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ag-drogen - [AG-Drogen] Interview mit Felipe Calderón - Mexikos Präsident erklärt Drogenmafia den Krieg

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

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[AG-Drogen] Interview mit Felipe Calderón - Mexikos Präsident erklärt Drogenmafia den Krieg


Chronologisch Thread 
  • From: Maximilian Plenert <kontakt AT max-plenert.de>
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  • Subject: [AG-Drogen] Interview mit Felipe Calderón - Mexikos Präsident erklärt Drogenmafia den Krieg
  • Date: Wed, 05 May 2010 13:50:31 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

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Interview mit Felipe Calderón - Mexikos Präsident erklärt Drogenmafia den
Krieg
Von Hildegard Stausberg 4. Mai 2010, 19:34 Uhr
http://www.welt.de/politik/ausland/article7472572/Mexikos-Praesident-erklaert-Drogenmafia-den-Krieg.html

Mexiko Ruf ist durch andauernde Drogenkriege und zahlreiche Verbrechen
beschädigt. Präsident Felipe Calderón sagt den Drogenbaronen nun den Kampf an.
Mit WELT ONLINE spricht er außerdem über fehlende Analysefähigkeit der
Amerikaner und die unkalkulierbaren Konsequenzen der Öl-Katastrophe.

WELT ONLINE: Herr Präsident, das Bild Mexikos hat in den letzten Jahre großen
Schaden genommen: Das unbeschwerte Touristenparadies von einst, scheint ein
von
Drogenbaronen geknechtetes Land: Kann Mexiko diesen Krieg gewinnen?

Felipe de Jesús Calderón Hinojosa: Ja. Aber ich möchte klarstellen: Das ist
nicht einfach ein Krieg gegen Drogenbarone und organisiertes Verbrechen,
sondern
ein Kampf, den wir für die Sicherheit der Mexikaner führen. Das ist
entscheiden!
Wir wollen die Konditionen schaffen, um den Mexikanerinnen und Mexikanern ihre
Lebensruhe wiederzugeben. Mexiko hat ein riesiges Entwicklungspotential,
gerade
auch im Tourismus. Dieses Jahr hatten wir ? anders als man vielleicht annimmt
?
in den zehn wichtigsten Touristenhochburgen über die Ostertage eine Auslastung
von fast 85 Prozent. Mexiko bleibt der paradiesische Ort, der es immer war.

WELT ONLINE: Und die Gewalt, die man in Mexiko registriert?

Calderón: Sie ist auf die Aktivitäten krimineller Gruppen zurückzuführen, die
andere kriminelle Banden bekämpfen. Und sie kämpfen so verzweifelt, weil sie
an
Terrain verlieren, was mit unseren harten Maßnahmen zusammenhängt. Denn diese
Banden erleben gerade einen Prozess der Schwächung ihrer Basis, also Verlust
an
eigenem Terrain. Das hat sie zu einem blutigen und grausamen Kampf veranlasst:
Mehr als 90 Prozent der registrierten Morde gehen auf das Konto der einen oder
anderen Banden. Wir haben schwere Verluste bei unseren Sicherheitskräften ?
beim
Militär wie auch der Polizei und natürlich auch unter der Bevölkerung.

Aber es geht hier eben um den Kampf von Kriminellen gegen andere Krimelle - es
gibt keine systematischen Angriffe auf Touristen oder andere in Mexiko
lebenden
Ausländer. Außerdem sollte man das alles in einen Gesamtzusammenhang setzen:
In
Mexiko gibt es zwei Morde auf 100.000 Menschen, in der Karibik liegt das viel
höher: in Jamaika etwa 61 Morde auf 6.000, in der Dominikanischen Republik 59
auf 100.000, in Brasilien liegt es bei 22 Toten auf 100.000 Menschen ? also
mehr
als das Doppelte wie Mexiko ? in Kolumbien sind es 36 Tote auf 100.000
Menschen
Aber durch die Nähe der Vereinigten Staaten wird all dies ganz anders
wahrgenommen.

WELT ONLINE: Aus den Vereinigten Staaten ist zu hören, Mexiko sei auf dem Wege
zum ?failed state?, also einem unregierbaren Land!

Calderón: Mich beunruhigt die fehlende Analysefähigkeit, die aus solchen
absurden Behauptungen spricht. In einem ?failed state? sind die Institutionen
nicht mehr fähig, die Regierbarkeit des Landes durch eigene Entscheidungen zu
garantieren. Davon sind wir in Mexiko total entfernt. Als die internationale
Finanzkrise ausbrach, also 2008, hörte man zum ersten mal die Behauptungen,
Mexiko sei nicht fähig, der Drogenmafia und dem kriminalisierten Verbrechen zu
widerstehen.

Seitdem haben wir verschiedene Krisen erlebt, die für sich allein, einen
?failed
state? in die Knie gezwungen hätte: Die härteste Wirtschaftskrise seit vielen
Jahrzehnten ? unser Bruttoinlandprodukt schrumpfte 2009 um 6,5 Prozent in -
wir
mussten gegen die Gewalttätigkeit der Mexiko bedrohenden Kartelle kämpfen,
die,
weil geschwächt, noch brutaler ihr Terrain verteidigen, wir die die
Schweinegrippe, eine der schlimmsten Trockenheiten seit siebzig Jahren und den
größten Rückgang bei unserer Ölförderung. Das sind fünf Krisen: Jede für sich
hätte ein Land in die Knie zwingen können ? wir sind noch da!

WELT ONLINE: Wie steht es um ihre Wirtschaft?

Calderón: Es geht aufwärts: In diesem Jahr wird sie um 4,2 Prozent wachsen.
Unser Interesse gilt vor allem auch dem Ausbau von Handelsbeziehungen mit
Europa, zu dem wir eine große Nähe spüren.

WELT ONLINE: Bekannte lateinamerikanische Persönlichkeiten, der ehemalige
Präsident Brasiliens, Fernando Henrique Cardoso, plädieren für eine
Legalisierung der ?soft? Drogen einsetzen: Sie auch?

Calderón: Da gibt es Empfehlungen, die wohl niemals in einer Regierungszeit
gemacht worden wären. Ich weiche keiner öffentlichen Debatte aus, aber das
Drogenthema ist komplex. Es geht nicht um Drogenhandel, sondern das dabei
entstehende organisierte Verbrechen. Das Problem Mexikos ist die Nähe zum
größten Drogenkonsumenten der Welt: Alle wollen dorthin Drogen verkaufen und
nutzen unser Territorium. Der Kokainverbrauch hat sich in Mexiko zwischen 2001
und 2006 verdoppelt. Das organisierte Verbrechen infiltriert unsere
Gesellschaft, um sie erpressen zu können.

WELT ONLINE: Ist nur Mexiko davon betroffen?

Calderón: Nein, auch andere Länder Lateinamerikas und viele in Afrika. Aber
auch
die Konsumentenländer werden früher oder später auch darein gezogen: werden.
Schade, dass es dafür wenig Verständnis gibt.

WELT ONLINE: Würde durch eine Legalisierung der Preis der Drogen gedrückt und
die Kriminalität verringert?

Calderón: Dazu bedürfte es eines globalen Abkommens, an dem auch die
Vereinigten
Staaten beteiligt sein müssten ? und das ist eine Schimäre. Wir müssten
akzeptieren, dass mehrere Generationen von Jugendlichen auf der ganzen Welt
umgehend drogenabhängig würden. Und in Mexiko würden weiterhin die
amerikanischen Verbraucher die Preise angeben. Vielleicht hätten wir dann auch
kaum noch Drogenhändler aus Mexiko, dafür aber aus Afghanistan oder Pakistan:
Ginge es uns dann besser?

WELT ONLINE: Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe fordert von Washington und
Brüssel mehr Mitverantwortung.

Calderón: Weder in Europa noch die Vereinigten Staaten hat man die
Zerstörungskraft der Drogen und der organisierten Kriminalität für
Lateinamerika
voll erkannt. Aber nicht nur institutionell schwache Ländern sind gefährdet:
Viele Europäer machen sich keine Vorstellung bis zu was für einen Grad diese
Netze auch schon hier tätig sind. Das ist gefährliche Naivität.

Außerdem gibt es im Falle der Vereinigten Staaten einen absolut
unverantwortlichen Verkauf an Waffen: Im Jahre 2004 ist dort ein Gesetz
ausgelaufen, das den Verkauf von schweren Angriffs- und Überfallwaffen verbot.
Dieses Gesetz wurde nicht verlängert - weder vom Präsidenten noch vom
Kongress.
Damit können unsere Krimellen auf der anderen Seite der Grenze einkaufen, was
immer sie wollen: Maschinengewehre, automatische Feuerwaffen Typ 47 und R15,
da
gibt es Granaten in allen Reichweiten.

"Amerikaner verschließen Augen vor Waffenindustrie"

Allein in den zurückliegenden drei Jahren meiner Regierung haben wir mehr als
70.000 schwere Waffen beschlagnahmt, 5.000 Granatenwerfer und acht Millionen
Patronenhülsen, zigtausende von Raketenwerfern und Waffen, mit denen man
Helikopter abschießen kann. 80 Prozent dieser Waffen wurden in den Vereinigten
Staaten verkauft ? und zwar in 12.000 Läden, die sich dicht an der Grenze zu
Mexiko befinden.

Mit Blick auf ihre Waffenindustrie verschließen die Amerikaner die Augen vor
dieser für uns, aber auch sie selbst tödlichen Gefahr. In den Vereinigten
Staaten werden Waffen an Kriminelle verkauft, die wir auf unserer Seite der
Grenze bekämpfen. Und wer könnte ausschließen, dass eines Tagen diese Waffen
nicht mehr nur auf Mexikaner zielen, sondern auch auf die Nordamerikaner
selbst.

