Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-drogen - Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 26, Eintrag 6

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 26, Eintrag 6


Chronologisch Thread 
  • From: Christine Zander <christine.zander AT gmx.net>
  • To: ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 26, Eintrag 6
  • Date: Sun, 13 Nov 2011 22:23:00 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

Hi Guido,

Ich finde erst jetzt die Zeit dir zu antworten. Bei der Antwort will ich es auch belassen, da ich momentan auch bezweifel ob mehr Austausch zu diesem Thema Sinn macht, da ich nicht möchte, dass du dich von mir angegriffen fühlst. Wir haben anscheinend einfach total unterschiedliche Erfahrungen.

Ich habe zwar Menschen privat und beruflich kennengelernt, die sich
entschieden haben bei der Droge zu bleiben, aber die waren in der Regel
Mißbräuchler und keine Abhängigen ...

Ich habe Menschen kennengelernt, die ich nicht als Mißbräuchler bezeichenen würde, da sie die Droge (größtenteils Heroin) täglich brauchen. Sie haben sich eingestanden, dass sie süchtig sind und für sich entschieden täglich weiter die Droge zu nehmen. Aus finanziellen Gründen, manchmal kombiniert mit Ersatzmittelprogrammen  – Aber Fakt ist, sie haben sich eingestanden, dass sie es momentan nicht schaffen, von ihrer Sucht zu lassen und haben sich auf den Rest ihres Lebens (Ausbildung, Job, Freunde) konzentriert. Die Sucht regiert hier nicht das Leben. Es ist zwar ein Mittel, das schmerzlich auffällt, wenn es fehlt – aber keiner, den ich kenne; würde dafür alles tun. Ein Teil dieser Leute sind seit Jahren meine besten Freunde und ich kann immer auf sie zählen. Ich weiss, dass du in deiner täglichen Arbeit leider andere Beispiele vor dir hast – das ist ja das Traurige. Aber ein Umdenken in der Drogenpolitik, könnte selbst einem Teil dieser Menschen helfen. Ich kann nicht von allen Drogen sprechen – ich spreche hier speziell von Heroin. Teilweise trifft es sicher auch auf andere Drogen zu. Es ist möglich als Abhängiger selbstbestimmt (mal prohibition und herrschende Gesetze ausser Acht gelassen) zu leben – aber dazu musst du bereit sein, dich mit dir selbst und deiner Gier (z.B. Kokain) auseinanderzusetzen. Und dir auch selbst Grenzen zu setzen – dir über positive und negative Seiten der Droge bewusst sein.

Das finde ich an der derzeitigen Drogenpolitik so schlimm: Niemand lernt wirklich mit Drogen umzugehen – und (schlimmstenfalls) mit seiner Sucht (und sich selbst) zu leben. Im Moment gibt es nur den Weg raus aus der Droge aber nicht den Weg mit der Droge zu leben. Deshalb gibt es ja soviel Rückfälle, soviel Leute, die sich selbst völlig aufgegeben haben. In dem Moment, indem sie es nicht schaffen, mit der Droge aufzuhören, geben sich viele Menschen auf. Selbst Ersatzmittelprogramme helfen nicht wirklich – nicht ohne die Akzeptanz von Beikonsum. Es sind halt nur Ersatzmittel, die Abhängige nicht befriedigen.

Ich will hier wirklich nichts verherrlichen. Jedem, der sich für die Abhängigkeit entscheidet ist klar, dass ein Leben ohne die Droge natürlich wünschenswert ist und es in der Sucht viele Negativfaktoren gibt. Die Negativfaktoren, von denen ich spreche, haben jedoch nichts mit den negativen Seiten der Prohibition zu tun. Die kommen ja noch dazu! Sich für einen Ausstieg aus der Sucht zu entscheiden, erfordert eine persönliche Entwicklung. Manche Menschen gelangen an diesen Punkt schneller – andere vielleicht nie – es ist eine rein persönliche Entscheidung. Druck von außen ist kontraproduktiv. Deshalb gibt es ja viele Menschen die Jahre mit abgebrochenen Entzügen und Therapien verbringen, da im Moment der Druck von außen permanent existiert. Ich bin dafür, den Menschen die Zeit zu geben die sie brauchen – selbst wenn sie ihr Leben lang süchtig bleiben, solange sie sich nur selbst dabei schaden, was ist falsch daran?

LG, Christine




  • Re: [AG-Drogen] AG-Drogen Nachrichtensammlung, Band 26, Eintrag 6, Christine Zander, 13.11.2011

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang