unter den
übrigen Voraussetzungen nicht statt.
Wenn Sie überdies die Gewerkschaft der Polizei zu Kronzeugen Ihrer
Forderung machen wollen, mit dem Hinweis, dass man auch dort zu neuen Wegen
in der Drogenpolitik rät, ist dies vorsichtig ausgedrückt unredlich. Denn
dort wird betont, dass es eben gerade nicht um die Freigabe illegaler Drogen
gehe, sondern um die effektive Nutzung polizeilicher Ressourcen in der
Polizeiarbeit.
Bezüglich des Anbaus, Handels und Besitzes von Cannabis ist die Rechtslage
unverändert. Dies ist auch richtig! Denn die grundsätzliche Strafbarkeit
beruht auf der Gefahr der Weitergabe an Dritte und dem Ziel des
Gesundheitsschutzes des Einzelnen und der Bevölkerung. Auch neuere Studien
haben Cannabis nicht als unbedenklich bewertet; vielmehr wird auf eine Reihe
akuter und langfristiger Risiken des Cannabiskonsums hingewiesen. Die
Gefährlichkeit des Cannabiskonsums wird in den letzten Jahren sogar eher
höher eingeschätzt als früher, zumal eine stetige Steigerung des THC-Gehalts
bei Cannabisprodukten zu beobachten ist. Die Gesundheitsgefahren des
Cannabismissbrauchs gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sind
medizinisch erwiesen. Ich bin auch dankbar, dass sich in jüngster Zeit
grundsätzlich ein Rückgang im Konsum und in der Verbreitung von Cannabis
zeigt. Dies zeigt doch vor allem, dass unsere zahlreichen Initiativen und
Projekte Wirkung zeigen. Dies gilt es fortzusetzen. Dafür stehen dem Bund im
Jahr 2012 rund 12,6 Millionen Euro und insbesondere rund 7 Millionen Euro für
Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung.
Abschließend bleibt festzuhalten:
Mit dem Willen unserer Fraktion werden auch künftig der Handel und die
Verwendung von Cannabis zu Rauschzwecken verboten bleiben. Durch die
präventive Wirkung der Strafdrohung soll die Verfügbarkeit und Verbreitung
der Substanz weiterhin eingeschränkt bleiben.
Wir werden kein „Modellprojekt“ unterstützen, das die Grenzen zur
Illegalität weit überschreitet. Insbesondere lehne ich alle Maßnahmen mit dem
Potenzial zur unmittelbaren und aktiven Förderung des Konsums von Drogen ab.
Ein „Cannabis-Club“ könnte von Jugendlichen als Aufmunterung zum Drogenkonsum
verstanden werden. Ebenso suggeriert ein solcher Club eine vermeintliche
Sicherheit. Bei den Jugendlichen kann somit der falsche Eindruck entstehen,
dass es sich bei Cannabis um ein „unbedenkliches“ Produkt handelt.
Für eine wirksame Drogenprävention werden mit einem solchen Club
kontraproduktive Botschaften transportiert. Angesichts der nachgewiesenen
gesundheitlichen Folgen und Nebenwirkungen von Drogenkonsum ist die
Legalisierung von Cannabiskonsum und -besitz der deutlich falsche Weg. Der
effektivste Schutz vor illegalen Substanzen besteht vielmehr darin, den
Konsum dieser Substanzen konsequent zu unterlassen. Das erfordert unsere
Anstrengungen in der Prävention und vor allem auch dahin gehend, die
Lebensbedingungen für junge Menschen in Deutschland so zu gestalten, dass
eine Flucht aus der Realität in die Sucht erst gar nicht als Ausweg in
Betracht gezogen wird. Genau in diesem Bereich ist die christlich-liberale
Koalition mit ihren Anstrengungen zum Beispiel für Arbeitsplatzsicherheit und
daraus resultierend zum Beispiel einer der besten Quoten für
Jugendarbeitslosigkeit in Europa auf dem richtigen Weg.
Die Bundesregierung wird überdies in Kürze die Nationale Strategie zur
Drogen- und Suchtpolitik vorstellen.
Angelika Graf (Rosenheim) (SPD):
Die Situation im Zusammenhang mit dem Cannabisgebrauch in Deutschland ist
immer noch besorgniserregend. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht Cannabis nicht
als harmlose Droge an. Der Cannabiskonsum bei jungen Menschen ist zwar leicht
rückläufig, doch immer noch auf einem relativ hohen Niveau.