WELT ONLINE: Wie steht es um die Zusammenarbeit mit der amerikanischen
Regierung
beim Drogenthema?

Calderón: Die Zusammenarbeit begann schon Präsident Bush, das muss man
zugeben.
Unter Präsident Obama wurde sie nicht nur fortgeführt, sondern wesentlich
vertieft. Wir bekommen für unsere Anliegen eindeutig mehr Aufmerksamkeit als
früher. Es gibt mehr Zusammenarbeit zwischen unseren Sicherheitsdiensten, es
gibt die Initiative von Merida, durch die auch Mittelamerika mit eingebunden
werden soll. Von den 1,4 Millionen Dollar, die dafür angesetzt wurden, haben
wir
bisher 120 Millionen bekommen

WELT ONLINE: Welche Auswirkungen hat die Katastrophe im Golf von Mexiko?

Calderón: Bisher hat das auslaufende Erdöl Mexikos Küsten nicht erreicht,
sondern driftet in andere Richtungen. Aber schon jetzt steht fest, dass es
unkalkulierbare Konsequenzen gibt für das Ökosystem des ganzen Golfes ? und
damit mein eigenes Land und alle anderen Anrainerstaaten. Außerdem steht doch
längst fest, dass jede Umweltkatastrophe uns alle, also die ganze Welt trifft.
Ich bedauere, dass sich diese Einsicht noch nicht überall durchgesetzt hat.
Wir
können auf der Welt nicht weiter so tun, als ob Umweltproblemen nur ein
jeweiliges Land oder eine Region betreffen: Sie betreffen immer uns alle! Und
natürlich müssen die Vereinigten Staaten dieses Desaster in den Griff bekommen
und British Petroleum muss gerade stehen für den verursachten Schaden ? und
zwar
bis in letzter Konsequenz, also auch eine umfassende wirtschaftlicher
Wiedergutmachung.

WELT ONLINE: Bisher schienen bei immer knapper werdenden Ölreserven off-shore
Bohrungen eine attraktive Alternative.

Calderón: Ja, aber dieser Unfall wird Auswirkungen haben auf Tiefseebohrungen,
die man noch gar nicht abschätzen kann. Da muss man jetzt erst einmal massiv
viel investieren, um die Sicherheitsstandards radikal zu verbessern. Dennoch
bleibt die Frage offen, ob die Akzeptanz in der Öffentlichkeit demokratischer
Staaten dafür überhaupt wieder geschaffen werden kann.

WELT ONLINE: Sie sind nach Berlin gekommen, um in Deutschland die
Folgekonferenz
von Kopenhagen vorzubereiten, die im Spätherbst in mexikanischen Cancún
stattfinden soll: Hat die Katastrophe Auswirkungen auf die Konferenz?

Calderón: Ja, gravierende: Der kritische Grundton gegenüber den
Industrienationen könnte sich verstärken. Und es wird sicher auch mehr
Auflagen
geben für die Ausbeutung von Rohstoffen, vor allem auch Öl. Aber wir könnten
das
auch nutzen, in dem wir gemeinsam versuchen, ein Wirtschaftsmodell zu
entwerfen,
das wirtschaftliche Effizienz und ökologische Rücksichtnahmen zu verbinden.

WELT ONLINE: In ihrer Rede zur Nachfolgekonferenz von Kopenhagen gaben sie
sich
verhalten optimistisch ? hier in Deutschland überwiegt hingegen die Skepsis.

Calderón: Maßlos optimistisch bin ich nicht: Es handelt sich um einen sehr
schwierigen Prozess und deshalb gibt es kaum schnell positive Ergebnisse geben
kann. Aber ich bin absolut überzeugt, dass es im Umweltthema bald gemeinsame
Entschlüsse geben muss: Die Zeit läuft uns allen davon. Noch immer fehlen
Übereinkommen zwischen den hoch entwickelten Industrienationen und den
Entwicklungsländern. Wir unterscheiden klar zwischen der Bereitschaft der
Europäischen Union, zu Abkommen zu kommen, und der abwartenden Haltung der
Vereinigten Staaten und der großen Schwellenländer wie China, Indien und
Brasilien. Mexiko wünscht einen globales Umweltabkommen ? dafür werden wir
kämpfen.

WELT ONLINE: Wie beurteilen Sie die Stellung der Bundesrepublik im
internationalen Umweltdialog?

Calderón: Deutschland hat eine unbestrittene Führungsrolle, vor allem auch
Frau
Merkel. Und dieses Gewicht ist wichtig, um die enorme Gegnerschaft andere
Industrienationen und großer Schwellenländer auszugleichen.
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Version: GnuPG v1.4.10 (GNU/Linux)
Comment: Using GnuPG with Mozilla - http://enigmail.mozdev.org/

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