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ag-drogen - [AG-Drogen] Die empirische Grundlage der Bundesregierung für die präventive Wirkung des BtMG

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

Listenarchiv

[AG-Drogen] Die empirische Grundlage der Bundesregierung für die präventive Wirkung des BtMG


Chronologisch Thread 
  • From: Maximilian Plenert <kontakt AT max-plenert.de>
  • To: Fachforum Drogen der GRÜNEN JUGEND <liste-ff-drogen AT gruene-jugend.de>, BND Diskussionsliste <bnd-debatte AT bndrogenpolitik.de>, Sonics <drugchecking AT listar.hanfplantage.de>, Fachforum Drogen der GRÜNEN JUGEND <liste-ff-drogen AT gruene-jugend.de>, Liste: AG_Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>, vfdintern AT yahoogroups.de
  • Subject: [AG-Drogen] Die empirische Grundlage der Bundesregierung für die präventive Wirkung des BtMG
  • Date: Mon, 25 Jul 2011 11:56:18 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>


Die Kurzusammenfassung meiner Analyse: Weil von 1500 Frankfurter Schülern, die
nicht einmal die Hauptkonsumgruppe für Spice und Co. ausmachen, statt 28 nur
noch 13 ein Kreuz bei “Spice” auf einem Fragebogen machten, schlussfolgert die
Bundesregierung: “Das Cannabisverbot wirkt.”

In so fern kann man die Frage der LINKEN als von der Bundesregierung nicht
beantwortet bezeichnen - wäre ich Frank Tempel würde ich nachhaken und
meckern...

Die empirische Grundlage der Bundesregierung für die präventive Wirkung des
BtMG
Publiziert am 25. Juli 2011 von Maximilian Plenert

http://www.alternative-drogenpolitik.de/2011/07/25/die-empirische-grundlage-der-bundesregierung-fur-die-praventive-wirkung-des-btmg/

Frank Tempel, der drogenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE fragte die
Bundesregierung in der Kleinen Anfrage “Festschreiben der geringen Menge im
Betäubungsmittelgesetz für Cannabisbesitz”:

Auf welchen empirischen Grundlagen begründet die Bundesregierung ihre These
einer Korrelation zwischen Cannabisverbot und Cannabiskonsum?
Auf welchen empirischen Daten stützt die Bundesregierung ihre davon
abweichende
These, dass durch die Strafandrohung „die Verfügbarkeit und die Verbreitung
der
Substanz eingeschränkt wird“?
Die Antwort der Bundesregierung (Druchsache 17/6620) liegt inzwischen vor, sie
geht nicht nur auf lächerliche Art und Weise an der Frage vorbei, sondern ist
auch noch unpräzise bis mutwillig irreführend. Sie lautet für beide Fragen:
“Die
präventive Wirkung der im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) enthaltenen
Handlungsverbote zeigt sich jüngst etwa bei der Unterstellung neuer, in
harmlos
wirkenden Kräutermischungen enthaltener psychoaktiver Substanzen unter das
Betäubungsmittelrecht. Dies führte zu einer Einschränkung der Verbreitung bei
den jeweiligen Substanzen. Nach einer repräsentativen Befragung von
Schülerinnen
und Schüler ist der Konsum cannabinoidhaltiger Substanzen nach dem Verbot in
2009 zurückgegangen.”

Die Kurzusammenfassung meiner Analyse: Weil von 1500 Frankfurter Schülern, die
nicht einmal die Hauptkonsumgruppe für Spice und Co. ausmachen, statt 28 nur
noch 13 ein Kreuz bei “Spice” auf einem Fragebogen machten, schlussfolgert die
Bundesregierung: “Das Cannabisverbot wirkt.”

Die erwähnte Studie hatte ich bereits im Drogen- und Suchtbericht 2011
bemerkt,
Zitat 4.4 Modellprojekte 4.4.1 Verbreitung und Gefährdung von
cannabinoidhaltigen Räuchermischungen Das Bundesministerium für Gesundheit
(BMG)
förderte von Juni 2009 bis Mai 2010 das Modellprojekt „Spice, Smoke, Sence &
Co.
– Cannabinoidhaltige Räuchermischungen: Konsum und Konsummotivation vor dem
Hintergrund sich wandelnder Gesetzgebung“. Es untersuchte die quantitativen
und
qualitativen Veränderungen des Konsums von „Spice“ und vergleichbarer
cannabinoidhaltiger Räuchermischungen vor und nach der BtMG-Unterstellung
(siehe
B 4.3.2). Die Studie umfasst drei Module: Eine repräsentative Stichprobe von
15-
bis 18-jährigen Schülerinnen und Schülern in einer deutschen Großstadt vor und
nach dem Verbot, Experteninterviews mit Mitarbeitern von Headshops bzw.
Geschäften, in denen „Spice“ oder andere Räuchermischungen verkauft werden
bzw.
wurden, sowie qualitative Interviews mit Konsumierenden. Die Studie führte zu
Erkenntnissen über die Kundenstruktur, das Ausmaß des Handels mit
unterschiedlichen Produkten sowie die Konsummotivationen: 3 % der Schülerinnen
und Schüler wiesen vor der Unterstellung (2008) einen aktuellen Konsum
(30-Tage-Prävalenz) von cannabinoidhaltigen Substanzen auf, nach der
Unterstellung (2009) nur noch 1 %. Daraus kann geschlossen werden, dass das
Verbot und die weitgehend eingestellte Medienberichterstattung zum Rückgang
der
Verbreitung der Räuchermischungen geführt haben. Die Studie zeigt auch, dass
äußerst wenige Jugendliche ohne vorherige Erfahrungen mit illegalen Drogen
„Spice“-Produkte ausprobiert haben. Die Hauptzielgruppe dafür scheinen daher
weniger die Jugendlichen zu sein, sondern eher Erwachsene jungen bis mittleren
Alters. Im Rahmen eines EU-Projekts mit einer Kofinanzierung durch das BMG
werden seit Anfang 2011 synthetische Cannabinoide, deren Wirkungen, eventuelle
Nachweisverfahren sowie Präventionsmöglichkeiten untersucht. Das
Universitätsklinikum Freiburg arbeitet dabei unter Mitwirkung des
Bundeskriminalamtes mit weiteren Partnern in Deutschland sowie in Polen,
Finnland, Österreich und der Schweiz zusammen. Der Abschlussbericht soll Ende
2013 vorliegen.

Hier wird schon das Verbot nicht alleine, sondern auch die “die weitgehend
eingestellte Medienberichterstattung” für den Konsumrückgang verantwortlich
gemacht. Auch wird die Bedeutung von Jugendlichen als Zielgruppe in Frage
gestellt, die Hauptgruppe seien “eher Erwachsene jungen bis mittleren Alters.”

Die erwähnten Studien finden sich auf der Website des Centre For Drug Research
und der Bundesdrogenbeauftragten.

Der Knackpunkt ist der Satz “3 % der Schülerinnen und Schüler wiesen vor der
Unterstellung (2008) einen aktuellen Konsum (30-Tage-Prävalenz) von
cannabinoidhaltigen Substanzen auf, nach der Unterstellung (2009) nur noch 1
%.”
Dieser ist nicht ganz unwahr, aber massiv irreführend. Verboten wurden damals
nur einige Cannabinoide und zwar jene die in der speziellen Mischung “Spice”
gefunden wurden. Synetische Cannabinoide gibt es allerdings Hunderte und schon
direkt nach dem Verbot kamen neue Mischungen mit anderen, noch nicht
verbotenen
Inhaltsstoffen auf den Markt. Die 3% aus dem Jahr 2008 beziehen sich explizit
auf Spice, während 2009 sowohl nach Spice als auch nach anderen
“Räuchermischungen” außer Spice gefragt wurde.

Konkret gaben 2008 3% n=28 der Jugendlichen an Spice innerhalb der letzten 30
Tage konsumiert zu haben, 2009 waren es nur noch 1% n=13. Es kamen allerdings
1%
n=7 Personen dazu die andere „Räuchermischungen“ außer Spice konsumiert
hatten.
Befragt wurden jeweils ca. 1500 Jugendliche in Frankfurt.

Die Autoren der Studie schreiben zur Verbotswirkung: “Dieser Rückgang [von 3%
auf 1%] ist nicht überraschend, da die Erhebung 2009 nach dem Verbot von Spice
und seinen Inhaltsstoffen stattgefunden hat und explizit nach dem Konsum von
Spice gefragt wurde. Vielmehr überrascht der Umstand, dass nach eigenen
Angaben
immerhin noch 1% in den letzten 30 Tagen vor der Befragung das illegale
Produkt
konsumiert hat.” und “Immerhin acht der Befragten (32%) hatten allerdings auch
noch nach der BtmG-Änderung mindestens eines der dann verbotenen Produkte
konsumiert.”

Zudem zeigten sich seit dem Aufkommen von Spice und Co. ein regional
unterschiedliches Verhalten von Seiten der Polizei gegenüber Headshops. In
einigen Regionen wurde frühzeitig bzw. wird weiter intensiv über das
Arzneimittelgesetz interveniert, aus anderen Teilen der Bundesrepublik hört
man
so gut wie nichts. Das Verhalten der Headshops bei der Frage ob, wie lange
bzw.
frühzeitig und bis in welchen Grau-/Schwarzbereich hinein sie entsprechende
Substanzen anbieten dürfte deswegen ebenfalls massiv schwanken. Der hier nicht
unrelevante Internethandel dürfte kaum betroffen sein.

Fazit: Es gab unter den befragten Frankfurter Jugendlichen nach dem Verbot und
nach dem Medienhype einen gewissen Rückgang in der 30 Tages-Prävalenz von der
speziellen Droge Spice, allerdings wurde nach dem Verbot weiter Spice
konsumiert
obwohl es legale Alternativen gab, diese wurden zusätzlich konsumiert. Weder
war
die gewählte Altersgruppe für das Gesamtphänomen Spice und Co. am meisten
relevant noch kann angesichts von regionalen Unterschieden das Ergebnis aus
Frankfurt auf die gesamte Bundesrepublik verallgemeinert werden. Aussagekraft
der Studie: gering beim Spiceverbot, ziemlich genau 0 bzgl. des
Cannabisverbotes
- in so fern kann man die Frage der LINKEN als von der Bundesregierung nicht
beantwortet bezeichnen.



  • [AG-Drogen] Die empirische Grundlage der Bundesregierung für die präventive Wirkung des BtMG, Maximilian Plenert, 25.07.2011

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