ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
Listenarchiv
[AG-Drogen] Bayerische Zustände: Schluss mit einer Drogenpolitik von Vorgestern!
Chronologisch Thread
- From: Maximilian Plenert <max.plenert AT hanfverband.de>
- To: Fachforum Drogen der GRÜNEN JUGEND <liste-ff-drogen AT gruene-jugend.de>, BND Diskussionsliste <bnd-debatte AT bndrogenpolitik.de>, Liste: AG_Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>, linke-drogenpolitik AT yahoogroups.de, Alles <mapde-alles AT listen.jpberlin.de>
- Subject: [AG-Drogen] Bayerische Zustände: Schluss mit einer Drogenpolitik von Vorgestern!
- Date: Tue, 11 Oct 2011 20:40:27 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Deutscher Hanfverband
-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
Hash: SHA1
Ein schöner Beschluß aus diesem Frühling...
Beschluss der 28.Landesmitgliederversammlung (LMV) in Würzburg vom 08. bis 10.
April 2011:
Bayerische Zustände: Schluss mit einer Drogenpolitik von Vorgestern!
Bayern ? die Insel der drogenpolitischen Rückständigkeit
http://www.gruene-drogenpolitik.de/?p=93
?Die Bayerische Staatsregierung wendet sich konsequent gegen einen falsch
verstandenen Liberalismus im Umgang mit Suchtmitteln? -
Beschluss der bayerischen Staatsregierung, 2008
Die globale Drogenpolitik, deren zentrales Dogma das Verbot ist, hat versagt.
Unabhängig davon, dass wir Drogenverbote ablehnen, lässt sich feststellen: Es
war und ist nicht möglich, mittels repressiver Maßnahmen Angebot und Nachfrage
nennenswert einzudämmen. Das Gegenteil ist der Fall, die Zahl der
DrogenkonsumentInnen steigt kontinuierlich an. Der illegale Schwarzmarkt
entzieht sich jedweder Kontrolle. Drogenkriege, Todesfälle aufgrund
schlechter, gestreckter und undosierbarer Drogen sowie ein problematischer
gesellschaftlicher Umgang mit Sucht und Drogen sind nur einige der negativen
Folgen der Prohibitionspolitik des 20. Jahrhunderts.
Einige Verantwortliche in der Politik haben diese Entwicklung inzwischen
erkannt und haben reagiert. In den Niederlanden, in der Schweiz, in Portugal,
Tschechien, Italien, Spanien und Californien, um einige Beispiele zu nennen,
sind die Drogenverbotsgesetze teilweise reformiert worden und mit der
Entkriminalisierung von EndkonsumentInnen ist ein erster Schritt hin zu einer
liberalen Drogenpolitik gemacht. In Bayern und anderen Teilen der Republik
verschläft man diese Entwicklung. Es fehlt der demokratische Prozess und die
gesellschaftliche Debatte um eine positive Entwicklung zu erwirken.
Etatismus und ?Gesundheitspolitik? ? Keine Toleranz der ?Null Toleranz?!
?Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein gesellschaftliches Gut.? Beschluss der
bayerischen Staatsregierung, 2008
In den drogenpolitischen Grundsätzen präsentiert sich die bayerische
Staatsregierung ganz besonders hart. Man lehnt alle fortschrittlichen
Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, ohne eine fundierte Auseinandersetzung
damit, ab. Seien es lebensrettende Drogenkonsumräume, in denen Opiatabhängige
saubere Spritzen und medizinische Betreuung erhalten, staatliche
Diamorphinsubsitution für Schwerstabhängige, die oftmals medizinisch
sinnvollste Behandlungsmethode oder eine Ende der Verfolgung von
CannabiskonsumentInnen.
Diese pragmatischen Schritte in die richtige Richtung werden als ?modische
Trends? verschrien Beschluss und zugunsten der konservativen Ideologie nimmt
man massive Drogenprobleme, deren Ursache oft in der Repression selbst liegen
und Drogenpolitiktote in Kauf. Dass die Staatsregierung dabei die ?Gesundheit
der Bevölkerung? als ?gesellschaftliches Gut? betrachtet und der Staat somit
zu bestimmen hat, wie diese zu erreichen ist, zeigt, woher der Wind weht. Wir
wollen selbstbestimmtes und individuelles Leben, statt staatlich-kollektiven
Gesundheitsvorstellungen.
Cannabis in Bayern ? Entkriminalisierung von oben?
?In diesen Fällen ist von der Verfolgung der Straftaten grundsätzlich
abzusehen.? Cannabisbeschluss des Bundesverfassungsgerichts, 1994
Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1994 hat sich
in der Bundesrepublik wenig getan. Die im Urteil geforderte einheitliche
Einstellungspraxis bei Cannabisdelikten wurde nie umgesetzt. Die Praxis in den
Bundesländer ist nach wie vor sehr unterschiedlich. Auch Bayern setzt damit
den Willen des Bundesverfassungsgerichts nicht um. Es wird nach dem
politischen Willen der Staatsregierung nahezu jedes Delikt verfolgt.
CannabiskonsumentInnen werden dadurch kriminalisiert, obwohl der Eigenkonsum
weniger potentielle negative Effekte für das Umfeld hat, als beispielsweise
die legale Droge Alkohol.
Etwaige Drogenprobleme sind vor allem bei CannabiskonsumentInnen oft nur auf
die Kriminalisierung selbst zurück zu führen. Die Kosten für die Verfolgung
von Drogendelikten ist durch die Verfolgung von EndkonsumentInnen in Bayern
besonders hoch.
Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass das Abhängigkeitspotential bei
Cannabis im Vergleich zu Nikotin und Alkohol deutlich geringer ist. Diese
Erkenntnisse bleiben bei der Staatsregierung vollkommen unberücksichtigt und
zeigt, dass es ihr nicht um wissenschaftlich begründete Fakten geht, sondern
um eine ideologische Drogenpolitik, die nicht ?näher am Menschen? ist, sondern
realitätsfremd.
Die bayerische Hardlinerpraxis ist ein Indikator für ein falsches Verständnis
vom Verhältnis von BürgerInnen und Staat. Es ist unerträglich, dass
CannabiskonsumentInnen zum Opfer der Profilneurose der bayerischen
Staatsregierung werden. Dass es auch anders geht, zeigt der besagte Blick über
den bayerischen Alpenrand auf der einen Seite und dem Weißwurstäquator auf der
anderen hinaus.
Stark im Leben ohne Alkohol und Drogen?
?Wenn man die zwei Maß in sechs, sieben Stunden auf dem Oktoberfest trinkt,
ist es noch möglich? ehemaliger bayerischer Ministerpräsident Beckstein über
Alkohol am Steuer
Drogenpolitische Positionen der CSU und der GRÜNEN haben eines gemeinsam: die
relativ willkürliche und pharmakologisch schlicht unsinnige Einteilung von
Drogen in ?hart? und ?weich?. Diese Einteilung lehnen wir ab, da sie
Drogenprobleme verklärt und nicht erklärt. Progressive Ansätze unterscheiden
substanzungebunden zwischen ?harten? und ?weichen? Konsummustern, um eine
individuelle Analyse der Gefahr für die/den KonsumentIn anstellen zu können.
Das ist der Weg, den auch wir gehen wollen.
Die harten Konsummuster bei Alkohol sind immer wieder in der öffentlichen
Diskussion, wenn Jugendliche mit Alkoholvergiftungen in Kliniken eingeliefert
werden. Hier wird von Seiten der Politik ausschließlich mit wenig
lösungsorientierten Maßnahmen, wie beispielsweise Alkoholverkaufsverboten in
den Abendstunden reagiert. Sinnvoller wäre endlich eine umfassende,
öffentliche Debatte über Drogen und Drogenkonsum anzustreben. Auch wenn wir
die Bemühungen der Staatsregierung, über die Gefahren und Folgen des
Alkoholkonsums aufzuklären für grundsätzlich richtig halten, so ist eine
gewisse Inkonsequenz bei der Beurteilung des Umgangs auszumachen. Während für
Straftaten, die unter Volltrunkenheit begangen werden mitunter noch
verminderte Schuld wegen Unzurechnungsfähigkei angenommen wird, kann bei dem
Besitz einer Kleinstmenge illegalisierter Drogen eine Verurteilung drohen,
ohne dass etwas passiert ist, oder jemand anderes gefährdet worden ist.
Wenn auf bayerischen Polizeiautos zu lesen ist ?Stark im Leben ohne Alkohol
und Drogen? kommen wir nicht umhin, diese massive Drogenverharmlosung zu
kritisieren. Alkohol ist eine Droge. Alkoholkonsum führt in der Bundesrepublik
jährlich zu mehr als 40.000 Todesfällen.
Eine ernstzunehmende Drogenpolitik unterscheidet nicht willkürlich oder nach
WählerInnengunst, sondern ist wissenschaftlich fundiert. Alkohol implizit aus
der Reihe der Drogen zu nehmen ist unverantwortlich und wiederum ein Zeichen
für die ideologische Voreingenommenheit bayerischer Drogenpolitik und
schlichtweg Nonsens. Zumal in etlichen Regionen Bayern, die ?Bierkultur? hoch
gehalten wird. Ganze Regionen werben mit der Droge ?Alkohol?. Die
Staatsregierung setzt solcher Drogenwerbung keinen Riegel vor.
Die GRÜNE JUGEND Bayern fordert ein konsequentes Werbeverbot für alle Drogen.
Das alles reicht nicht!
Die bayerische Staatsregierung könnte auf Landesebene eine Politik betreiben,
die trotz der ausbleibenden Reformen auf Bundesebene den Schaden, den die
Prohibitionspolitik verursacht, minimiert. Diese Möglichkeit wird nicht
wahrgenommen.
Da die Landespolitik nur ein eher kleines Feld der Drogenpolitik ist, tritt
die GRÜNE JUGEND Bayern für einen grundlegenden drogenpolitischen Kurswechsel
in der Bundesrepublik sowie für eine durchdachte und ökonomisch stimmige
internationale Drogenpolitik ein. Frei nach dem urgrünen Motto ?Lokal handeln,
global denken!?.
Die GRÜNE JUGEND Bayern fordert die bayerische Staatsregierung auf:
? Die Integration Bayerns in ein drogenpolitisch zunehmend liberales Europa!
? Die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht beschlossenen einheitlichen
Einstellungspraxis bei Cannabisdelikten!
? Eine grundsätzliche Abkehr von der ideologischen ?Null Toleranz? Politik,
weil diese Probleme schafft und nicht behebt!
Das heißt im Klartext:
? Eine Ermöglichung der Einrichtung Drogenkonsumräumen in Bayern.
? Die Gleichstellung von Diamorphin mit andern Substitutionsmedikamenten.
Darüber hinaus fordert die GRÜNE JUGEND Bayern:
? Werbeverbot von allen Drogen!
? Schluss mit Prohibition und Repression!
? Die Einführung von Drogenfachgeschäften als Modell für eine alternative
Drogenpolitik!
? Eine globale Kehrtwende in der internationalen Drogenpolitik!
Das Konzept ?Das Drogenfachgeschäft ? Modell für eine alternative
Drogenpolitik? ist Beschlusslage des Bundesverbandes der GRÜNEN JUGEND und ist
unter www.drogenfachgeschaeft.de einzusehen.
-----BEGIN PGP SIGNATURE-----
Version: GnuPG v1.4.10 (GNU/Linux)
Comment: Using GnuPG with Mozilla - http://enigmail.mozdev.org/
iQIcBAEBAgAGBQJOlI2WAAoJEBweUxAXn9NH4AUQALHxmMpp0NKq6SWAHdfjQKkP
DUZACqblaJgUjE0SkncK9yQjxTQxLR9iqt2OE1D6RUwLICt+0B6QgUXlZtjrml4D
BcPmVRjqDpdM7IRgBWWrMhq4nasVRIU/UZnoRN42lYpUib8CmC2qMHsOg727c6RR
f62e1Zi3KpaobLZvRBmE4+TXdVlgoK0XpHfX80ihjKPg98E+OwwYOfyc4ctOr7h4
zgxmNdttv5YRak2UtR56Q830/RaW5OxU+abo8/e+fHFd5cmkZN5yd8TuyVs3Qhu4
anvHfjPg1JL4jpeU9OZPThyTUwpNUhVPT5RcZx6v53oz9B6EhZcMcRXgFWCsb5Mb
dyYunvjheaoILMb+6KBVWDQbS8qqK4Da4jGQ+uzQCv8biSVmyD+85H41nNSGnTA8
OpP4vikQKUSkKh9XABCHv4ixlOhNN+7m5/GRxrakp58cS5ZMdIJcqh+Sb/dMudUE
63iS39h55WFqQW/fCxfo6kPcPOuuAcv4Tv66E157W0VXg1YGaEXkZhtXAi3MeRw1
95jChiMjtiGwyRbIHiHz7LyxjSrUcwWijpBCzXlzK6154ErsWmGvqwSa09pWsFhe
qb+IbLQ7bq+C7ITAs0f8T6P1meIHFYVNdlRAy3YcfE7jUd+CFdR0DWiYQ1uOtSSF
HPoBcM0fdk3DaMnnsNW4
=fnTm
-----END PGP SIGNATURE-----
- [AG-Drogen] Bayerische Zustände: Schluss mit einer Drogenpolitik von Vorgestern!, Maximilian Plenert, 11.10.2011
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.