Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-drogen - [AG-Drogen] Moderne Graslegenden - Michael Knodt über Hanfmythen und ihren wahren Hintergrund

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

Listenarchiv

[AG-Drogen] Moderne Graslegenden - Michael Knodt über Hanfmythen und ihren wahren Hintergrund


Chronologisch Thread 
  • From: Maximilian Plenert <kontakt AT max-plenert.de>
  • To: Fachforum Drogen der GRÜNEN JUGEND <liste-ff-drogen AT gruene-jugend.de>, BND Diskussionsliste <bnd-debatte AT bndrogenpolitik.de>, linke-drogenpolitik AT yahoogroups.de, Liste: AG_Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>, vfdintern AT yahoogroups.de, piraten AT drug-policy.eu
  • Subject: [AG-Drogen] Moderne Graslegenden - Michael Knodt über Hanfmythen und ihren wahren Hintergrund
  • Date: Wed, 04 Aug 2010 15:24:58 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
Hash: SHA1


04.08.2010
http://blogs.taz.de/drogerie/2010/08/04/moderne_graslegenden/

Moderne Graslegenden
von Steffen Geyer

Michael Knodt über Hanfmythen und ihren wahren Hintergrund

Über Hanf gibt es eine Menge moderner Märchen. Die beiden Hauptursachen
hierfür
sind wohl einerseits die weltweite Illegalität von Hanfblüten, die echte
Grundlagenforschung sowie eine frei verfügbare Information schwierig bis
unmöglich machen und so eine Haufen Spielraum für Spekulatives, Gerüchte und
Halbwahrheiten lassen. Andererseits gehen Kiffen und ein zum Übertreiben
neigender Hang zur Phantasie ab und an Hand in Hand, wodurch auch schon das
ein
oder andere Hirngespinst plötzlich lebendig wurde.
Greifen die Massenmedien das Thema Hanf auf, werden Halbwahrheiten fast schon
mit Schallgeschwindigkeit weiterverbreitet, so dass der wahre Hintergrund
meist
im Verborgenen bleibt.
Man mag es kaum glauben, aber durch die Wiederholung falscher Tatsachen hat
sich
so manche Hanflüge auch in den Köpfen von Hanfliebhaber/innen festgestzt, oft
unbewusst.

Dieser Artikel klärt über die verbreitesten Fehlschüsse in Sachen Hanf auf und
versucht gleichzeitig, den Hintergrund oder auch das kleine Stückchen
Wahrheit,
das in (fast) jeder Meldung steckt, ein wenig näher zu beleuchten.

?Gen-Gras ? gibt?s nicht
Die wohl schlimmste und verbreiteste Desinformation, die in den letzten Jahren
gezielt und unter ständiger Wiederholung gestreut wurde, ist die vermeintliche
Genmanipulation an Gras und die angeblich darauf beruhenden, hohen THC-Werte.

Seit mittlerweile vielen Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht vom
genmanipulierten Supergras. Kein Gerücht ohne Hintergrund, also habe ich mich
mal auf Spurensuche begeben.

Unter Genmanipulation versteht man die künstliche Veränderung des Erbgutes.
Dieses besteht aus vier Säuren, den Bausteinen der DNA. Diese Säuren werden
bei
der Genmanipulation ? vereinfacht gesagt ? untereinander ?ausgetauscht? und
ein
Lebewesen mit neuen Eigenschaften entsteht. Italienische Wissenschaftler haben
versucht, Hanf genetisch zu manipulieren, mit folgendem Ergebnis: ?Laut den
italienischen Forschern Tito Schiva und Saverio Alberti ist Hanf sogar gegen
Genmanipulationen resistent?, so die ?Sonntagszeit? Nr. 7 vom 17. Februar 2002
in ?Das Leuchten der Blumen? ?..Ziel der Studien war ursprünglich die
Herstellung von handelsüblichem Hanf, der von unerlaubten Rauschmittelsorten
zuverlässig unterschieden werden sollte. Doch erwies sich ausgerechnet Hanf
gegen eine Genmanipulation resistent?.

