ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- From: "Georg v. Boroviczeny" <georg AT von-boroviczeny.de>
- To: "'Mailingliste der AG Drogen'" <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [AG-Drogen] Alles nicht von Dauer
- Date: Mon, 29 Aug 2011 18:30:28 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
Alles nicht von Dauer
Neuigkeiten zum Verdummungspotential
von Cannabis
Sich dauerhaft auf eine äußere
Befriedungsquelle zu verlassen birgt bekanntermaßen Risiken. Es verwundert
nicht, wenn Körper und Geist auf dauerhaftes Zuführen von Medikamenten oder
Drogen sensibel reagieren. Bei der weltweit beliebtesten illegalen Substanz,
dem Cannabis, ist das nicht anders. Dauerkonsumenten berichten von traumlosen
Nächten, Aussetzern in der verbalen Formulierungskunst und Gedächtnislücken.
Parallel entstand das kulturelle Stereotyp vom
dumpfbackigen Kiffer, der stumpfsinnig vor dem Fernseher hockt. Eine nun im
renommierten Fachblatt Addiction veröffentlichte
Studie hat das Verdummungspotential von Cannabis genauer unter die Lupe genommen.
Die Forscher verfolgten über acht Jahre
den Lebenslauf von rund 2.000 jungen Australiern, die zum Beginn der Studie
zwischen 20 und 24 Jahren alt waren. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt,
nämlich Nichtraucher (72%), die keine oder nur lang zurück liegenden Erfahrung
mit Cannabis hatten, leichte Konsumenten (18%), die maximal einmal im Monat
rauchten und Fans (9%), die mindestens einmal die Woche zum Kraut griffen.
Jedes Jahr absolvierten sie drei Gedächtnistests. Am Beginn der Studie zeigten
sich große Unterschiede zwischen den Gruppen, gerade die Dauerkonsumenten
hatten Probleme, Wortlisten zu erinnern oder Zahlenreihen in umgekehrter
Reihenfolge zu rekapitulieren. Als die Forscher die Ergebnisse aber zu
Kontrollfaktoren in Bezug setzten, lösten sich die Unterschiede zwischen den
Gruppen nahezu in Luft auf. Das Geschlecht oder die Bildung hatten die
Ergebnisse viel stärker beeinflusst als der Marihuanakonsum.
Nach der Bereinigung blieb nur ein
Unterschied übrig, nämlich das schlechte Abschneiden der Dauerkonsumenten bei
einem Test, der das schnelle Erinnern von Wörtern untersuchte. Hierbei zeigte
sich, dass diejenigen Teilnehmer, die zum Ende der Studie mit dem Dauerrauchen
aufgehört hatten, keine bleibenden Schäden davon getragen hatten. Ihre
Ergebnisse waren nicht anders. Die kognitiven Beeinträchtigungen durch schweren
Cannabiskonsum scheinen also zu existieren, aber temporär zu sein.
Dies widerspricht der bisherigen
Forschung, die davon ausgegangen war, dass heftiges Kiffertum
kognitive Langzeitfolgen mit sich bringt. Es existieren allerdings nur wenig Studien, die Cannabis-Fans und ehemalige Kiffer über
einen längeren Zeitraum beobachtet haben.
2001 näherten sich Forscher der Universität
Harvard dem Phänomen
noch einmal neu, als sie die Intelligenzleistungen starker Cannabiskonsumenten
testeten, einen Monat nachdem diese mit dem Rauchen aufgehört hatten. Es
konnten keine Unterschiede in den Leistungen festgestellt werden. Gleichwohl
berichteten viele Betroffenen davon, dass der überbordende Gebrauch der Droge
ihnen Probleme bereitet hätte, sei es im Job, sei es in körperlicher Fitness,
sei es im sozialen Umgang. Und natürlich existieren mittlerweile auch Studien,
die beweisen wollen, dass
Marihuanakonsum die kognitiven Fähigkeiten erweitern kann, weil Assoziationen
eher aktiviert werden. Der von Andrew Weil schon 1972 popularisierte
Unterschied zwischen "stoned" und "straight"
Denken scheint nach wie vor tragfähig. Damals herrschten ansonsten Studien vor,
die bei Kiffern Hirnschrumpfungen nachweisen wollten.
Ist das häufige Kiffen nach der jüngsten
Studie also rehabilitiert? Eher nicht. Zum einen hat die Inhalation von
verbrannten Pflanzenteilen nachgewiesen schädliche Auswirkungen auf die Lunge.
Das ist bei Cannabis nicht viel anders als bei Tabak. Das Anbauverbot führt zur
Herstellung von zwar THC-reichem, aber mit Bakterien
und Schimmelpilzen kontaminiertem Gras. Stichproben des von der Universität
Leiden 2005 analysierten Coffeeshop-Gras' waren durch
die Bank weg verunreinigt. Zum anderen: Die australische Untersuchung bezog
Erwachsene im Alter über 22 Jahren ein. Wie das Gehirn Heranwachsender auf
häufigen Konsum reagiert, ist hier nicht untersucht worden. Die beste Übersichtbietet hierzu
immer noch die Arbeit von Leslie Iversen. Danach kann
man nur zur Vorsicht raten, weil irreversible Schäden zwar unwahrscheinlich,
aber möglich sind.
Quelle; http://www.heise.de/tp/blogs/3/150355
[georgberlin] AG Drogen + BSG
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- [AG-Drogen] Alles nicht von Dauer, Georg v. Boroviczeny, 29.08.2011
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