Der Wert für die jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die
mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert haben, lag im Jahre 2010 immer
noch bei 35 Prozent. Das zeigt der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der
Bundesregierung.
Junge Männer kommen auf Werte von 41 Prozent, junge Frauen auf 28,8
Prozent. Und sogar 12- bis 15-Jährige haben bereits eine nennenswerte
Konsumerfahrung. Man sieht an den Zahlen, dass gerade junge Menschen mit der
sogenannten weichen Droge Cannabis Erfahrungen machen. Daher müssen wir hier
ganz genau hinschauen.
Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, sowohl den strafrechtlich
relevanten Wert für den Eigengebrauch stark zu erhöhen, als auch
Cannabis-Clubs einzuführen. Wir sollten dies vor dem Hintergrund ihres
Parteitagsbeschlusses am vergangenen Wochenende, sämtliche Drogen, sowohl
weiche als auch harte, zu legalisieren, betrachten.
Wegen der hohen Suchtgefahr, die harte Drogen mit sich bringen, halte ich
es für gefährlich, die Verfügbarkeit dieser Drogen erleichtern zu wollen. Es
steht für mich außer Frage, dass eine Legalisierung eine deutliche Ausweitung
der Zahl der Erstkonsumenten und damit der Süchtigen zur Folge hätte. Auch
diejenigen, die einen Gang zum Dealer scheuen oder gar keinen kennen, könnten
problemlos harte Drogen erhalten.
Wer den Weg der Legalisierung harter Drogen gehen will, muss die
Konsequenzen bedenken. Wenn harte Drogen auf eine Ebene mit Alkohol und Tabak
gehoben werden sollen, warum sollen dann Crystal, Heroin, Kokain und Ecstasy
nicht offiziell in Clubs oder Kneipen oder am Kiosk erhältlich sein? Wer
legalisieren will, kann nicht nur ein „bisschen“ legalisieren. Sollen
Cannabis-Clubs ein erster Schritt für diese Komplettlegalisierung nach dem
Wunsch der Linksfraktion sein? Welchen Geist atmet dieser Antrag, frage ich
mich angesichts der jüngsten Beschlüsse dieser Partei? Wo werden Grenzen
gezogen? Eine Grenze, die des Eigenbedarfs, soll schon in Ihrem Antrag
ordentlich angehoben werden. Die eigentlich „geringe Menge“ soll in Ihrem
Antrag jetzt schon auf 30 Gramm angehoben werden – ein Wert, der damit
sämtliche Eigenbedarfsgrenzen in den Ländern kräftig übertrifft.
Die Alternative zur Legalisierung von harten Drogen ist die
Entkriminalisierung der Süchtigen. Diese müssen wir insbesondere bei der
weichen Droge Cannabis in der Tat vorantreiben. Entkriminalisierung ist aber
etwas anderes als Legalisierung. Ich fordere die Linksfraktion auf, den
heutigen Antrag zum Anlass zu nehmen, auch Grenzen zu definieren und nicht
allein dem Pseudotrend und Wettbewerb hinterherzurennen, die
„spaßfreundlichste“ Partei zu sein - zumal die gesundheitlichen Folgen von
Drogensucht alles andere als spaßig sind. An der FDP können Sie sehen, wie
schief das mit dem Spaß gehen kann, wenn es zur realen Politik kommt. Die
Reputation der gesamten Politik gerät dabei leider auch immer in Gefahr.
Ausgehend von der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis
befürworte ich deshalb eine einheitliche Regelung zur Festlegung der
Kriterien für die Einstellungspraxis nach § 31 a BtMG. Ich möchte betonen,
dass die damalige SPD-geführte Bundesregierung als Reaktion auf die
sogenannte Haschisch-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994 bei
den zuständigen Landesjustizministerien insbesondere die Festlegung einer
„geringen Menge“ für den Eigenkonsum anregte. Auf diese Regelung beziehen Sie
sich in Ihrem Antrag. Vor allem die starre Haltung der unionsgeführten
Bundesländer, die bis heute leider immer noch eine destruktive Rolle bei
einer Vereinheitlichung der „Geringe-Mengen-Regelung“ spielen, führt dazu,
dass wir immer wieder unterschiedliche Gerichtsurteile in den einzelnen
Gerichtsbezirken zur Kenntnis nehmen müssen. Nichtsdestotrotz gibt es heute
in Deutschland zur Verfahrenseinstellung nach § 31 a BtMG eine im
Wesentlichen einheitliche strafrechtliche Praxis und Rechtsprechung inklusive
einer Festlegung für eine „geringe Menge“ für den Eigenkonsum in den Ländern.
Ohne den Anstoß der damaligen SPD-geführten Bundesregierung würden wir noch
heute darauf warten. Und mit Anträgen, die die Cannabislobby offenbar für die
Linksfraktion schreibt, werden wir weiter auf bundeseinheitliche Regelungen
warten, da die schwarz-gelbe Regierungskoalition diese Thematik fürchtet wie
der Teufel das Weihwasser.
Wissenschaftlich nachvollziehbare THC-Grenzwerte für den Straßenverkehr
sind absolut wünschenswert. Eine grundsätzlich unterschiedliche Behandlung
zwischen Cannabiskonsumenten und Alkoholkonsumenten ist im Grunde nicht
hinzunehmen. Auch die SPD-Bundestagsfraktion will helfen, Parameter zu
entwickeln, mit deren Hilfe zuverlässige Rückschlüsse auf die Fahrtüchtigkeit
von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr gezogen werden können.
In der Antwort der Bundesregierung vom 26. Januar 2011 auf meine Anfrage
wird bezüglich dieser Frage festgestellt, dass die gesetzliche Einführung
eines THC-Grenzwertes für den Straßenverkehr analog zu Alkohol auf absehbare
Zeit nicht möglich sei, weil immer noch unter anderem die
„Dosis-Konzentrations-Wirkungsbeziehungen weitgehend unbekannt sind“, so die
Bundesregierung. Bei Drogen wie Cannabis handele es sich um eine Vielzahl von
Mitteln und Substanzen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die
Fahrleistungen. Diese Auswirkungen würden von einer Vielzahl von Faktoren,
wie zum Beispiel Konsumgewohnheiten und Konsumform, beeinflusst und hingen
nicht allein von der festgestellten Substanzmenge im Körper ab. Wir müssen
daher immer noch auf wissenschaftlich valide Parameter warten, die für die
Polizeibehörden auch im Alltag praktikabel umsetzbar sind. Daher ist die
Forderung in Ihrem Antrag, eine Höchstgrenze für den THC-Gehalt im Blut für
den Straßenverkehr einzufordern, unrealistisch und erscheint mir schlichtweg
zu einfach.
Es gibt, wie gesagt, gute Gründe für eine Entkriminalisierung von Cannabis.
Doch zu einem erhöhten Schutz im Straßenverkehr und zu einer Abnahme des
Konsums insgesamt würden Ihre vorgeschlagenen Maßnahmen sicherlich kaum
beitragen. Die SPD-Bundestagsfraktion ist weiterhin dafür, die Problematik
sowohl beim Cannabis-Eigengebrauch als auch bezüglich der Abgabe von Cannabis
sorgfältig abzuwägen. Schnellschüsse und ungeprüfte Vorschläge ins Blaue
hinein wie die im vorliegenden Antrag der Linksfraktion oder in Ihrem
Parteitagsbeschluss zur Legalisierung aller Drogen – ob hart oder weich -
sind leider dabei nicht hilfreich.
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):
Die Legalisierung von Cannabis ist ein drogenpolitischer Dauerbrenner, der
in regelmäßigen Abständen immer wieder auf der Tagesordnung erscheint. Auch
die FDP-Bundestagsfraktion hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Nach
Abwägung aller Argumente sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir eine
grundsätzliche Legalisierung von Cannabis ablehnen.
Was wir befürworten und mittlerweile auch umgesetzt haben, ist die Freigabe
von Cannabis als Arzneimittel. Das ist richtig und wichtig und hilft
insbesondere Schmerzpatienten.
Eine Freigabe von Cannabis als Konsumgut lehnen wir jedoch ab. Denn die in
der Öffentlichkeit oft geäußerte völlige Unbedenklichkeit des Hanfkonsums
entspricht nicht den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Experten
warnen insbesondere, dass Cannabis immer stärker und immer giftiger wird. Der
THC-Gehalt ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen. Beispielsweise weisen
Experten auf die Gefahr von schizophrenen Psychosen hin.
Allerdings halte ich den Weg, den Gelegenheitskonsumenten zu
entkriminalisieren, für richtig. Meiner Meinung nach muss angemessen und
verhältnismäßig auf die Tatsache reagiert werden, dass das gelegentliche
Rauchen eines Joints ein gesellschaftliches Phänomen ist. Das muss nicht
repressiv und mit aller Staatsmacht angegangen werden. Hier sollte nach
praktikablen Lösungen gesucht werden, die auch die Behörden und Gerichte so
wenig wie möglich belasten. Die derzeitige Rechtslage hinsichtlich der
Strafverfolgung bei Eigenbedarfsmengen bietet hierfür einen ausreichenden
Rahmen.
Interessant ist aber, wie die Linke mit dem Thema Drogenpolitik
grundsätzlich umgeht. In ihrem ersten Parteiprogramm setzt sich die Linke für
die Legalisierung aller Drogen ein – egal, ob harte oder weiche. Auch Ihr
Versuch, den Beschluss ein wenig zu relativieren, kann über Ihre
drogenpolitische Irrfahrt nicht hinwegtäuschen.
Denn es ist bemerkenswert, dass Ihre Argumentation nicht schlüssig ist. In
Ihrem Antrag zum Thema „Legalisierung von Cannabis durch Einführung von
Cannabis-Clubs“ behaupten Sie: „Cannabis durch ein Verbot gesetzlich auf eine
Ebene mit harten Drogen wie Heroin zu stellen, wird seinem
Gefährdungspotenzial nicht gerecht.“ Sie wollen also eine Klassifizierung in
harte und weiche Drogen. Sie erkennen also an, dass es sehr wohl einen
Unterscheid zwischen Cannabis und Heroin gibt, ganz besonders hinsichtlich
des offenkundigen Gefährdungspotenzials.
In Ihrem Parlamentsantrag ist dies noch einigermaßen nachvollziehbar
hergeleitet. In Ihrem neuen Programm heißt es dann jedoch: „Die
Unterscheidung in legale und illegalisierte Substanzen ist willkürlich.“
Fest steht aber: Es ist absolut gerechtfertigt, dass Suchtmittel oder
Produkte mit Suchtpotenzial unterschiedlich bewertet, klassifiziert und
entsprechend als legal oder illegal eingestuft werden. Und die tatsächliche
Unterscheidung ist alles andere als willkürlich.
Cannabis bewerte ich als Einstiegsdroge. Denn es gibt Studien, die
nachweisen, dass der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, THC, der in Cannabis
enthalten ist, das Gehirn viel anfälliger für Opiate macht. Der Weg zum
Heroin ist dann leider oft sehr kurz.
Sicherlich, der übermäßige Konsum legaler Produkte mit Suchtpotenzial wie
alkoholhaltige Getränke ist auch schädlich. Doch die überwiegende Mehrheit
der Menschen genießt Bier, Wein etc. in verantwortungsvoller Weise und ohne
abhängig zu werden. Deshalb sind diese Produkte auch legal.
Bei den nach aktueller Rechtslage illegalen Substanzen kann aber nicht
davon ausgegangen werden, dass deren Konsum dauerhaft verantwortungsvoll und
unschädlich bleibt. Der Zeitraum vom ersten Gebrauch bis zur Abhängigkeit ist
bei illegalen Stoffen um ein Viel-faches kürzer als beispielsweise bei
alkoholhaltigen Getränken.
Cannabiskonsum bewirkt eine deutliche chemische Veränderung des
Belohnungssystems im Gehirn. THC-Konsum hinterlässt Spuren. Das
Belohnungssystem braucht wegen seiner veränderten Chemie deutlich mehr
Drogen, bis es einen Zustand von Zufriedenheit vermitteln kann. Das ist die
Suchtspirale, die zu immer kürzeren Konsumintervallen und immer stärkeren
Dosierungen führt. Das wollen wir nicht legalisieren.
Deshalb halte ich die Unterscheidung in legale und illegale Substanzen für
gerechtfertigt, und deshalb halte ich es für richtig, dass Cannabis nicht
legalisiert wird.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat eine klare Linie und wird den vorliegenden
Antrag ablehnen.
Frank Tempel (DIE LINKE):
Mit dem Antrag zur Einführung von Cannabis-Clubs möchten wir als LINKE dazu
beitragen, dass die Kriminalisierung des Cannabiskonsums beendet wird. Zwar
ist der Konsum nicht verboten, die Beschaffung und der Besitz hingegen schon.
Als Kriminaloberkommissar habe ich selbst in der Drogen-Strafverfolgung
gearbeitet und ich bin zu dem Ergebniss gekommen, dass die bisherige Praxis
der Strafverfolgung den Konsum von Cannabis nicht verringert, dafür aber die
Konsumierenden kriminalisiert.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Beantwortung von Kleinen Anfragen zu
diesem Thema immer wieder darauf hin, dass die aktuelle Verbotspraxis dem
Gesundheitsschutz der Bevölkerung dienen soll. Ich bin hingegen zur
Einschätzung gekommen, dass die aktuelle Verbotspraxis einen funktionierenden
Gesundheitsschutz verhindert.
Während der Verbraucherschutz dafür Sorge trägt, dass in einer Flasche Bier
auch nur das enthalten ist, was auf dem Etikett steht, werden 4 Millionen
Cannabiskonsumenten – von denen nur ein relativ kleiner Teil ein
problematisches Konsumverhalten aufweist – der Gefahr ausgesetzt, durch
Streckmittel schwere gesundheitliche Folgen zu erleiden. Das Wort
Streckmittel klingt erst einmal harmlos, ich möchte ihnen daher aufzählen,
was bisher in Cannabis an Streckmitteln gefunden wurde: Brix – eine Mischung
aus Zucker, Hormonen und flüssigem Kunststoff –, Sand, Talkum, Zucker,
Haarspray, Glas, Gewürze, Blei, Phospor/Kaliumdünger sowie Schimmel.
Wahrscheinlich gibt es noch andere Arten von Streckungen, aber das sind
diejenigen, die vom Deutschen Hanfverband, DHV, dokumentiert wurden. Nach
Informationen des DHV haben sich seit Mai 2009 fast 3 000 Konsumierende an
den DHV gewendet, nachdem diese Streckmittel in Cannabis festgestellt hatten.
Von Streckmitteln geht eine erheblich größere Gefahr für die Gesundheit der
Konsumierenden aus als vom Cannabiskonsum an sich. So müssen Betroffene einer
Bleivergiftung teilweise noch jahrelang Medikamente zu sich nehmen, um das
Blei, das sich in den Knochen festsetzt hat, abzubauen.
Wir müssen uns an dieser Stelle nichts vormachen: Durch die bestehende
Illegalität helfen wir dem Dealern, riesige Gewinnen zu erzielen. Unter
diesen gibt es natürlich auch Fälle, in denen versucht wird, mit der
Beimischung von anderen Substanzen das Gewicht und damit den Preis der Ware
zu manipulieren. Eine Legalisierung nach unserem Modell würde denen aber die
komplette Handelsgrundlage entziehen.
1994 war der strafrechtliche Umgang mit Cannabisprodukten Gegenstand eines
Vorlagebeschlusses des Landgerichts Lübeck. Dort wurde die Strafverfolgung
bei Besitz von geringen Mengen Cannabis als Eigenverbrauch als
unverhältnismäßig beurteilt. Die Folge daraus war leider ein Flickenteppich
von 16 verschiedenen gesetzlichen Regelungen in Deutschland, was die
Strafverfolgung von Cannabiskonsumierenden angeht. Während in Berlin ein
Strafverfahren aufgrund des Besitzes von bis zu 15 Gramm Cannabis von der
Staatsanwaltschaft eingestellt werden kann, ist das in Bayern nur bis 6 Gramm
möglich. Dieser Unsinn muss dringend beendet werden. Wenn Sie diesem Antrag
schon nicht zustimmen, dann sorgen Sie doch wenigstens für eine einheitliche
Rechtspraxis, in dem Sie eine geringe Menge im Betäubungsmittelgesetz
festlegen!
Mittlerweile hat sich die Verfolgung von Cannabiskonsumierenden vom
Strafrecht auf das Straßenverkehrsrecht verlagert. Deshalb benötigen wir
endlich einen wissenschaftlich fundierten Grenzwert von
Cannabisleitsubstanzen, der die tatsächliche Beeinflussung der
Fahrtüchtigkeit widerspiegelt. Klar ist, ein Verkehrsteilnehmender unter
Cannabiseinfluss muss rechtlich sanktioniert werden. Aber es ist nicht
nachvollziehbar, warum bei gelegentlichem Cannabiskonsum der Führerschein
entzogen werden kann, wenn Spuren von Cannabiskonsum im Blut nachweisbar
sind, obwohl eine Rauschwirkung zum Zeitpunkt der Kontrolle längst nicht mehr
vorliegt.
Mit unserem Vorschlag zur Einführung von Cannabis-Clubs wollen wir zudem
auf ein Modell zurückgreifen, zu dem es in der Europäischen Union bereits
gute Erfahrung gibt. In Spanien wurden die Cannabis Social Clubs im Jahr 2005
ermöglicht.
Der Cannabisanbau in diesen Clubs unterliegt Qualitätskontrollen. Das
angebaute Cannabis dient zudem nur dem Eigenverbrauch und darf nicht verkauft
werden. Damit haben wir den Handel mit Cannabis verhindert und ermöglichen
gleichzeitig, dass sich interessierte Konsumentinnen und Konsumenten
zusammen-finden können, um gemeinsam Cannabis anzubauen und Erfahrungen
auszutauschen. Werbung dafür bleibt verboten, so wie es im Übrigen auch ein
generelles Werbeverbot für andere legale Drogen wie Alkohol und Nikotin geben
sollte. Denn eine liberale Drogenpolitik besteht aus progressiven, aber auch
repressiven Instrumenten.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der mit Einführung von Cannabis-Clubs
Unterstützung finden würde, ist die Prävention vor Drogenmissbrauch. Umso
stärker sich offen mit Drogen auseinandergesetzt wird und die jeweiligen
Gefahren und Wirkungsweisen verstanden werden, umso erfolgreicher
funktioniert die Prävention. So hat beispielsweise die Liberalisierung der
Drogenpolitik in Portugal gezeigt, dass dadurch nicht mehr Drogen konsumiert
wurden, dafür aber der Missbrauch und damit auch die Zahl der Abhängigen
zurückgegangen ist.
Nutzen Sie diese Gelegenheit und diskutieren Sie mit uns über neue Wege in
der Drogenpolitik. Ich freue mich auf die Diskussionen dazu im Ausschuss und
hoffe, dass wir die Debatte darüber sachlich führen können.
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nach dem drogenpolitisch turbulenten Wochenende bei den Linken liegen nun
Ihre konkreten Vorschläge auf dem Tisch. Es gibt die berechtigte
Fragestellung, die in ihrem Antrag aufgeworfen wird, ob die derzeitige
repressive Drogenpolitik überhaupt die gewünschten Wirkungen entfaltet. Diese
Frage wird durch die Realität nicht nur bei uns in Deutschland tagtäglich
beantwortet: Der Konsum bestimmter Drogen wird durch ihr strafrechtliches
Verbot nicht nennenswert verhindert. Schon allein deswegen ist ein solches
Verbot mindestens verzichtbar.
Aber ich finde andere Fragen in diesem Zusammenhang noch wesentlich
wichtiger: Welche negativen Folgen hat eigentlich die repressive
Drogenpolitik, wie wir sie hier in Deutschland praktizieren? Welche Folgen
hat sie für die Anbauländer, welche für die Transitländer und vor allem:
Welche Folgen hat sie für die Konsumentinnen und Konsumenten dieser Drogen?
In welcher Weise behindert das Verbot etwa eine zielgerichtete Prävention
riskanter Konsumformen? Welche Auswirkungen hat der durch das Verbot
geschaffene Schwarzmarkt für die Gesundheit der Konsumentinnen und
Konsumenten?
Wenn man sich diese Fragen stellt, wird recht schnell klar, warum dieser
Antrag nicht konsequent genug ist: Die Legalisierung von Cannabis durch
sogenannte Social Clubs, so wie die Linken dies vorschlagen, ist gerade nicht
eingebunden in ein sinnvolles Konzept aus Prävention, Schadensminderung und
Therapie. Die Zahlen zum Cannabiskonsum zeigen deutlich, dass es nur wenige
Menschen gibt, die Cannabis in riskanter Form gebrauchen. Die übergroße
Mehrheit betreibt offensichtlich einen selbstverantwortlichen Konsum. Aber
gerade wegen dieser Wenigen muss eine wie auch immer geartete Abgabe von
Cannabis oder anderer weicher Drogen eingebunden werden in ein
Präventionskonzept. Dazu gehört schon etwas mehr als ein bisschen
Lebensertüchtigung in Schulen und ein Werbeverbot für die Clubs.
Wir haben bereits in der vergangenen Wahlperiode in unserem Antrag deutlich
gemacht, wie aus unserer Sicht eine Entkriminalisierung von weichen Drogen
wie Cannabis so umgesetzt werden könnte, dass dabei die Prävention im
Vordergrund steht.
Ich habe darüber hinaus erhebliche Zweifel, ob das unter anderem in Spanien
praktizierte Modell der Cannabis Social Clubs ohne Weiteres auf Deutschland
übertragbar ist. Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit diesem eher
romantisierenden Ansatz wirklich weiterkommen. Was geschieht zum Beispiel mit
Konsumentinnen und Konsumenten, die es ablehnen, sich in einem solchen Verein
namentlich registrieren zu müssen? Was machen Konsumentinnen und Konsumenten,
die keinen Eigenanbau betreiben können oder wollen? Für sie ändert sich gar
nichts. Sie müssen ihr Cannabis weiter illegal auf dem Schwarzmarkt erwerben.
Wer nicht nur die Entkriminalisierung von Cannabis, sondern sogar die
Legalisierung von Cannabis fordert, der muss sich auch Gedanken darüber
machen, wie dann dem Umstand Rechnung getragen wird, dass internationale
Übereinkommen diesem Legalisierungsanliegen entgegenstehen. Hier vermisse ich
in Ihrem Antrag wenigstens einen Hinweis, wie Sie mit diesem Problem
umzugehen gedenken.
Darüber hinaus wirft der Antrag der Linken weitere Fragen auf. Sie fordern
beispielsweise, für den Straßenverkehr eine wissenschaftlich begründete
THC-Höchstgrenze im Blut einzuführen. Damit werden sie das Problem aber nur
teilweise lösen. Denn unabhängig davon, wie hoch der Grenzwert ist und ob bei
Cannabiskonsumenten der Nachweis von THC mit einem akuten Rausch
gleichgesetzt werden kann, kann regelmäßigen Cannabiskonsumentinnen und
konsumenten heute der Führerschein entzogen werden, auch dann, wenn sie gar
nicht unter Einfluss von Cannabis Auto fahren. Nach meiner Auffassung ist
hier auch eine Änderung der Führerscheinverordnung notwendig. Damit lassen
sich dann auch die häufig willkürlichen MPUs vermeiden.
Nun will ich nicht behaupten, dass wir Grünen drogenpolitisch gesehen die
Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Zu einer verantwortlichen Drogenpolitik
gehört es für mich aber auch, sich dafür zu interessieren, welche Wirkungen
eine bestimmte Politik in der Praxis hat. Deswegen haben wir in der
vergangenen Wahlperiode in unserem Antrag ein wissenschaftlich begleitetes
Modellprojekt vorgesehen, mit welchem die Wirkungen einer kontrollierten
Abgabe beispielsweise in lizenzierten Abgabestellen überprüft wird. Eine
solche Regelung fehlt leider ebenfalls in Ihrem Antrag.
Wir Grünen sind klar für eine grundlegende Reform der Drogenpolitik. Dazu
gehört auch eine Entkriminalisierung von Cannabis und anderen weichen Drogen.
Wir sehen diesen Antrag daher vor allem als Chance, die derzeitige
Drogenpolitik und deren negative Folgen auf den Prüfstand zu stellen und
notwendige Alternativen zu thematisieren. Denn anders als etwa im
angelsächsischen Raum wird in Deutschland viel zu wenig die Frage nach dem
Preis gestellt, den unsere Gesellschaft, aber auch andere Gesellschaften für
die repressiv ausgerichtete Drogenpolitik zahlt. Ich würde mich freuen, wenn
wir dieser Frage auch in den Ausschussberatungen und in einer Anhörung
nachgehen können.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/7196 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Widerspruch
erhebt sich nicht. Dann ist auch das so beschlossen.#



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