Wie ensteht also dann das Gerücht, potenter Hanf sei genetisch verändert?
Schuld
ist die Herbstzeitlose. Die Knolle der wunderschönen Zierpflanze enthält
Colchizin. Dieses hochgiftige und krebserregende Alkaloid, auch bekannt als
Spindelgift, kann niedrig dosiert gegen Gicht helfen, ruft aber ebenso
Mutationen bei Pflanzen hervor, deren Saatgut damit behandelt wurde. Die
Überlebensquote von Hanfsamen, die mit Colchizin behandelt werden, beträgt
zehn
Prozent. Die überlebenden Pflanzen werden oft, nicht immer, ertragreicher. Der
Grund: Die Erbanlagen wurden, einfach dargestellt, verdoppelt, nicht
verändert.
Es handelt sich um eine Mutation, also eine spontan auftretende oder
herbeigeführte Veränderung des Erbgutes, die ständig in der Natur vorkommt.
Die
Pflanze ist jetzt polyploid, das heißt, sie hat nun mindestens drei
vollständige
Chromosomensätze, die jedoch im Gegensatz zur Gen-manipulierten Pflanze
unverändert sind.

Diese Wirkung ist schon seit 1934 bewiesen und noch viel länger wird auf dem
Gebiet geforscht. Unter anderem wurde durch die Behandlung mit Colchizin eine
neue Getreidesorte (Triticale: eine Kreuzung aus Weizen und Roggen)
geschaffen,
die schon Jahrzehnte bei uns als Viehfutter und als Rohstoff für Backwaren,
Bier
und Fertigbreie kultiviert wird. Gleiches gilt für Rüben, diverse
Futterpflanzen, und beispielsweise auch für Stiefmütterchen. Die Anwendung von
Colchizin gilt in Botanikerkreisen als gängigste Methode, Polyploide
herzustellen und wurde schon bei fast allen bekannten Kulturpflanzen
angewendet.

Was das mit Gras zu tun hat? Natürlich gab es auch in Grower-Kreisen bereits
in
den 1970er Jahren Menschen, die, nachdem sie ein paar Bio-Bücher gewälzt
hatten,
mit Colchizin experimentierten. Der bekannteste unter ihnen war der als LSD
- -Papst bekannt gewordene Professor Tim Leary, von dem böse Zungen
behaupten, er
hätte durch den ungeschützten Umgang mit Herbstzeitlosen-Extrakt später Krebs
bekommen. Die Ergebnisse entsprachen wohl nur teilweise den Erwartungen und es
war außerdem sehr aufwendig, Samen mit Colchizin zu behandeln. Die niedrige
Überlebensquote, die aufgrund von Giftrückständen auftretende Ungenießbarkeit
der ersten beiden Generationen und vor allem die nicht zu unterschätzende
Gesundheitsgefährdung beim Hantieren mit der Substanz, verhinderten eine
großflächige Verbreitung dieser Methode. Auch sind die Folge-Generationen
lange
nicht so stabil wie bei durch natürliche Selektion gewonnem Saatgut, einfach
gesagt: Die Produktion von Samen durch natürliche Selektion ist sowohl in
Bezug
auf den Ertrag als auch auf die Stabilität einer Sorte wirtschaftlicher und
unkomplizierter. Deshalb hat sich diese als einzige durchgesetzt.

Ob polyploide Sorten, die es zweifelsohne gibt, nun durch natürliche Mutation
oder durch frühes Herumexperimentieren mit Herbstzeitlosen-Extrakt entstanden
sind, lässt sich heutzutage nicht mehr nachvollziehen. Das gilt jedoch auch
für
viele der Pflanzen, die wir täglich essen. Fest steht: Alle Samenbanken und
seriösen Züchter arbeiten nur mit Hilfe natürlicher Selektion, die
Frankenstein-Methode der Colchizin-Behandlung wird höchstens noch von
gewissenlosen Hobby-Biologen angewandt, denen aber Zeit und Mittel, ihr
Saatgut
weiter zu verbreiten, glücklicherweise nicht zur Verfügung stehen.

Résumée: Die gleiche Methode, die bei der Hanfsamen-Behandlung angeblich
Gen-Gras hervorruft, wird seit 1960er-Jahren an nahezu jeder Kulturpflanze
angewandt, auch im Freiland. Also können wir davon ausgehen, dass unser Hanf
mit
Sicherheit nicht mehr oder weniger genmanipuliert ist als unser Brot.
Erfolgreiche Versuche, künstliche Mutationen zu erzeugen, hat es zweifelsfrei
gegeben, die Methode konnte sich jedoch, anders als bei vielen Lebensmitteln,
bei Cannabis nicht durchsetzen und hat mit Genmanipulation im heutigen Sinne
nichts zu tun. Wer nun auf die Idee kommt, so etwas selbst auszuprobieren,
dem/der sei gesagt: Finger weg, der Kontakt mit Colchezin ist schon in
geringen
Mengen krebserregend und es bedarf eines professionellen Labors und einer
fundierten Ausbildung, um gefahrlos mit dem Gift umzugehen. Der Umgang damit
ist
sinnvoller weise genehmigungspflichtig. Auch wäre es ein Unding, wenn jemand
solches Saatgut in den Umlauf brächte. Deshalb gibt es hier auch keine
Anleitung.
Merke: Bei einer Legalisierung wären die Mitglieder der Saatgut-Lobby sowieso
die Ersten, die laut über eine Notwendigkeit von Hanfpflanzen-Mutanten
nachdächten.

Der THC Gehalt ist seit den 1970er Jahren immens angestiegen
Auch die leicht angestiegenen THC-Gehalte in einigen Sorten lassen sich
ausschließlich auf natürliche Auslese zurückführen, hier eine Genmanipulation
als Grund aufzuführen ist blanker Unsinn. Auch sind dies oft zitierte
?Spitzenwerte? aus den offiziellen Statistiken, ein signifikanter Anstieg des
THC-Gehaltes in Bezug auf die Gesamtmenge an beschlagnahmten
Cannabis-Produkten
wurde nie festgestellt.
Schon vor über 25 Jahren ist es vor allem den Niederländern gelungen, durch
?Indoor-Anbau? und optimierte Zuchtbedingungen stärkere Sorten zu züchten.
Damals gab es mit ?Skunk? und ?Superskunk? oder Mazar einen signifikanten
Anstieg der THC-Gehalte. BKA und die europäische
Drogenbeobachtungsstelle der EU gehen davon aus, dass es in den letzten Jahren
zwar Funde mit hohem THC-Gehalt gab, aber kein allgemeiner Anstieg im zu
verzeichnen ist.
Denn in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde
vornehmlich Hasch konsumiert, dessen THC -Gehalt unisono viel höher ist als
der
von Cannabisblüten, da es sich um ein Extrakt handelt. Der Wirkstoffgehalt von
Cannabis in Europa hat nach 1996 etwas zugenommen, vor allem indem der
Marktanteil von Haschisch eher mäßiger Qualität zurückgegangen ist und durch
Indoor-Züchtungen ersetzt wurde. Bei in Europa
angebautem Marihuana gab es einen gewissen Anstieg des THC-Gehalts, so
dass sein Wirkstoffgehalt nun mit dem Haschisch der 1960 und 1970er Jahre
vergleichbar ist. Soviel zu der Behauptung der Althippies ?Ihr Joint sei ja
viel
ungefährlicher gewesen..?

Ein hoher THC Gehalt ist gefährlich und macht schnell abhängig
Völlig falsch. Medizinalpatienten aus Ländern, in denen natürliches Cannabis
für
medizinische Zwecke verschrieben bekommen, bevorzugen meist Blüten mit einem
hohen Wirkstoffgehalt.
Da der THC-Gehalt in Prozent angeben ist, wissen sie genau, wie viel sie
einnehem müssen, um den gewünschten Effekt zu erreichen.
Bei Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Prozent muss ein Patient die
doppelte Menge einnehmen als bei einem Kraut, das 20 Prozent Wirkstoff
enthält.
Dies ist der einzige Unterschied bezüglich des THC-Gehalts, auf das
Abhängigkeitspotential hat der Wirkstoffgehalt nachgewiesener Maßen keine
Auswirkung.
Eine Dosiserhöhung findet bei Cannabispatienten viel seltener als bei Opiat-
oder Opiod-Patienten statt, obwohl die meisten Sorten mit hohem
Wirkstoffgehalt
bevorzugen.
Die These, ein hoher THC-Gehalt mache schneller abhängig als ein niedriger ist
genauso unsinnig wie zu behaupten, dass Wein schneller süchtig oder abhängiger
als Bier mache. Bei einem sicherem Cannabiskonsum kommt auf die
Überprüfbarkeit
des Wirkstoffgehalts an, was auf einem unkontrollierten Schwarzmarkt
unmöglich ist.

Michael Knodt ist Chefredakteur des Hanf Journals
-----BEGIN PGP SIGNATURE-----
Version: GnuPG v1.4.10 (GNU/Linux)
Comment: Using GnuPG with Mozilla - http://enigmail.mozdev.org/

iEYEARECAAYFAkxZaikACgkQ8wIvRbpDIpLBwwCfZVOKUaVPc0sJhdKdsskfj+Xe
Q4sAn0LQDOxmIxcrYD1zYN17DCYgGfjc
=PlK5
-----END PGP SIGNATURE-----



  • [AG-Drogen] Moderne Graslegenden - Michael Knodt über Hanfmythen und ihren wahren Hintergrund, Maximilian Plenert, 04.08.2010

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang